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# taz.de -- Völkerrecht und der Krieg in der Ukraine: Deutschland ist nicht Ko…
> Im Völkerrecht kommt es auf die Entsendung von Soldaten an.
> Waffenlieferungen gelten noch nicht als Kampfhandlung.
Bild: Deutschland wird 2.700 Flugabwehrraketen liefern
Berlin taz | „Es kann eine Situation geben, in der dann auch die Nato
Entscheidungen treffen muss, Putin zu stoppen“, sagte am Freitagmorgen der
CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Werden die westlichen Staaten also
Konfliktpartei [1][im Ukrainekrieg]? Oder sind sie es das angesichts von
Wirtschaftssanktionen und Waffenlieferungen schon?
Bis 1945 war Krieg völkerrechtlich als Mittel der Politik anerkannt und
nicht generell geächtet. Damals galt: Man war entweder neutral oder
Konfliktpartei. Wer Waffen lieferte oder den Durchmarsch von Truppen
erlaubte, war Konfliktpartei und durfte angegriffen werden.
Mit der UN-Charta von 1945 [2][änderte sich das Völkerrecht] fundamental.
Seither gilt ein generelles Gewaltverbot zwischen den Staaten. Der Einsatz
von Gewalt ist nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt, etwa zur
Selbstverteidigung. Um Kriege zu vermeiden, ist die Hürde zur Einstufung
eines Staates als Konfliktpartei heute deutlich höher.
So machen Wirtschaftssanktionen, die sich insbesondere gegen das russische
Finanzsystem richten, die EU noch nicht zur militärischen Konfliktpartei.
Die EU verhält sich mit ihnen nicht neutral, es sind aber keine
militärischen Kampfhandlungen. Gegen westliche Wirtschaftssanktionen kann
sich Russland deshalb nur mit eigenen Wirtschaftssanktionen wehren.
## Waffenlieferung macht nicht zur Konfliktpartei
Zwar haben die Nato-Staaten ganz klar gesagt, dass sie nicht mit Truppen in
der Ukraine intervenieren werden. Allerdings beteiligen sich fast alle
Nato-Mitglieder – darunter Deutschland – an Waffenlieferungen für die
Ukraine.
Wer allerdings nur Waffen liefert, wird nach westlicher Ansicht dadurch
noch nicht zur Konfliktpartei. Dies wäre nur der Fall, wenn Deutschland zum
Beispiel Flugzeuge mitsamt Bundeswehr-Piloten oder Panzer mit
Bundeswehr-Besatzung zur Verfügung stellen würde. Es kommt also auf die
Soldaten an, nicht auf die Rüstungsgüter.
Die Einstufung als Konfliktpartei ist wichtig für die Anwendung des
internationalen Kriegsrechts mit seinen besonderen Regeln. Wenn es nicht
gelungen ist, den Frieden zu wahren, dürfen die Soldaten der einen Seite
die Soldaten der Gegenseite töten und militärische Ziele vernichten. Wer
den Krieg angefangen hat, spielt keine Rolle.
## Putins Auslegung ist unberechenbar
Zugleich sind die Soldaten und militärischen Einrichtungen aller
Konfliktparteien aber auch legitime Ziele der Gegenseite. Würde Deutschland
also Truppen in die Ukraine schicken, wäre auch ganz Deutschland
Kriegsgebiet, auf dem Russland militärische Anlagen und Soldaten etwa mit
Raketen angreifen könnte.
Doch selbst wenn Deutsche in der Ukraine kämpfen, wäre Deutschland nicht
automatisch Konfliktpartei. Dies gilt sowohl für die idealistische
Kriegsteilnahme von Freiwilligen als auch für deutsche Söldner, die auf
private Rechnung kämpfen. Deutschland würde nur dann in den Krieg
hineingezogen, wenn Deutsche im Auftrag der Bundesregierung oder unter
Befehl der Bundeswehr an Kämpfen teilnehmen.
So kann man den derzeitigen völkerrechtlichen Diskussionsstand in
Deutschland zusammenfassen. Aber wie so oft im Völkerrecht ist wenig
geregelt und viel umstritten. Deshalb ist Deutschland derzeit keineswegs
sicher vor militärischer Vergeltung. Russland wird sich eben nicht nur an
den Theorien von westlichen Völkerrechtlern orientieren. Wladimir Putin hat
schon zur Genüge gezeigt, dass er im Zweifel das Völkerrecht so
interpretiert, wie es ihm nutzt, und dass er notfalls sogar die
Wirklichkeit zurechtbiegt.
8 Mar 2022
## LINKS
[1] /Tagebuch-aus-der-Ukraine-und-dem-Exil/!5838852
[2] /Voelkerrechtler-ueber-russische-Invasion/!5839216
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Völkerrecht
Militäreinsätze
Bundeswehr
Waffenlieferung
SPD
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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