# taz.de -- Angst vor Lieferstopp Russlands: Trotz Krieg fließt das Gas | |
> Politik und Wirtschaft bemühen sich um Entwarnung. Im nächsten Herbst | |
> könnte die Versorgung mit Gas aber kompliziert werden – und sehr teuer. | |
Bild: Wird erstmal nicht blockiert: Gaspipeline in der Westukraine (Archivbild) | |
BERLIN taz | Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine floss das | |
[1][Erdgas aus Osten] am Donnerstag zunächst weiter. Durch die Pipelines | |
Jamal und Nord Stream 1 kamen ähnliche Mengen in Deutschland an wie in den | |
vergangenen Tagen. Das zeigten die Zahlen der Transportfirma Gascade in | |
Kassel. „Aktuell liefern die russischen Vertragspartner die vertragsgemäß | |
zugesagten Gasmengen“, erklärte auch eine Sprecherin des Karlsruher | |
Energieversorgers EnBW. | |
Etwa 55 Prozent des Erdgases, das Deutschland verbraucht, kommen derzeit | |
aus Russland, 31 Prozent aus Norwegen, 13 Prozent aus den Niederlanden, der | |
Rest aus anderen Quellen. EU-weit beläuft sich der russische Anteil auf | |
etwa 40 Prozent. Eine Unterbrechung infolge des Krieges ist nicht | |
unwahrscheinlich – beispielsweise, weil westliche [2][Sanktionen] gegen den | |
russischen Finanzsektor die Bezahlung verhindern oder weil Russland die | |
Exporte nach Europa selbst einstellt. | |
Ist die hiesige Versorgung dann noch gesichert? „In diesem Winter wird | |
jeder Gaskunde eine warme Wohnung haben“, erklärte Kerstin Andreae, Chefin | |
des Energieverbandes [3][BDEW], am Donnerstag. Auch der Verband der | |
Gasindustrie sieht keine akute Knappheit. Zwar füllte der russische Konzern | |
Gazprom seine deutschen Speicher während des Sommers weniger als üblich – | |
derzeit beträgt der Stand nur noch 16 Prozent. Aber die Speicher anderer | |
Konzerne sind zu etwa 44 Prozent gefüllt. | |
Zudem hat sich die EU um kurzfristige Ersatzlieferungen bemüht. Dabei geht | |
es unter anderem um zusätzliche Importe von verflüssigtem Erdgas (LNG) | |
mittels Tankschiffen. Energiekommissarin Kadri Simson verhandelte in | |
Aserbaidschan und Katar, ihre Amtskollegin Margrethe Vestager mit Nigeria, | |
Kommissionschefin Ursula von der Leyen selbst sprach mit den Regierungen in | |
Marokko und den USA. Einige Schiffe, die für Japan oder Südkorea bestimmt | |
waren, konnten umgeleitet werden. | |
## Sicherheit auch ohne russisches Gas | |
Wie aber sieht es im kommenden Winter aus? Selbst für diese Situation gibt | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) grundsätzliche Entwarnung: | |
„Wir sind in der Lage, die Sicherheit auch ohne die Versorgung aus Russland | |
zu gewährleisten.“ Einerseits könnten die Niederlande ihre Gasexporte | |
erhöhen. Wobei die Ausbeutung des dortigen Gasfeldes bei Groningen | |
eigentlich verringert werden soll, weil sie Erschütterungen und Schäden an | |
Gebäuden verursacht. Zudem wurde 2020 eine neue Pipeline fertiggestellt, | |
durch die Gas aus Aserbaidschan nach Europa gelangt. | |
Darüber hinaus haben die EU-Mitglieder ihre Hafenkapazitäten für den Import | |
von Flüssiggas seit 2005 verdreifacht. „Rein theoretisch ließe sich ein | |
großer Teil der russischen Lieferungen ersetzen“, sagt Georg Zachmann, | |
Gasmarktexperte beim Brüsseler Thinktank Bruegel. | |
„Unseren Berechnungen zufolge können die LNG-Terminals der EU pro Woche | |
rund 3,5 Milliarden Kubikmeter anlanden.“ Das würde vorerst die wöchentlich | |
1,7 bis 1,9 Milliarden Kubikmeter kompensieren, die Russland zuletzt | |
geliefert habe. Ob das auch praktisch klappt, ist aber noch nicht | |
ausprobiert worden. Hinzu kommt, dass das Gasnetz in Europa Schwachstellen | |
aufweist, beispielsweise zwischen Spanien und Frankreich. | |
## Stufenweise Abschaltungen | |
Für den Fall von Lieferunterbrechungen warnte Eon-Chef Leonhard Birnbaum: | |
„Im nächsten Winter könnte die Energiewirtschaft wahrscheinlich eine Reihe | |
von Industriekunden nicht mehr ohne Weiteres versorgen.“ Zur Vorbereitung | |
auf Extremsituationen verfügen die Verbände der Energiewirtschaft über | |
einen „[4][Leitfaden Krisenvorsorge Gas]“. Darin sind stufenweise | |
Abschaltungen für bestimmte Verbrauchergruppen geregelt. Krankenhäuser und | |
Privathaushalte sollen am längsten beliefert werden. Kommt es ganz dicke, | |
würde die Bundesnetzagentur in Bonn die Verteilung staatlich | |
reglementieren. | |
Sicher ist, dass Krieg, Lieferengpässe und Ausfälle zu höheren Preisen | |
führen – für Gas, aber auch für Öl und Strom. Eon wies am Donnerstag dara… | |
hin, dass man derzeit einen nochmaligen Anstieg sehe – „ausgehend von | |
bekanntlich bereits sehr hohem Niveau“. | |
24 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-dem-Stopp-von-Nord-Stream-2/!5833856 | |
[2] /Neue-EU-Sanktionen-gegen-Russland/!5837522 | |
[3] https://www.bdew.de/ | |
[4] https://www.bdew.de/media/documents/20210331_LF_Krisenvorsorge_KoV_XII_lgvJ… | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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