| # taz.de -- Yasmine M'Barek liest in Bremen: Kompromiss ist sexy | |
| > Yasmine M'Barek plädiert in ihrem Buch „Radikale Kompromisse“ für eine | |
| > beweglichere Debattenkultur. Jetzt liest sie daraus in Bremen. | |
| Bild: Nicht beim Aufregen stehenbleiben: Yasmine M'Barek ist leidenschaftlich p… | |
| Hamburg taz | Die laute Moral siegt oft über die leise Komplexität. Ob | |
| [1][Gendern], Atomkraft oder die schwarze Null – die Fronten sind | |
| verhärtet. Zwei Lager brüllen sich an, es gibt nur ein richtig oder falsch. | |
| Die Diskussionen verheddern sich in Endlosschleifen der Rechthaberei. Man | |
| stagniert. Yasmine M’Bareks Buch “Radikale Kompromisse“ ist der | |
| pragmatische Wegweiser aus dieser Sackgasse. Differenziert und unaufgeregt | |
| diskutiert sie die Frage, was unsere Gesellschaft am Vorankommen hindert. | |
| Diesen Freitag, am 25. März, liest die Autorin in Bremen. Man sollte der | |
| [2][Zeit Online-Redakteurin] unbedingt dabei zuhören. | |
| Der Titel „Radikale Kompromisse“ mag zuerst nach einem ironischen | |
| Widerspruch klingen, M’Barek zeigt aber, warum es keiner ist. Denn: | |
| Kompromisse erfordern ein zugewandtes Gegenüber. In einer Zeit starrer | |
| Polarität ist Radikalität dann genau das: Beweglichkeit. | |
| Und Bewegung ist ja dringend nötig. Ob Energiewende, [3][Antirassismus], | |
| Rentenreform oder Wohnungspolitik – M’Barek analysiert die großen Themen | |
| der Gegenwart. Dabei erinnert sie immer wieder an zwei elementare Fragen: | |
| Was ist das übergeordnete Ziel? Und wie übersetzt man Ideale | |
| schnellstmöglich in reale Politik? | |
| Ihre Lösung: Man muss Kompromisse schließen, um realpolitisch | |
| voranzukommen. M’Barek zeichnet Realpolitik dabei so: Unterschiedliche | |
| Ideale sind zwar immer Impulse, aber niemals Dogmen. Es geht der Autorin um | |
| das „zunächst Mögliche“. Ihr Appell: Verliert euch nicht in eurer Empöru… | |
| sonnt euch nicht in eurer Tugendhaftigkeit – das lenkt vom eigentlichen | |
| Ziel ab. So kommt man nicht voran. | |
| Im Zentrum von M’Bareks Argumentation steht ein Modell, das verdeutlichen | |
| soll, wie sich politische Ziele am besten erreichen lassen: „Idealisten | |
| zeigen die Grundprobleme des Systems auf, Realisten suchen Lösungsansätze, | |
| die Stagnierenden werden überzeugt.“ Es wäre falsch, die drei Gruppen | |
| automatisch jeweils einer Partei zuzuordnen. Idealisten sind für M’Barek | |
| beispielsweise nicht per se linksgrüne Personen. Meist ordne man Menschen | |
| normativ eine Position zu, weil man sie einem bestimmten politischen | |
| Spektrum zurechne, so die Autorin. Das wolle sie aufbrechen. Es geht | |
| M’Barek um Beweglichkeit – im geistigen wie politischen Sinne. | |
| Man kann ihre Thesen durchaus kritisieren, zum Beispiel dass sie | |
| [4][Atomstrom] als „Brückenlösung“ befürwortet. Trotz der heiklen Themen | |
| möchte man ihr beim Lesen aber nicht schreiend, sondern sachlich | |
| widersprechen – und das ist ein Verdienst der Autorin. Denn: Sie | |
| argumentiert immer nüchtern, nie moralisch. Und genau deshalb ist M’Barek | |
| so erfrischend: Das Argument soll überzeugen, nicht die Emotion. Damit | |
| kühlt sie hitzige Diskussionen herab und ist ein Vorbild für eine | |
| produktive Streitkultur. | |
| Wer jedoch glaubt, in der 23-jährigen Autorin aus Köln (linksrheinisch) die | |
| Stimme ihrer Generation zu finden, der liegt falsch. Jung, weiblich, | |
| migrantisch – ja, all das ist Yasmine M’Barek auch. Aber so wenig wie sich | |
| aus diesen Attributen ihre politischen Ansichten ableiten lassen, so wenig | |
| treffend ist auch der plakative Generationenbegriff. Interessant ist sie, | |
| weil ihre Meinungen eben nicht erwartbar sind. Und weil sie dabei vor allem | |
| eines vorlebt: Lust auf Komplexität. | |
| 24 Mar 2022 | |
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| [2] https://www.zeit.de/campus/2022-03/radikale-kompromisse-buch-yasmine-mbarek | |
| [3] /Unternehmerin-ueber-Antirassismus/!5839944 | |
| [4] /EU-Entwurf-zur-Taxonomie/!5823351 | |
| ## AUTOREN | |
| Viorica Engelhardt | |
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