| # taz.de -- Brennelementefabrik in Lingen: Unnötiger Atomdeal mit Rosatom | |
| > Die Betreiberin der Lingener Atomanlage will mit dem russischen | |
| > Atomkonzern kooperieren. Dessen Interesse sei rein politisch, warnen | |
| > Kritiker. | |
| Bild: Neben dem Kernkraftwerk befindet sich in Lingen die umstrittene Brennelem… | |
| Kiew taz | In einem gemeinsamen Aufruf warnen über 100 Umweltorganisationen | |
| aus Deutschland, den Niederlanden, Russland und Frankreich vor [1][einem | |
| Ausbau der Fabrik für atomare Brennstäbe in Lingen im Emsland]. | |
| Auch wenn Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat und das letzte | |
| Atomkraftwerk in Lingen am 31. Dezember dieses Jahres abgeschaltet werden | |
| soll – zwei wichtige Atomfabriken laufen weiter: die | |
| Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen. | |
| Lingen beliefert derzeit die umstrittenen Reaktoren im belgischen Tihange | |
| und Doel, im französischen Cattenom, im niederländischen Borssele, in | |
| Leibstadt in der Schweiz und dem finnischen Olkiluoto. | |
| Die Umweltschützer warnen vor einem aktuellen Deal: Die französische Firma | |
| Framatome, Betreiberin der Brennelementefabrik in Lingen, will mit einem | |
| russischen Partner kooperieren. Dieser Partner, die Firma TVEL, ist eine | |
| hundertprozentige Tochter der russischen Atombehörde Rosatom, die wiederum | |
| nicht nur alle in Russland laufenden Akw betreibt. Sie arbeitet wohl auch | |
| mit an der Entwicklung neuer Atomwaffen. [2][Das legt jedenfalls der Tod | |
| von fünf Rosatom-Mitarbeitern in einem militärischen Sperrgebiet beim | |
| Testen einer neuen Atomwaffe im August 2019 nahe.] | |
| Noch ist das Geschäft nicht vollzogen. Doch zumindest das Bundeskartellamt | |
| hat dem Antrag von Framatome zur Gründung eines Joint Ventures mit TVEL in | |
| Lingen schon zugestimmt. [3][Nun liegt der Ball beim Bundesministerium für | |
| Wirtschaft und Klimaschutz.] Und dort ist man sehr wortkarg: „Die | |
| Mitteilung des Bundeskartellamtes ist uns bekannt“, beschied das | |
| Ministerium auf Anfrage der taz: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass | |
| wir darüber hinaus keine Auskünfte zu etwaigen Investitionsprüfverfahren | |
| erteilen können, weil dies Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der | |
| beteiligten Unternehmen betrifft.“ | |
| ## Ausstieg aus dem Ausstieg? | |
| Für Alexander Vent, Bewohner von Lingen und Sprecher des Bündnisses AgiEL – | |
| AtomkraftgegnerInnen im Emsland, wäre eine Genehmigung des umstrittenen | |
| Joint Venture ein Wiedereinstieg in die Atomenergie. Die Transporte mit | |
| radioaktivem Material gefährdeten auch die Bevölkerung von Lingen. Der | |
| großen Koalition sei dieses Thema zu heiß gewesen, nun müsse ausgerechnet | |
| ein von einem grünen Minister geleitetes Ministerium über den Fortbestand | |
| der Atomenergie in Deutschland entscheiden. | |
| Wladimir Slivjak, Sprecher der russischen Umweltgruppe Ecodefense und | |
| Träger des Alternativen Nobelpreises von 2021, kritisiert den geplanten | |
| französisch-russischen Deal. Er verstehe die deutsche Rolle nicht. „Für | |
| Russland geht es mit dem geplanten Einstieg in die Brennelementefabrik in | |
| Lingen weniger um Profite, als vielmehr um einen geopolitischen Zugewinn“, | |
| sagte Slivjak der taz am Telefon. Russland produziere eigene Brennelemente | |
| und brauche die Fabrik in Lingen nicht. „Faktisch würde Deutschland mit | |
| einer Genehmigung dieses Joint Ventures Putin einen weiteren Zugang zum | |
| europäischen Energiemarkt gewähren.“ Putin wolle ein Europa, dessen | |
| Energieversorgung von Russland abhänge und das deshalb keine Sanktionen | |
| verhängen könne. | |
| [4][Der französischen Seite wiederum gehe es vor allem um Profite], | |
| analysiert Matthias Eickhoff von der Anti-Atom Gruppe SOFA Münster. Der | |
| französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton habe die nächsten 30 Jahre | |
| einen Investitionsbedarf von 500 Milliarden Euro für die Atomwirtschaft | |
| ausgemacht. Diese Kosten könne man nicht allein den französischen | |
| SteuerzahlerInnen aufbürden. „Und da kommt das Angebot von Rosatom zur | |
| Zusammenarbeit wie gerufen.“ | |
| Die in Berlin anstehende Entscheidung sei mehr als nur einfach eine | |
| Zustimmung zu einem Eigentümerwechsel: „Wenn Deutschland eines Tages doch | |
| aus der Brennelementeproduktion aussteigen will, wird es sich mit saftigen | |
| Schadenersatzforderungen von Rosatom und Framatome konfrontiert sehen, ganz | |
| zu schweigen von den politischen Hürden.“ Damit in Lingen keine neue | |
| Atomspirale in Ǵang komme, müsse das Bundesministerium für Wirtschaft und | |
| Klimaschutz den Antrag ablehnen, so Eickhoff. | |
| 3 Feb 2022 | |
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| Bernhard Clasen | |
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