| # taz.de -- Ugandischer Autor über seine Flucht: „Es gibt sehr viel zu schre… | |
| > Der ugandische Schriftsteller Kakwenza Rukirabashaija hat es nach seiner | |
| > Flucht nach Deutschland geschafft. Ein Gespräch über seine Verhaftung und | |
| > heilende Narben. | |
| Bild: Nach seiner Ankunft im deutschen Exil am Mittwoch: Kakwenza Rukirabashaija | |
| taz: Herr Rukirabashaija, Sie sind nun nach fast zwei Wochen auf der Flucht | |
| endlich in Deutschland gelandet. Wie fühlen Sie sich? | |
| Kakwenza Rukirabashaija: Als hätte mich jemand aus dem Maul eines Krokodils | |
| gerettet. Ich fühle mich gut und wurde sehr warm empfangen von den Leuten | |
| des PEN International und Deutschland. Ich bin wirklich dankbar dafür. | |
| Wie sind Sie aus Uganda entkommen, nachdem Ihnen das Gericht Ihren | |
| Reisepass nicht aushändigen wollte? | |
| Seitdem ich 2020 mein erstes Buch veröffentlicht habe mit dem Titel „Der | |
| gierige Barbar“ und der Staat angefangen hat, sich für mich zu | |
| interessieren, habe ich weltweit viele Leser gewonnen und Leute, die sich | |
| für mein Schicksal interessieren. Als ich entschied, dass ich Uganda | |
| verlassen muss, um in Europa medizinisch behandelt zu werden, haben mir | |
| diese Leute geholfen. | |
| Wie sind Sie entkommen? | |
| Ich konnte nichts mitnehmen, ich habe ja nicht einmal einen Pass. Ich bin | |
| zuerst nach Ruanda geflohen, von dort aus haben mir Leute geholfen in | |
| andere Länder zu fliehen, bis ich nun hier in Deutschland angekommen bin. | |
| Immerhin, mein Fall hat weltweit viel Aufmerksamkeit erzeugt. Viele wollten | |
| nicht, dass ich sterbe. Ich werde heute in Deutschland von einem Arzt | |
| behandelt. | |
| Die taz [1][hat darüber berichtet], wie am 27. Dezember vor Ihrem Haus | |
| Uniformierte auftauchten und Sie verhafteten. Damals haben Sie zum letzten | |
| Mal getwittert. Was ist seitdem geschehen? | |
| Ich sah zwölf Männer in Uniform mit Sturmgewehren und acht Männer in zivil | |
| mit Pistolen. Einer davon hatte einen Hammer, damit hat er die Eisengitter | |
| an den Fenstern zerstört. Sie haben mich geschlagen, in Handschellen gelegt | |
| und zu einem Fahrzeug gebracht, das wir in Uganda „Drohne“ nennen. Sie | |
| haben mir etwas übergezogen, so dass ich nichts sehen konnte. Doch ich habe | |
| gemerkt: Sie fahren mich nach Entebbe. Dort haben die Spezialeinheiten | |
| neben dem Flughafen eine Basis. Im Hintergrund konnte ich die Hubschrauber | |
| hören. | |
| Und was ist dort geschehen? | |
| Dort bin ich tagelang gefoltert worden. Ich habe bereits in Uganda den | |
| Medien meine Narben gezeigt. Ich verstehe nicht, warum Journalisten immer | |
| noch schreiben, ich sei „mutmaßlich“ gefoltert worden. Sind die Bilder von | |
| meinem Rücken nicht ausreichend? | |
| Warum haben diese Leute Ihnen das angetan? | |
| Als ich später im Gericht die Anklage hörte, dass ich den Präsidenten und | |
| dessen Sohn beleidigt haben sollte, war ich überrascht. Denn während der | |
| Folter wollten diese Leute immer nur von mir wissen, von wem ich bezahlt | |
| werde, wer mir helfe, meine Bücher zu veröffentlichen: ob ich Kontakte zur | |
| US-Botschaft oder zu den Europäern hätte, ob ich für Ruanda arbeite. Sie | |
| haben mich extra nach Hause gefahren, um mein Haus zu durchsuchen. Doch auf | |
| all meinem Computern haben sie keine Hinweise für Spionage gefunden. | |
| Vor Ihrer Verhaftung hatten Sie zahlreiche Twitter-Posts über Muhoozi | |
