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# taz.de -- Flüchtende aus der Ukraine: Willkommen in der Slowakei
> Tausende fliehen vor dem Krieg in der Ukraine ins benachbarte Ausland. An
> der slowakischen Grenze herrscht große Hilfsbereitschaft. Ein Besuch.
Bild: Manche tragen Haustiere mit sich: ukrainische Flüchtlinge an der slowaki…
Vyšné Nemecké taz | Die Kämpfe sind weit weg, den vor ihnen Flüchtenden
aber steht das Entsetzen noch ins Gesicht geschrieben: Tausende Menschen
kommen am Sonntag durch den großen grauen Eisenbogen, der die slowakische
Stadt Vyšné Nemecké von Uschhorod im äußersten Westen der Ukraine trennt.
Die meisten haben nicht mehr als einen Rollkoffer und eine Tasche dabei,
manche tragen Haustiere mit sich, viele Mütter mit Kindern, Babys sind
unter ihnen – aber keine Männer. Die lässt der ukrainische Grenzschutz
nicht aus dem Land.
An den drei Grenzübergängen zur Ukraine zählt die slowakische Polizei in
den 24 Stunden seit Samstag um 6 Uhr rund 12.400 Ankommende. Pässe werden
nicht verlangt, jeder darf einreisen. Rund die Hälfte der Ankommenden kommt
über Vyšné Nemecké. Auf ukrainischer Seite warten hier am Sonntagmittag
etwa 900 Fahrzeuge, neun Busse und rund 1.000 Fußgänger:innen. Die
Wartezeit beträgt bis zu zehn Stunden, so die Polizei.
Kurz vor dem Grenzübergang hat sie mit dem Militär auf slowakischer Seite
einen Checkpoint errichtet. Wer angibt, Verwandte oder Freunde abholen zu
wollen, wird durchgelassen. Pakete mit Babywindeln, Kleidung, Decken türmen
sich am Straßenrand zu großen Bergen. Freiwillige des Malteser-Hilfswerks
haben aus Lebensmittelspenden ein Buffet aufgebaut, das am Mittag auf eine
größere Freifläche umziehen muss, weil immer neue Spenden dazu gestellt
werden. Armeehubschrauber starten und landen auf einer Wiese neben dem
Grenzübergang.
Am Sonntag hatten sich Berichte von Afrikaner:innen und anderen Persons
of Color gehäuft, denen in der Ukraine der Zugang zu Bussen oder Zügen
verweigert worden war. Andere berichteten, an den Grenzübergängen zu Polen
nicht durchgelassen worden zu sein. Diese rassistische Praxis ist am
Sonntag auf slowakischer Seite nicht zu beobachten. Gruppen dutzender
nigerianischer, indischer, pakistanischer Studierender kommen in den
Mittagsstunden in Vyšné Nemecké an. Sie berichten im Gespräch, zuvor nicht
anders als die weißen Wartenden behandelt worden zu sein.
## Nicht alle werden abgeholt
Remjus und Oliver etwa waren im September aus Nigeria in die Ukraine
gereist, um dort Wirtschaft zu studieren. Seither nahmen sie in Kiew an
einem Sprachkurs teil. „Wir haben in der Nacht auf Donnerstag in Kiew die
ersten Einschläge gehört“, sagt der 32-jährige Remus. „Seitdem sind wir …
der Flucht.“ Die rund 550 Kilometer bis Lemberg reisten sie mit dem Zug,
die verbleibenden 270 Kilometer mit einem Sammeltaxi. „Wir haben seit zwei
Tagen nicht geschlafen, an der Grenze standen wir jetzt zwölf Stunden.“
Wohin sie nun sollen, wissen sie nicht. „Wir suchen uns erstmal einen Ort,
an dem wir ausschlafen können. Dann sehen wir weiter“, sagt Remus.
Hunderte Autos mit Kennzeichen aus verschiedenen europäischen Ländern
parken an der Straße vor dem Grenzübergang. Ein Familienvater ist aus
Rosenheim mit seinem Campingbus gekommen, Knoppers-Großpackungen im
Kofferraum, um Mutter, Nichte, Schwester abzuholen. Ihre Gesichter sind
schillernd von Tränen und aufscheinender Freude, dem Krieg entkommen zu
sein. Viele, die hier ankommen, werden erwartet. Auch die Zeugen Jehowas
haben an einem Treffpunkt eine blaue Fahne aufgestellt und warten auf
Ankommende.
Aber nicht alle werden abgeholt. „Für sie hat die Armee in der ganzen
Slowakei Unterkünfte eingerichtet“, sagt ein Sprecher des
Malteser-Hilfsdienstes. „Viele davon sind aber noch leer.“ Im Moment werden
die meisten Ankommenden, die nicht wissen wohin, in das Lager nach Humenné
gebracht, etwa 60 Kilometer im Norden. Die Malteser haben am Grenzübergang
eine Registrierungsstelle aufgebaut, an der sich Freiwillige melden können,
die Flüchtlinge mit ihren privaten PKW in die Unterkünfte im Landesinneren
bringen.
Die Hilfsbereitschaft in der Slowakei ist auch deshalb so groß, weil viele
in dem klar westlich orientierten EU-Land [1][Putins Angriff auf ihr
Nachbarland] als direkte Bedrohung empfinden. Die Regierung in Bratislava
hatte erst am Samstag eine umfassende Lieferung von Treibstoff, Munition
und Militärausrüstung an die Ukraine beschlossen.
27 Feb 2022
## LINKS
[1] /-Nachrichten-zum-Ukraine-Krieg-/!5837790
## AUTOREN
Christian Jakob
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