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# taz.de -- Historiker Borovyk über den Ukrainekrieg: Von der Faulheit der Deu…
> Der ukrainische Historiker Mykola Borovyk spricht in Potsdam über die
> westliche Bequemlage. Man habe die Ukraine nie wirklich verstehen wollen.
Bild: Der Krieg habe begonnen, als die Ukraine es wagte, sich 1991 erneut für …
Für die deutsche Öffentlichkeit scheine die Ursache für den Ukrainekrieg
weiterhin im Dunkeln zu liegen, sagt Mykola Borovyk am Donnerstagabend. Der
ukrainische Historiker und wissenschaftliche Projektmitarbeiter der
KZ-Gedenkstätte Sachsenburg kam zu einem Vortrag ins Potsdamer Einstein
Forum.
[1][Die Absichten Wladimir Putins waren seit Jahren erkennbar,] so Borovyk.
Man habe sie nicht hören wollen. Putin drohte bereits 2008 der Ukraine mit
einem Atomschlag, sollte sie der Nato beitreten. Eigentlich, so sagt
Borovyk, sehe Putin die Nato, deren Staatsoberhäupter er für schwach halte,
nicht als Bedrohung an. Seit Jahren betreibt Russland Handel mit ihnen,
ließ sich zudem, [2][auch nach der Annexion der Krim,] Waffen etwa aus
Deutschland und Frankreich liefern.
In Putins Weltbild aber habe die Ukraine als Staat kein Existenzrecht.
Ideologisch knüpft der russische Präsident ans Zarenreich an, als man die
Auffassung vertrat, das russische Volk bestehe aus Großrussen, Weißrussen
(Belarussen) und Kleinrussen (Ukrainern).
[3][Nach der Oktoberrevolution 1917] gründeten die Ukrainer:innen einen
eigenen Staat, der jedoch 1920 in die Sowjetunion hineingezwungen wurde.
Lenin, so sagte es Putin in seiner Ansprache kurz vor der Invasion, sei
„Schöpfer und Architekt“ einer Ukraine, die es sonst gar nicht gegeben
hätte.
## Schuld am Zerfall der Sowjetunion
Der jetzige Krieg, so Borovyk, habe bereits begonnen, als die Ukraine es
wagte, sich 1991 erneut für unabhängig zu erklären. Für Putin trage die
Ukraine Schuld am Zerfall der Sowjetunion, an die im heutigen Russland
oftmals mit verklärender Nostalgie gedacht werde.
Angesprochen auf das Gerücht, die USA habe 2013 die Demokratiebewegung
Euromaidan in der Ukraine geschaffen, sagt Historiker Borovyk, das
autoritäre Russland könne sich schlicht nicht vorstellen, dass eine die
Regierung stürzende Kraft vom eigenen Volk ausgehen könne.
Doch dessen Kampfeswille werde jetzt jedoch erneut offensichtlich. Was die
Ukrainer:innen gerade an Widerstandskraft zeigten, könne kein
autoritärer Befehlshaber von oben anordnen. Die Ukraine und ihre
Bewohner:innen habe man auch im Westen nie richtig verstanden.
Borovyk erwähnt den „Mythos eines gespaltenes Landes“, der sowohl im
aktuellen Diskurs als auch in der akademischen Forschung als gegeben gelte.
Der Historiker zeigt hingegen jüngste Aufnahmen von Protesten der
Ukrainer gegen die Besatzer in als „prorussisch“ gehandelten Städten. Es
sind Menschen zu sehen, die mit bloßen Händen rollende Panzer stoppen.
## Deutscher Vernichtungskrieg wirkt fort
Einen Hinweis, um die deutsche Haltung zur Ukraine zu verstehen, liefert
[4][Susan Neiman. Die US-amerikanische Philosophin und Direktorin des
Einstein Forums] wähnt die auf Dialog bedachte Haltung der Bundesregierung
gegenüber Russland im Zweiten Weltkrieg begründet. Der Wunsch, sich wegen
des Vernichtungskriegs, den Nazideutschland im Osten betrieb, mit Russland
auszusöhnen.
Hier schaltet sich der Historiker und Moderator Mischa Gabowitsch ein. Die
Ukraine ist ein Zentrum des Holocaust gewesen, sagt er. Zu sagen, man trage
Schuld nur gegenüber Russland, sei eine „unglaubliche intellektuelle und
moralische Faulheit“.
19 Mar 2022
## LINKS
[1] /Buecher-ueber-Putin-und-Russland/!5838316
[2] /Reportagen-aus-dem-Donbass/!5838185
[3] /Roman-von-Andrej-Platonow/!5654367
[4] /Geschichtsaufarbeitung-in-Deutschland/!5681478
## AUTOREN
Julia Hubernagel
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