| Kainerugaba veröffentlicht, den Sohn des Präsidenten Yoweri Museveni. Sie | |
| haben ihn als „fettleibig“ und „übergewichtig“ bezeichnet. Sind Ihre | |
| Folterer darauf eingegangen? | |
| Am zweiten Tag der Folter haben sie mich gefragt, warum ich Kainerugaba | |
| beleidige. Ich habe ihnen geantwortet, dass ich ihn nicht beleidigt habe, | |
| sondern nur seinen Charakter beschrieben habe. Kainerugaba hat dieses | |
| extrem aufgeblasene Ego. Er denkt, er sei berufen, die Präsidentschaft von | |
| seinem Vater zu übernehmen wie ein Erbe. Er denkt, jeder der ihn | |
| kritisiert, sei von außen bezahlt oder wolle gegen ihn antreten. Er ist | |
| dafür bekannt, dass er alle zukünftigen Rivalen fürchtet. Das ist, denke | |
| ich, der Grund, warum er befohlen hat, mich zu verhaften und mich zu | |
| quälen. | |
| Sie sind überzeugt, dass der Befehl dafür von ihm persönlich kam? | |
| Aber klar doch. Vor Gericht gab es sogar einen Zeugen, einen Offizier der | |
| Armee, der ausgesagt hat, dass er von ihm entsandt wurde. Das gibt es | |
| schwarz auf weiß. Als ich in dem geheimen Gefängnis war, habe ich ihn zwei | |
| Mal gesehen und später, als sie mich freiließen, noch einmal. | |
| Er hat Sie persönlich aufgesucht? Auf Twitter hat er behauptet, er kenne | |
| Sie gar nicht. | |
| Es war am 7. Tag meiner Gefangenschaft, als er zu mir in die Zelle kam. Sie | |
| haben meine Haube und Handschellen abgenommen und mich vor ihn hingesetzt. | |
| Er erklärte mir, dass ich nicht noch ein Buch schreiben solle und versprach | |
| mir, dass er mich in die Armee rekrutieren wolle. Er könne mir ein gutes | |
| Leben bieten. Beim zweiten Mal brachte er mir neue Kleidung. Denn meine | |
| alten Klamotten waren blutgetränkt. Er hat mich gezwungen, vor ihm | |
| niederzuknien und um Vergebung zu bitten. Dann sagte er, er würde mir | |
| vergeben. Das war am Sonntag vor meinem Gerichtstermin. | |
| Und Sie haben geglaubt, dass er Ihnen vergibt und Sie gehen lässt? | |
| Ich dachte, sie lassen mich laufen. Aber dann wurde ich davon überrascht, | |
| dass sie mich am Montag zum Hauptquartier der Polizei brachten und mich am | |
| Dienstag dem Richter vorführten, ganz alleine, ohne meinen Anwalt oder | |
| irgendjemandem im Saal. Der Richter hat nur angeordnet, dass sie mich in | |
| die Haftanstalt nach Mityana bringen. Dann habe ich kapiert, warum. Sie | |
| wollten, dass in dem Gefängnis meine Wunden heilen, so dass sie mich ohne | |
| sichtbare Narben entlassen können. In der Haftanstalt kam dann direkt ein | |
| Arzt zu mir: Er gab mir sechs Spritzen alle sechs Stunden und 17 Pillen zum | |
| Schlucken. | |
| Wir haben [2][Ende Januar in der taz berichtet], wie Sie per Videoschalte | |
| in diesen neuen Kleidern vor dem Gericht erschienen. Von Ihren Folternarben | |
| war dabei nichts zu sehen. Und obwohl der Richter Sie auf Kaution freiließ, | |
| wurden Sie erneut von Spezialeinheiten an einen unbekannten Ort gebracht. | |
| Was ist dort geschehen? | |
| Sie haben mich buchstäblich aus dem Hochsicherheitsgefängnis heraus | |
| entführt und mich in die Baracken der Militärpolizei gebracht, wo auch das | |
| Militärgericht ist. Dort kam Kainerugaba erneut zu mir. Er hat mich wieder | |
| gefragt, ob ich sicher sei, dass ich kein weiteres Buch schreibe. Ich habe | |
| ihn angelogen, unter vorgehaltener Waffe, dass ich nie wieder schreibe. Ich | |
| habe versprochen, nicht zu den Medien zu sprechen. Daraufhin haben sie mich | |
| zu Hause abgesetzt. | |
