| # taz.de -- Buch über Partnerschaften: Weniger ein Gefühl | |
| > Der Autor Nils Pickert verabschiedet die romantische Liebe und ihre | |
| > wirkmächtigen Klischees und sucht die Beziehung auf Augenhöhe. | |
| Bild: Liebe auf Augenhöhe kann gelingen | |
| Die These, dass moderne Menschen gleichberechtigte Beziehungen führen | |
| wollen, ist so alt wie Paare, die glauben, jenseits patriarchaler Muster zu | |
| leben, aber fest in ihnen gefangen sind. Das zeigt allein die Zahl der | |
| Studien, die belegen, dass Eltern mit der Geburt des ersten Kindes, | |
| spätestens aber mit dem zweiten Baby in geschlechterstereotype Rollen | |
| zurückfallen: Er fungiert als (Haupt-)Verdiener, sie bespielt das | |
| Care-Feld. | |
| Ist es tatsächlich ausgeschlossen, Kinder zu haben, Haus- und | |
| Betreuungsarbeit gerecht aufzuteilen, gleichermaßen Karriere zu machen und | |
| sich auch nach vielen Jahren noch gegenseitig zu begehren? | |
| Der [1][Autor Nils Pickert] hat eine Antwort: Nein. So jedenfalls lässt | |
| sich sein aktuelles Buch „Lebenskomplizi*innen“ in einem Wort | |
| zusammenfassen. Pickert sagt aber auch: Das ist harte Arbeit. Sie sagen | |
| jetzt sicher: Wo ist die News? Und überhaupt: Liebe sollte leicht sein, | |
| verführerisch. Und wie das schon klingt: Beziehungsarbeit! | |
| An dieser Stelle widerspricht Pickert gar nicht. Sein Plädoyer für gelebte | |
| Gleichberechtigung präsentiert er nicht als Liebesmaschinist, sondern als | |
| Navigator: Es gibt einen Weg, wie „Liebe auf Augenhöhe“ gelingen kann. | |
| ## Kein Ratgeber | |
| Wobei sein Buch kein Ratgeber ist. Das wäre auch vermessen, Pickert ist | |
| weder Psychologe noch Paartherapeut. Die zahlreichen „Vorschläge“, die er | |
| parat hat, entspringen seiner eigenen Biografie. Pickert und seine | |
| „Lebenskomplizin“ sind beide um die 40, gleichermaßen berufstätig und auf | |
| Erfolg bedacht, seit mehr als 20 Jahren ein Paar, mit vier gemeinsamen | |
| Kindern. | |
| Pickerts wichtigster „Vorschlag“ klingt in etwa so: Es geht nicht ohne die | |
| 4 W – Wohlwollen, Wandelbarkeit, Wissbegier, Wahrhaftigkeit. Um es salopp | |
| zu formulieren: Nörgle nicht am andern herum, aber sag, was du willst (und | |
| was nicht). Rechne damit, dass alles anders kommt, inklusive Scheitern und | |
| Ratlosigkeit. | |
| Mag banal klingen und ist auch keine Garantie für lebenslange Liebe und | |
| Gleichberechtigung, wie Pickert schreibt: „Aber ein guter Kompass, um die | |
| geliebte Person und sich selbst im Auge zu behalten.“ | |
| Zweiter wichtiger Hinweis: Vergiss die allgemein gepriesene 50:50-Lösung, | |
| wonach sich die Partner:innen Haus- und Care-Arbeit hälftig teilen. Das | |
| geht nicht, sagt Pickert, es würde nur bedeuten, unterschiedliche | |
| Biografien zu synchronisieren und das Leben mit all seinen Wendungen zu | |
| negieren. | |
| ## Gelebte Praxis | |
| Also macht doch jede*r seins? Natürlich nicht. Wer wofür und wie oft | |
| zuständig ist, wird ständig neu verhandelt. Pickert räumt gründlich mit der | |
| romantischen Liebe auf, so ähnlich, wie das bereits die Soziologin Eva | |
| Illouz in „Warum Liebe weh tut“ getan hat. Wobei Pickert eher auf die | |
| gelebte Praxis zielt: Liebe ist weniger ein Gefühl als vielmehr konkrete | |
| Handlung, das, was man füreinander tut. | |
| Das kommt nicht von ungefähr. Pickert ist Feminist. Als [2][der „Mann im | |
| Rock“] wurde er vor zehn Jahren berühmt. Um seinen damals fünfjährigen | |
| Sohn, der gern Kleider trug, vor Anfeindungen und Spott zu schützen, zog er | |
| einfach selbst einen Rock an. | |
| Diese Geschichte sagt viel über den Mann aus: Er will tradierte | |
| Geschlechterrollen aufbrechen und hat mit „Prinzessinnenjungs“ vor zwei | |
| Jahren eine Art Standardwerk für Geschlechtergerechtigkeit hingelegt. Schon | |
| damals vermittelte Pickert seine Thesen anhand seiner eigenen Erfahrungen. | |
| Und tut dies als „Lebenskomplize“ nun noch offener, direkter, unverblümter. | |
| 18 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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