# taz.de -- Studie zu Auslandsjournalismus: Blinde Flecken | |
> Eine aktuelle Studie zeigt, dass deutsche Zeitungen über viele Länder | |
> kaum berichten. Der Autor des Papiers fordert öffentliche Förderung. | |
Bild: Malische Soldaten auf Patrouille: Über die Konflikte in dem Land wird hi… | |
Die Arbeit von Korrespondent*innen in der Welt gestaltet sich immer | |
schwieriger. Das liegt nicht nur an zunehmender Propaganda oder | |
[1][Repressionen autoritärer Staaten], wie ein Diskussionspapier der Otto | |
Brenner Stiftung darlegt. Es gibt insgesamt weniger | |
Korrespondent*innen und Medien bieten ihnen weniger Platz. | |
Die Folgen sind schwer zu übersehen: Während manche Länder fast täglich in | |
der Zeitung auftauchen, kommen andere kaum oder gar nicht vor. Selbst | |
[2][über Mali], wo die Bundeswehr im Einsatz ist, wurde in zehn Jahren nur | |
67-mal in führenden Zeitungen berichtet. [3][Der Krieg in der Ukraine] ist | |
ein weiteres Beispiel, weshalb das in einer globalisierten Welt | |
problematisch ist: Die Faktenlage ist dünn und unsicher. | |
Marc Engelhardt arbeitet selbst seit 20 Jahren aus anderen Ländern für | |
deutsche Medien – unter anderem für die taz. Nun hat er für die Otto | |
Brenner Stiftung das Diskussionspapier über den deutschen | |
Auslandsjournalismus geschrieben. Er habe damit gerechnet, dass bestimmte | |
Länder öfter in den Medien vorkommen als andere. Diesen Eindruck müsse | |
jede*r bekommen, der die Nachrichten verfolge. Um nicht nur über | |
Anekdotisches zu schreiben, erarbeitete er konkrete Zahlen. | |
Dafür analysierte Engelhardt, wie oft Ländernamen und Regionen vom 1. | |
Januar 2010 bis 31. Dezember 2019 in 23 führenden Zeitungen vorkommen. Das | |
genügt zwar keinen wissenschaftlichen Ansprüchen, gibt aber einen Eindruck. | |
Die deutlichen Unterschiede überraschten Engelhardt dann selbst, sagte er | |
der taz. | |
## Große Berichtsgebiete | |
Mit Abstand am meisten berichteten die Zeitungen über die USA. Damit habe | |
er gerechnet. „Aber auf dem zweiten Platz liegt Großbritannien, und das | |
kommt auf nicht einmal die Hälfte der Berichte“, sagt Engelhardt. „Ich habe | |
nicht damit gerechnet, dass es so viel Berichterstattung über die USA | |
gibt.“ 34 Staaten kamen hingegen weniger als 50-mal in der | |
Berichterstattung vor und aus 15 Regionen wurde gar nicht berichtet, | |
darunter die umkämpfte Westsahara. Insgesamt verblasse die Welt in der | |
Auslandsberichterstattung. | |
Der Grund dafür sei, dass sich nur wenige Medien eigene | |
Korrespondent*innen leisteten und in den meisten Ländern keine | |
Korrespondent*innen aktiv seien, erklärt Engelhardt. Einzelne decken | |
dabei mehrere Länder ab – sie sind teilweise für Gebiete mit mehreren | |
Tausend Kilometern Breite zuständig. Dabei müssen sie auch oft gegen die | |
örtlichen Regierungen ankämpfen. Das erzählt auch die Journalistin Bettina | |
Rühl. Sie ist Mitglied des Netzwerks Weltreporter und berichtet seit Jahren | |
aus Afrika, aktuell ist sie in Kenia. | |
Die Länder würden ihnen keine Akkreditierungen geben, wenn die Themen nicht | |
passen, oder sie seien sehr teuer, „viele Hundert oder manchmal auch 1.000 | |
US-Dollar“, sagt Rühl. Es habe auch schon vor 30 Jahren Regierungen | |
gegeben, die ausländische Medien nur zögerlich ins Land ließen, aber das | |
habe sich „in den vergangenen zwei, drei Jahren massiv verschärft“, erklä… | |
Rühl weiter. Auslandsjournalismus sei für Deutschland aber aktuell | |
„wichtiger denn je“. Nur so könne die demokratische Gesellschaft Sinn und | |
Unsinn von Militäreinsätzen abschätzen. „In einer globalisierten Welt geht | |
es natürlich auch darum, die Wirtschaftsverflechtungen im Blick zu | |
behalten.“ Doch dafür fehle es vor allem am Geld. | |
## Engagement für Pressefreiheit im Ausland | |
In seinem Diskussionspapier fordert Marc Engelhardt dafür öffentliche | |
Mittel, denn es handle sich um eine gesellschaftliche Aufgabe. Über die | |
genaue Ausgestaltung müsse aber noch diskutiert werden, denn die Regierung | |
dürfe keinen Einfluss darauf haben, worüber Korrespondent*innen | |
berichten. Aber der bisherige Weg habe keine Zukunft, „die Marktmechanismen | |
reichen offenbar nicht“, findet er. | |
Petra Sitte, die stellvertretend für die Linken im Medienausschuss des | |
Bundestags sitzt, spricht sich ebenfalls dafür aus. Die deutsche Regierung | |
müsse sich als „Verteidigerin der Pressefreiheit auch im Ausland | |
engagieren“, fordert sie. Ähnlich klingt das auch bei Erhard Grundl, dem | |
Obmann der Grünen im Medienausschuss. Er zeigt sich ebenfalls offen für | |
eine Debatte über die öffentliche Förderung des Auslandsjournalismus: „Die | |
geopolitischen Herausforderungen verlangen einen Kurswechsel.“ | |
1 Mar 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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