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# taz.de -- Journalistik-Professor über Zeitungen: „Nicht nur vom Sterben sp…
> Man müsse über staatliche Förderung sprechen, meint
> Journalistik-Professor Klaus Meier. Weil Journalismus auch eine
> Infrastruktur der Demokratie ist.
Bild: Da bewegt sich ganz gewaltig was in einer Zeitungsdruckerei
taz am Wochenende: Herr Meier, kann es sein, dass wir seit Jahrzehnten
davon reden, wie wichtig Lokaljournalismus theoretisch ist und ihm
praktisch dann doch beim Sterben zusehen?
Klaus Meier: Nun ja, die Debatte ist sehr fokussiert auf diesen Begriff des
Sterbens und den Niedergang, obwohl wir eigentlich ein breites Spektrum in
Sachen Lokaljournalismus haben. Natürlich gibt es das: Regionen, wo man
kaum noch eine Lokalredaktion findet, wo Lokalredaktionen mindestens
zusammengelegt, wenn nicht sogar eingestampft worden sind, wo einzelne Orte
kaum noch vorkommen. Das ist aber nur das eine Ende des Spektrums. Und dann
haben wir ganz viel Mittelmaß und am anderen Ende des Spektrums
hochwertigen Lokaljournalismus, der oft preiswürdig ist, wie er sich zum
Beispiel beim Wächterpreis oder dem Lokaljournalismuspreis der
Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt. Insofern sollte man nicht immer nur
pauschal vom Sterben und Niedergang sprechen, sondern auch von Erfolg und
Exzellenz.
Sie haben jetzt aber auch die schon [1][lange zu beobachtenden
Konzentrationsprozesse] angesprochen. Glauben Sie denn, dass da jetzt
irgendwann einmal das Ende der Fahnenstange erreicht ist?
Das ist schwer zu sagen. Ich denke, auch da muss man differenzieren. Im
Einzelfall kann es sogar gut sein, zumindest aus Lesersicht. Wenn ein
kleiner Verlag nicht mehr überlebensfähig ist und ein größerer ihn
aufkauft, kann es auch einen Schub in Sachen Qualität geben, zumindest was
den überregionalen und regionalen Teil angeht. Natürlich geht da auch ein
Stück Zeitungsvielfalt verloren, wenn ein einzelner Großverlag die
überregionalen Teile von x Titeln bestückt, wie es beispielsweise das
Redaktionsnetzwerk Deutschland der Madsackgruppe in Norddeutschland tut.
Aber in der nationalen Berichterstattung gibt es schon noch eine sehr große
Vielfalt im Journalismus. Wie sich die Lokalredaktionen bei solchen
Aufkäufen entwickeln, hängt davon ab, welche Bedeutung man ihnen für das
Geschäftsmodell und die Leserbindung zuschreibt.
Müssten man also eigentlich trennen zwischen der Debatte darum, wie sich
das Geschäftsmodell der Verlage entwickelt, und dem, was Lokaljournalismus
eigentlich – gesellschaftspolitisch und demokratietheoretisch – leisten
soll?
Das ist halt die Schwierigkeit: Einerseits hängt natürlich beides eng
zusammen, denn Lokaljournalismus kann seine Funktion nur erfüllen, wenn die
Redaktion genug Ressourcen bekommt. Auf der anderen Seite sind
grundsätzliche Fragen ungeklärt: Wie lange lohnt es überhaupt noch,
gedruckte Zeitungen auszuliefern? Gibt es digitale Erlösmodelle, die
Printverluste kompensieren können?
Es gab in den letzten Jahren immer mal wieder Hypes um Blogs,
Crowdfunding-finanzierte Plattformen und Ähnliches, die den Versuch
unternommen haben, alternative Geschäftsmodelle zu entwickeln, letztlich
aber anscheinend nur mit Selbstausbeutung funktionieren. Sehen Sie da
irgendwo Zukunftsträchtiges?
Es gibt wirklich sehr lobenswerte Initiativen, die man sich auch wieder im
Detail differenziert anschauen muss. Im Großen und Ganzen scheinen sie in
Deutschland aber eher sehr gute Ergänzungen zur bestehenden Infrastruktur
zu sein. Es gibt dann eben Start-ups, Blogs oder Initiativen von
Journalisten, die merken, in der Region gibt es eine Lücke – sei es, weil
der lokale Monopolist Themen oder Orte nicht abdeckt oder weil eine
Lokalredaktion sich gegenüber der Politik zu wenig traut. Aber wenn die
Zeitung komplett wegbrechen würde, könnten diese Nischenangebote das auch
nicht auffangen.
