# taz.de -- US-Waffenhersteller muss zahlen: Zielgruppe labile junge Männer | |
> Angehörige der Opfer eines Schulmassakers erhalten Millionen Dollar – ein | |
> Präzedenzfall für die bestens geschützte US-Waffenindustrie. | |
Bild: Familien von Opfern des Amoklaufs an der Sandy Hook 2012 | |
Berlin taz | Es war eines der schlimmsten [1][Schulmassaker] in der | |
jüngeren US-Geschichte. Im Dezember 2012 drang ein bewaffneter 20-jähriger | |
Mann in die Grundschule von Sandy Hook im Bundesstaat Connecticut ein und | |
erschoss 20 Kinder und fünf Lehrkräfte, bevor er sich selbst das Leben | |
nahm. | |
Jetzt haben Familienangehörige der Opfer einen Erfolg gegen den | |
Waffenhersteller Remington erzielt: Mit einem Sturmgewehr aus dessen | |
Produktion war das Massaker begangen worden. In einem Vergleich | |
verpflichtete sich der Konzern jetzt, 73,5 Millionen US-Dollar an die neun | |
Kläger*innen zu zahlen. | |
Das Ergebnis eines jahrelangen Verfahrens könnte Präzedenzwirkung haben. | |
Denn eigentlich sind US-Waffenfirmen per Bundesgesetz vor allen Forderungen | |
geschützt, die nach mit ihren Waffen begangenen Bluttaten aufkommen | |
könnten. Auch Angehörige der Opfer des [2][Parkland-Massakers] von 2018 | |
versuchen zum Beispiel, den Waffenhersteller Smith & Wesson zu verklagen, | |
bislang ohne Erfolg. | |
In Connecticut konnte der Erfolg nun durch Ausnutzung eines Gesetzes des | |
Bundesstaates erzielt werden. Dabei zielten die Angehörigen und ihre | |
Anwälte auf die Art, wie die Firma damals das Gewehr – das dem bekannten | |
kriegswaffenähnlichen AR-15 gleicht – vermarktete. Als Inbegriff von | |
Männlichkeit sei es beworben worden, Werbeanzeigen seien in brutalen | |
Shooter-Spielen untergebracht worden. Insgesamt sei das Marketing für das | |
Gewehr also genau auf die Zielgruppe jener labilen jungen Männer ausgelegt | |
gewesen, aus der dann auch der spätere Sandy-Hook-Attentäter kam. | |
## Vorbild: Verfahren gegen die Tabakindustrie | |
Dabei orientierten sich die Kläger*innen an früheren Verfahren gegen die | |
Tabakindustrie Ende der 1990er Jahre: Damals war vier großen Tabakkonzernen | |
nachgewiesen worden, dass sie über die Gesundheitsrisiken ihrer Produkte | |
seit Jahrzehnten genau Bescheid wussten, dennoch aber besonders anfällige | |
Zielgruppen für den Tabakkonsum zu begeistern suchten. Im Ergebnis musste | |
die Industrie viele Milliarden Dollar an die damaligen Kläger*innen | |
zahlen – Raucher*innen, die durch Tabakkonsum schwer geschädigt waren. | |
Auch im Fall Sandy Hook beantragten die Kläger*innen Einblick in die | |
interne Marketingkommunikation des Unternehmens, und das mit Erfolg. | |
Die Firma argumentierte allerdings, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass | |
die Art der Werbung irgendeinen Einfluss auf das Verhalten des Täters | |
gehabt hätte. Der hatte das Gewehr nicht selbst erworben: Seine Mutter | |
hatte es legal gekauft, der Täter hatte es ihr gestohlen und sie damit | |
erschossen, bevor er zur Schule weiterzog. | |
Die Firma Remington versuchte alles, um das Verfahren vor Gericht zu | |
stoppen, scheiterte damit allerdings mehrfach. Der jetzt erzielte Vergleich | |
kommt einer möglichen Verurteilung zuvor. | |
Schon bereiten weitere Bundesstaaten wie New York und Kalifornien Gesetze | |
vor, um Waffenfirmen für Bluttaten zur Verantwortung ziehen zu können. Sie | |
bleiben allerdings in den gesamten USA noch immer eine kleine Ausnahme. | |
16 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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