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# taz.de -- Rassismus bei BVG-Ticketkontrollen: Fahrscheinlich tra(u)matisiert
> Bei der BVG häufen sich die Einzelfälle diskriminierender und
> gewalttätiger Ticketkontrollen. Höchste Zeit, den Laden einmal
> aufzuräumen.
Bild: Die BVG wirbt mit dem Slogan „Weil wir dich lieben“ – passt das noc…
Bei uns könnense fahrscheinlich tra(u)matisiert werden“, so wortwörtlich
meine Empfehlung an die Berliner Verkehrsbetriebe. Das
öffentlich-rechtliche Unternehmen, das jährlich bis zu 1,1 Milliarden
Fahrgäst*innen befördert, liebt sowieso die flotten Sprüche. Mit dem
Slogan #WeilWirDichLieben hat die BVG 2015 eine der erfolgreichsten
Propagandakampagnen der Stadt seit der „Aktuellen Kamera“ (DFF) gestartet.
Wer kennt die mit Schnauze und Selbstironie übersättigten Videos und Poster
der BVG nicht? Etwa das Plakat, das eine frisch aus der Dusche gesprintete,
noch in Frottiertücher gewandete Frau auf dem U-Bahn-Steig darstellt. Zum
Nachahmen nicht empfohlen. Und die zu Weihnachten vertickten Hanftickets,
worüber man vielleicht Gras wachsen lassen sollte, haben auch ihre
Haschtags.
Regelmäßig fahre ich mit der BVG. Mittlerweile nur im Stehen, auch wenn es
leere Plätze gibt. Es ist ein Urinstinkt. Denn der Urin stinkt. Wie auch
die klebrigen Flächen, die sich aus Erbrochenem und aus verschüttetem Bier
bilden. Die sogenannten Umlaufreinigungen, die seit Corona an den
Endstationen intensiviert vorgenommen würden, reichen nicht aus.
## Jedermann-Festnahmen geraten aus den Fugen
Aufräumen müsste die BVG wiederum in anderer, nicht minder dringlicher
Hinsicht. Denn Fahrgäst*innen fühlen sich von Mitarbeitenden des
Unternehmens eingeschüchtert und drangsaliert. Man denke an Dr. Abbéy O.,
der nach einer Begegnung im Dezember 2020 mit BVG-Kontrolleuren in der U5
mit gebrochenen Rippen und Lungenquetschungen davongekommen ist.
Nun gibt es den [1][Fall der 31-jährigen Yogalehrerin Juju K.], deren Fahrt
in der Straßenbahnlinie M10 mit einem gebrochenen Finger endete. Ihren
Angaben zufolge sei sie von zwei aggressiven Kontrolleuren genauer genommen
sogar nach dem Aussteigen am Frankfurter Tor an den Armen gepackt worden.
Geflohen war sie nicht. Es habe eine Sprachbarriere und ein Missverständnis
über einen zu spät eingelösten Handyfahrschein gegeben.
Ein Video zeigt, wie die Jedermann-Festnahme aus den Fugen geriet. Frau K.
erlitt einen Spiralbruch und wurde umgehend operiert. Eine weitere OP steht
ihr bevor. Es wird ermittelt. Stand der Dinge: Aussage gegen Aussage,
Anzeige gegen Anzeige.
## Kontrollen nach dem TRAM-Prinzip
Ich habe Straßenbahnkontrolleure miterlebt, die den Eindruck erweckten,
nach dem TRAM-Prinzip zu handeln: transphob, rassistisch, asozial, misogyn.
Diese Blicke, als sei eine Schwarze Fahrerin automatisch eine
Schwarzfahrerin. Wenn ich aber dann meine Bahncard 100 First vorzeige, mit
der ich erstklassig auch ICE fahre, bedanken sie sich, manchmal
widerwillig, manchmal sogar freundlich bei mir.
Aber haben nicht alle Mitinsassen ein Anrecht darauf, von Anfang an
menschlich behandelt zu werden? Selbstverständlich hat die BVG einen
rechtlichen Anspruch auf das Beförderungsentgelt ggf. mitsamt Bußgeld, aber
nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlgefühls der Fahrgäst*innen.
## Lauter Einzelfälle
Und es reicht nicht, das Schwarzfahren zu entkriminalisieren. Man müsste
dafür Sorge tragen, dass keine Kriminellen im Namen der BVG Geld
eintreiben. Zu diesem Zwecke haben Abertausende [2][die Petition
#BVGWeilWirUnsFürchten unterzeichnet], um gegen die Diskriminierung und die
Gewalt seitens BVG-Kontrolleur*innen zu protestieren. Denn die
„Einzelfälle“ summieren sich.
Vielleicht sollte ich dem Unternehmen meinen Vorschlag also doch schicken.
Fahrscheinlich traumatisiert. „So könntest Du aussehen“, lautet der
Untertitel zu Fotos von krankenhausreif geschlagenen Passagier*innen, die
wie Warnbilder auf Zigarettenschachteln prangen. Natürlich nur, um
Schwarzfahrende humorvoll abzuschrecken.
Aber mich beschleicht das Gefühl, dass mein ungebetener Werbevorstoß
irgendwie in der Wendeschleife steckenbleiben oder aufs Abstellgleis
verschoben würde. Immerhin gibt es Störungen in der Oberleitung, [3][zu
deren hervorragendsten Kompetenzen die Kritikfähigkeit nicht zählt.] Das
systemische Problem mit den Kontrolleur*innen ist längst bekannt. Es
muss gehandelt werden, und Unternehmensführung ist ohnehin nicht Aufgabe
einer selbstverliebten, mittlerweile langweilig und einfältig gewordenen
PR-Abteilung.
22 Feb 2022
## LINKS
[1] /BVG-Ticketkontrolle-eskaliert/!5831643
[2] /Gewalt-durch-U-Bahn-Kontrolleure/!5756281
[3] /Diskriminierung-bei-BVG-Kontrollen/!5759562
## AUTOREN
Michaela Dudley
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Diskriminierung
Kolumne Frau ohne Menstruationshintergrund
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