| Sie sprechen jetzt aber mit den Medien. Bereits in Uganda haben Sie nach | |
| Ihrer Freilassung dem örtlichen Fernsehen Ihre Folternarben gezeigt. Warum | |
| riskieren Sie das? | |
| Ich kann eine solche Straflosigkeit nicht akzeptieren. Ich habe mich | |
| entschieden, ihn zu entlarven. Mein Recht auf freie Meinungsäußerung lasse | |
| ich mir nicht von ihm nehmen. Wenn ich heute in den Spiegel sehe und mich | |
| umdrehe und meinen Rücken voller Narben betrachte, dann kann ich nicht | |
| sagen: „Er hat mir das angetan und ich halte meinen Mund.“ Damit könnte ich | |
| nicht leben. Genauso wenig mit all den Angeboten, die er mir gemacht hat. | |
| Sie sind bereits 2020 gefoltert worden, nachdem Sie Ihr erstes Buch | |
| veröffentlicht haben, eine fiktive Erzählung über ein fiktives Land. Sie | |
| haben dann Ihr zweites Buch geschrieben – über genau jene Erfahrung der | |
| Folter in diesen geheimen Gefängnissen. Sie mussten also damit rechnen, | |
| dass sie Ihnen das erneut antun. Warum nehmen Sie das alles auf sich? | |
| Sie haben mich jedes Mal geschlagen dafür, was ich schreibe und ich habe | |
| immer weitergeschrieben. Wenn sie schlau wären, würden sie das nicht mit | |
| mir machen. Sie hätten wissen müssen, dass, wenn man einen Schriftsteller | |
| schlägt, er Tinte blutet. Sie haben bei mir einfach den falschen Knopf | |
| gedrückt, ich werde weiterschreiben. Sie haben mit mir einen Elefanten | |
| verhaftet und keinen Weg gefunden, ihn zu verstecken. | |
| Was sagt nun Ihr Fall aus über den Zustand der Menschenrechte in Uganda? | |
| Seit der Unabhängigkeit Ugandas hatten wir einen Barbaren nach dem anderen | |
| an der Macht, wir hatten nie einen legitimen Präsidenten. Sie haben alle | |
| immer gefoltert. Als Museveni 1986 an die Macht kam, hat er dort | |
| weitergemacht, wo Idi Amin aufgehört hatte. Und wenn Muhoozi Kainerugaba | |
| nun Präsident wird, dann hat er doch das Barbarische bereits von Kind auf | |
| von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen. Wenn er jetzt schon solche | |
| Dinge tut, bevor er Präsident ist, was wird dann in Zukunft geschehen? | |
| Sie sind Vater von sechs Kindern. Sie haben Ihre Familie in Uganda | |
| gelassen, haben Sie Angst um sie? | |
| Ich habe wirklich Angst um sie, aber ich versuche gerade zu organisieren, | |
| wie sie hierher oder zumindest an einen sicheren Ort kommen können. | |
| Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter? | |
| Meine Narben heilen glücklicherweise sehr gut. Aber ich möchte nicht mein | |
| Leben lang von diesen Narben gezeichnet sein. Wir werden sehen, wie man | |
| diese gut behandeln kann, auch wenn es eine Operation nötig macht. Ich habe | |
| bereits Medizin gegen meine Nierenprobleme erhalten und es wird besser. | |
| Mein gebrochener Knöchel wird auch besser, auch wenn ich noch immer nicht | |
| gut Stehen und Laufen kann. Doch ich fürchte, ich habe eine schreckliche | |
| posttraumatische Belastungsstörung und bin froh, dass ein Psychologe jetzt | |
| hier in Deutschland auf mich wartet. Ich werde am Montag damit anfangen, | |
| meine Klagen gegen Ugandas Regierung vorzubereiten – in Europa und in | |
| Afrika. | |
| Und werden Sie ein weiteres Buch schreiben? | |
| Aber natürlich. Meine Peiniger haben mir nicht die Hände abgeschnitten oder | |
| den Kopf abgesägt. Mein Werkzeugkasten ist also voll vorhanden und es gibt | |
| sehr viel zu schreiben. | |
| 24 Feb 2022 | |
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