Also sollte man einfach sagen: Na ja, gut, wenn es der Markt halt nicht
hergibt, dann gibt es der Markt nicht her?
Journalismus ist ja nicht ein Markt, sondern eine Infrastruktur der
Demokratie. Deshalb müssen wir darüber diskutieren, wie wir Journalismus
als Gesellschaft unterstützen können. Und das bedeutet auch, dass wir
[2][über staatliche Förderung sprechen] müssen. Natürlich immer unter der
Bedingung, dass es keine politische Einflussnahme gibt. Und natürlich mit
der Maßgabe, nicht bloß Verkaufsförderung zu betreiben. Das war unglücklich
an der gescheiterten Initiative der letzten Bundesregierung, die ja
überwiegend an die Printauflage gekoppelt war. Auch das jetzige Ziel des
Koalitionsvertrags, eine „flächendeckende Versorgung mit periodischen
Presseerzeugnissen“ zu gewährleisten, sehe ich skeptisch. Auch digitale
Initiativen müsste man einbeziehen und vor allem auf die Qualität und die
Funktionalität der Angebote schauen. Also zum Beispiel, dass Regionen, die
durch ein marktwirtschaftliches Angebot nicht abgedeckt werden, besonders
gefördert werden und nicht automatisch Großverlage mit hohen Auflagen
profitieren.
Gibt es aus Ihrer Sicht denn Modelle, die beispielhaft sind?
Man könnte sich bei der Verteilung der Mittel an den Erfahrungen
orientieren, die man mit der Regulierung des privaten Rundfunks über die
Landesmedienanstalten gesammelt hat. Oder mit den Gremien des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. International lohnt sich ein Blick in
skandinavische Länder, die staatliche Journalismusförderung betreiben –
ohne inhaltlich Einfluss zu nehmen. Schweden und Norwegen haben lange
Erfahrung mit gezielter Förderung der lokalen Medien. Anders herum gibt es
auch abschreckende Beispiele: Österreich etwa. Die Inseratenaffäre, über
die Kurz gestolpert ist, hatte ja etwas mit dieser speziellen
österreichischen Art der Presseunterstützung zu tun. Auch die geplante
Medienförderung, die gerade in der Schweiz in einer Volksabstimmung
gescheitert ist, hatte das Problem, dass vor allem bestehende Großverlage
finanziell unterstützt werden sollten.
Aber die großen Player und vor allem die Auflage kann man wahrscheinlich
auch nicht ganz außer Acht lassen?
Die Reichweite im Verbreitungsgebiet ist natürlich ein wichtiges Kriterium,
sonst unterstützt man am Ende Produkte, die kein Mensch liest. Man muss das
Publikum eben schon ins Boot holen, und zwar auch so, dass es bereit ist,
für gute journalistische Inhalte zu bezahlen – auch im Internet.
Was geht denn verloren, wenn man das nicht tut?
Das kann man momentan sehr gut in den USA beobachten. In 200 Countys –
vergleichbar mit den deutschen Landkreisen – gibt es keine Lokalzeitung
mehr. Und mehr als die Hälfte der Countys haben nur eine Lokalzeitung, die
überwiegend nur wöchentlich erscheint. Man spricht von „News Deserts“. Da
gibt es eine Reihe von Studien, die belegen, dass in Regionen, wo es keinen
Lokaljournalismus mehr gibt, die Kosten der öffentlichen Verwaltung steigen
oder auch mehr Wirtschaftskriminalität stattfindet. Es gab auch eine Studie
in der Schweiz, die belegt, dass die Wahlbeteiligung dort zurückgeht, wo
der Lokaljournalismus auf dem Rückzug ist. In den USA kann man noch etwas
anderes beobachten: Wo Lokaljournalismus mit seinem professionellen
Anspruch an Unabhängigkeit und Neutralität verschwindet, öffnet sich das
Feld für Aktivisten. Das trägt wiederum zur Polarisierung der Gesellschaft
bei. Das ist natürlich auch eine Schwierigkeit, das bei einer staatlichen
Förderung sauber zu unterscheiden: Was ist tatsächlich ein professionelles
journalistisches Angebot und was ist Aktivismus mit einer ganz eigenen
Agenda?
23 Feb 2022
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## AUTOREN
Nadine Conti
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Schwerpunkt Stadtland
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