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# taz.de -- Aufhebung des Atomtransportverbots: Atomkraft ist Bundessache
> Mit Atommüll wollte Bremen nichts zu tun haben. Das Land sperrte seine
> Häfen für Kernbrennstoffe. Nun erklärt Karlsruhe das Verbot für nichtig.
Bild: Karlsruhe: Das Verbot für Atomtransporte über Bremer Häfen verstößt …
Freiburg taz | Das Bundesverfassungsgericht erklärte ein Bremer Gesetz für
nichtig, mit dem der „Umschlag von Kernbrennstoffen“ in Bremerhaven
ausgeschlossen wurde. Das Gesetz hatte vor allem politische Bedeutung.
Die Diskussion nahm 2010 Fahrt auf, als die schwarz-gelbe Koalition die
Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängerte. In der Bremer Bürgerschaft
forderten nun die Regierungsfraktionen SPD und Grüne den Senat auf, ein
Zeichen zu setzen. Die bremischen Häfen sollten für den Transport von
Kernbrennstoffen gesperrt werden.
Zwei Jahre später, 2012, wurde tatsächlich das Bremische
Hafenbetriebsgesetz ergänzt. „Im Interesse einer grundsätzlich auf
Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien ausgerichteten Gesamtwirtschaft“
wurde die Verschiffung von Kernbrennstoffen ausgeschlossen.
Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke war da wegen der Katastrophe
von Fukushima allerdings längst vom Tisch, nun ging es um einen
beschleunigten Atomausstieg. Doch vor allem für die Grünen blieb die
Hafenklausel ein wichtiges Symbol.
## Keine Gesetzgebungskompetenz
Es gab allerdings auch Kritik aus der Antiatomkraftbewegung, der das
Verbot nicht weit genug ging. Soweit Kernbrennstoffe Bremen und Bremerhaven
nur im Transit durchquerten, ohne umgeladen zu werden, griff das
Hafenverbot nicht. Das Verbot erfasste auch nicht die Vorprodukte von
AKW-Brennstäben. Und schließlich konnte es nicht verhindern, dass
Atomtransporte nun eben andere deutsche Häfen nutzten, zum Beispiel den
Hafen im niedersächsischen Nordenham.
Zugleich ging auch die Atomwirtschaft gegen die Hafenklausel vor. Sie hatte
Angst, dass das Bremer Beispiel Schule machen könnte. Drei Unternehmen,
darunter der Brennelementehersteller Acvanced Nuclear Fuels aus Lingen im
Emsland, beantragten beim Bremer Senat Ausnahmegenehmigungen. Und als sie
diese nicht bekamen, zogen sie vor Gericht.
Einen ersten Erfolg konnten die Atomfirmen schon 2015 feiern. Das Bremer
Verwaltungsgericht legte das Hafenverbot dem Bundesverfassungsgericht zur
Prüfung vor. Das Verbot blieb dabei allerdings zunächst bestehen. Klage und
Vorlage hatten keine aufschiebende Wirkung.
Nun hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den Bremer
Paragrafen geprüft und für verfassungswidrig erklärt. Das Land habe keine
Gesetzgebungskompetenz gehabt. Denn der Bundestag habe im Atomgesetz
bereits die grundsätzliche Zulässigkeit von Atomtransporten beschlossen.
Raum für abweichende Landesgesetze sahen die Verfassungsrichter:innen
nicht.
## Mit sofortiger Wirkung vom Tisch
Bremen hatte argumentiert, dass es keine Regelung zum Atomrecht treffen
wollte, sondern zum Hafenrecht. Beim Atomtransportverbot handele es sich um
eine Teilentwidmung des Hafens, die das Land durchaus selbst vornehmen
könne.
Damit konnte Bremen die Richter:innen aber nicht überzeugen. Zwar könne
Bremen seinen Hafen ganz entwidmen und damit faktisch schließen. Es könne
auch aus einem Universalhafen zum Beispiel einen Containerhafen machen.
Doch das Verbot, Atombrennstoff umzuschlagen, ziele eben nicht auf eine
Funktionsänderung des Hafens, sondern auf eine Intervention in die
Atompolitik des Bundes.
Das Bremer Atomtransportverbot ist nun mit sofortiger Wirkung vom Tisch.
Der Beschluss kam mit sechs zu zwei Richterstimmen zustande. Sondervoten
wurden keine geschrieben. Rechtsmittel sind nicht mehr möglich.
Mittelbar betroffen ist von dem Karlsruher Beschluss eine Initiative in
Hamburg, die ein Verbot von Rüstungsexporten über den Hamburger Hafen
propagiert. Auch dieser Vorschlag dürfte nun passé sein. Schließlich gibt
es mit dem Kriegswaffen-Kontrollgesetz auch bei Rüstungsexporten ein
Bundesgesetz, das nicht einfach durch strengere Landesregeln ausgehebelt
werden darf. (Az.: 1 K 2309/09)
11 Jan 2022
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Atomtransport
Bundesverfassungsgericht
AKWs
Polen
Schwerpunkt Atomkraft
Anti-Atom-Bewegung
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Atommüll
Schwerpunkt Atomkraft
Anti-Atom-Bewegung
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