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# taz.de -- Belarus und der Krieg in der Ukraine: Die Geduld der Menschen hat i…
> Die Entsendung eigener Truppen würde Lukaschenko endgültig zu einem
> politischen Leichnam machen. Einige Armeeangehörige haben sich längst
> geweigert.
Bild: Ein alter Mann hat das einfach für alle entschieden: Lukaschenko und Put…
Noch vor nicht allzu langer Zeit nahmen die Belarussen in den sozialen
Netzwerken die kollektive Verantwortung dafür auf sich, dass russische
Truppen ins Land kommen konnten: „Das machen sie. Aber mir ist es
peinlich.“
Aber wer hat die Einwohner der Städte Gomel und Chojniki danach gefragt,
[1][ob sie das Gerassel von Panzern und Kampfflugzeugen neben ihren Häusern
hören wollen]? Ein alter Mann hat das mit seiner Einzelmeinung einfach für
alle entschieden.
Während die Menschen, die mit Antikriegsplakaten auf den Straßen
demonstriert hatten, für 15 Tage ins Gefängnis kamen, bewegten sich zur
gleichen Zeit russische Militärzüge mit Kampfausrüstung in Richtung Grenze.
All diese Bewegungen werden [2][in einem Telegram-Kanal] live
aufgezeichnet. Während der Kanal vor einer Woche noch 27.000 Abonnenten
hatte, sind es gegenwärtig bereits 88.000.
Unter den Kommentierenden sind viele Ukrainer, die sich für die
Operativ-Informationen bedanken. In unserem Computerzeitalter kann jeder
militärischer Kundschafter werden, und Nachrichten verbreiten sich sehr
schnell. Genau wie Fake News.
Kürzlich sagte Lukaschenko, dass zwei Tage zuvor von ukrainischem
Staatsgebiet aus eine Rakete vom Typ Totschka-U in Richtung Belarus
abgeschossen worden sei, die man aber habe abfangen können.
„Sie liegt irgendwo in Flussnähe. Wen es interessiert – gehen Sie gerne hin
und schauen Sie es sich an.“ Wir gingen hin und schauten. Nichts. So was
nennt man Faktencheck. Sollte Lukaschenko nach einem Vorwand für die Armee
suchen, in der Ukraine einzumarschieren, muss er sich was Besseres
einfallen lassen.
## Lieber vor Gericht als tot
Zum einen hat Belarus gar keine große Armee als solche. Und die, die wir
haben, hat sich schon geweigert, zu kämpfen. Die Armeeangehörigen sagen,
dass sie sich lieber vor ein Militärgericht stellen lassen oder ins
Gefängnis gehen als in den Tod. Die Offiziere schreiben in Berichten, dass
sie Angst davor haben, dass, wenn sie die Grenze überqueren, ihre Soldaten
entweder desertieren oder die Waffen gegen sie richten würden.
Zum Anderen träumt Lukaschenko davon, Belarus zur Pufferzone zu machen und
so vom Handel zwischen dem Westen und Russland zu profitieren. Naja, das
wird ihm natürlich nicht gelingen. Die Entsendung seiner eigenen Truppen
wird ihn endgültig zu einem politischen Leichnam machen.
Und vielleicht sogar zu Aufständen in den belarussischen Städten führen.
Lukaschenko hat niemanden, mit dem er in den Krieg in der Ukraine ziehen
könnte. [3][Hinter ihm steht nicht das Volk, wie es in der Ukraine hinter
Selenski steht].
## Die Preise steigen. Die Panik machen wir bewusst
Neulich habe ich Gemüse auf dem Markt gekauft und mich dabei mit der
Verkäuferin unterhalten. Sie hat gesagt, dass sie ihren Sohn und ihren Mann
nicht in den Krieg ziehen lässt, sondern dass sie auf die Straße gehen
werden. Und zwar nicht mit Blumen in den Händen wie noch im Jahr 2020.
Bitte, glauben Sie nicht, dass Belarussen mit Putin oder Lukaschenko
gleichzusetzen seien. Wir sind gegen das, was die verrückten Opas da
losgetreten haben.
Kürzlich haben belarussische Partisanen nachts die Bahnstrecke
Domanowo-Lesnaja lahmgelegt, indem sie Bahntechnik zerstörten. Die
Militärzüge mit russischen Panzern konnten nur noch etwa 10-15 km/h fahren.
Und dabei sind wir noch nicht mal richtig böse geworden. Lukaschenko
versteht nicht, dass er einen Bürgerkrieg entfesseln könnte. Die Geduld der
Belarussen hat ihre Grenzen.
In den Geschäften von Minsk passieren jetzt auch interessante Dinge. Die
Verkäuferin schreit, dass man sie nach den Preisen der Waren fragen muss,
weil die in dem Laden täglich geändert werden. Im Schnitt sind die Preise
um 30-40 Prozent gestiegen.
Mein Lieblingsmineralwasser hat noch vor zwei Wochen 1,99 Rubel gekostet,
jetzt ist es schon bei 2,75 Rubel (umgerechnet von etwa 0,55 auf 0,75 Cent;
Anm.d. Redaktion). Und das, obwohl die Sanktionen Belarus noch gar nicht
erreicht haben.
Aber die Belarussen machen bewusst Panik. Sie kaufen jetzt einfach
Streichhölzer, Salz, Buchweizen und Mehl. Im Geschäft neben meinem Haus gab
es kein Sonnenblumenöl, keine Hirse, keine Haferflocken und kein Soda mehr.
Ich habe die letzten drei Tomatenkonserven aus dem Regal genommen. Während
ich in der Kassenschlange stand, sah ich, dass alle vor mir Alkohol in
ihren Einkaufskörben hatten.
Ich fühlte mich ein bisschen unwohl vor meinen Landleuten. Und nahm eine
Flasche Merlot aus Chile aus dem Regal. Weil es die noch zum alten Preis
gab, für etwa drei Euro. Und weil nicht klar ist, ob es ihn später
überhaupt noch geben wird. Und ich werde auf jeden Fall bis zum Ende dieses
verrückten Krieges trinken wollen.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt durch die [5][taz Panter Stiftung].
21 Mar 2022
## LINKS
[1] /Belarus-und-der-Ukraine-Krieg/!5840641
[2] https://t.me/Hajun_BY
[3] /Hauptstadt-der-Ukraine-im-Krieg/!5839658
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[5] /!p4550/
## AUTOREN
Janka Belarus
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