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# taz.de -- Ende fast aller Corona-Maßnahmen: Das Pendel schlägt zurück
> Das neue Infektionsschutzgesetz trägt deutlich die Handschrift der FDP –
> das liegt auch an den Widersprüchen von zwei Jahren Coronapolitik.
Bild: Szenen wie diese wird es ab Montag in den meisten Bundesländern nicht me…
Gut möglich, dass es ab Montag in den Supermärkten der Republik zu
merkwürdigen Szenen kommt: Frühmorgens oder kurz vor Ladenschluss, wenn es
einigermaßen leer ist, huschen KundInnen mit Maske schnell zwischen die
Regale, um ihre Sachen zusammenzusuchen – um dann zur Kasse zu eilen.
Am Wochenende enden [1][in den meisten Bundesländern] die
Coronaschutzmaßnahmen. 3G- oder 2G-Regeln in Restaurants oder Kinos werden
passé sein, und auch die Maskenpflicht wird es dann nicht mehr geben. So
wie in Supermärkten. Ausnahmen gelten für wenige Orte wie Busse, Bahnen und
Arztpraxen. [2][Das neue Infektionsschutzgesetz] will es so.
Zwar können in – Achtung, Juristendeutsch! – Gebietskörperschaften
strengere Maßnahmen eingeführt werden, aber nach welchen Kriterien und ob
auch Flächenländer gemeint sind, ist unklar. Menschen, die eher vorsichtig
sind und keine Lust auf eine (weitere) Corona-Infektion haben, werden
angesichts hoher Inzidenzen [3][im Tausenderbereich] panisch die Nähe zu
anderen Menschen meiden – und sich eilig wie Bankräuber in Supermärkten
bewegen.
Das Zauberwort der Ampel heißt jetzt Eigenverantwortung, und nicht nur bei
ihr: Selbst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der
sonst mit Hegel-Zitaten um sich wirft („Freiheit ist die Einsicht in die
Notwendigkeit“), setzt tapfer auf Eigenverantwortung. Das Problem ist: Die
meisten sind wohl nur sich selbst am nächsten. Sie würden, wenn überhaupt,
nur zum eigenen Schutz eine FFP2-Maske aufsetzen und sicherlich nicht, um
den unbekannten Menschen am Nudelregal zu schützen.
Mit der Maske schützt man aber nicht nur sich selbst, sondern gerade auch
andere. Ausgerechnet die Maskenpflicht, die anders als monatelange
Schul-Lockdowns und Restaurantschließungen mit anschließender
Perspektivlosigkeit für viele BetreiberInnen eine geradezu lächerlich
geringe Einschränkung bedeutet, fällt jetzt weg – weil es die FDP so
wollte.
Dass die vorgeblichen Freiheitskämpfer um FDP-Justizminister Marco
Buschmann [4][und Wolfgang Kubicki] überhaupt die Oberhand gewinnen
konnten, liegt auch an den unzähligen Widersprüchen der Coronapolitik der
vergangenen zwei Jahre, die dazu führten, dass viele die Coronamaßnahmen
satthaben.
Zur Erinnerung: Am Anfang der Pandemie durfte man allein nicht im Park
stehen oder sitzen, vor einem Jahr wurde eine sinnlose Ausgangsbeschränkung
beschlossen, später durfte man nur mit 3G einkaufen, in Baumärkten ging es
auch ohne.
Ständig variierte auch das Ziel der Maßnahmen. Am Anfang ging es darum, das
Gesundheitssystem nicht zu überlasten, zwischendurch darum, die Zahl der
Todesopfer zu minimieren, dann war das Ziel, die „kritische Infrastruktur“
inklusive der Feuerwehr zu schützen, jetzt steht das Gesundheitssystem
wieder im Zentrum. Wer ständig neue Ziele ausruft, muss sich nicht wundern,
wenn der Weg dahin irgendwann sehr umstritten ist. Die Extreme der
Vergangenheit haben in einer Art Pendelbewegung das neue Extrem erst
möglich gemacht.
## Experten sind nicht die besseren Politiker
Eine weitere Lehre ist: Eine Gesellschaft kann offenbar immer nur mit einer
Großkrise gleichzeitig umgehen. Ohne den Ukrainekrieg wäre das vermurkste
Infektionsschutzgesetz wohl kaum durchgekommen. Seit Anfang Februar zieht
die Ukraine die ganze Aufmerksamkeit der Politik und der – auch medialen –
Öffentlichkeit auf sich.
Was das neue Gesetz auch zeigt: Experten sind nicht automatisch die
besseren Politiker, [5][Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist eine große
Enttäuschung] mit Blick auf Corona. Ein Experte mag nachts noch die neueste
Studie aus Harvard lesen, aber ob er in Verhandlungen, in denen es um
politische Tauschgeschäfte und um das juristisch Kleinteilige geht, die
nötige Geschicklichkeit aufbringt, steht auf einem anderen Blatt. Warum hat
Lauterbach, der ein großes, seit Corona personalmäßig kräftig gewachsenes
Ministerium im Rücken hat, nicht ein besseres Gesetz durchgesetzt?
Die Zahlen werden im Sommer sinken. Die Vernünftigen in der Regierung
sollten die Zeit nutzen, zu überlegen, wie sie für den nächsten Winter ein
besseres Gesetz hinbekommen.
2 Apr 2022
## LINKS
[1] /Corona-Pandemie-im-Norden/!5841851
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__28a.html
[3] /Coronalage-in-Deutschland/!5842731
[4] /Absturz-der-FDP-in-Corona-Zeiten/!5681714
[5] https://www.ardmediathek.de/video/dokus-im-ersten/konfrontation-markus-feld…
## AUTOREN
Gunnar Hinck
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