# taz.de -- Neuer Containerhafen auf Usedom: Deutschland will mitreden | |
> Polen plant einen Containerhafen vor Usedom, den Ausbau der Oder und ein | |
> Terminal für Flüssigerdgas. Experten warnen. | |
Bild: Noch ist der Hafen in Swinemünde mickrig. Doch schon bald sollen riesige… | |
BERLIN taz | Polen will direkt vor Usedom einen riesigen Containerhafen | |
bauen. „Die polnische Regierung sucht derzeit einen Investor für das | |
Projekt“, sagt die bündnisgrüne Europaabgeordnete Hannah Neumann. Viel sei | |
über die Pläne nicht bekannt, die Regierung in Warschau halte sich bedeckt. | |
„Unsere Anfragen in den Ministerien blieben unbeantwortet“, sagt Przemysław | |
Słowik, Co-Vorsitzender der Partia Zieloni, den polnischen Grünen. So viel | |
immerhin stehe fest, sagt Słowik: „Es soll die gewaltige Summe von 3,5 | |
Milliarden Złoty investiert werden.“ Nach aktuellem Umrechnungskurs wären | |
das 750 Millionen Euro. | |
Fachmedien wie der Tägliche Hafenbericht (THB) beschreiben das Projekt so: | |
Direkt an der Mündung der Swine, dem Oder-Abfluss zwischen Usedom und der | |
Insel Wolin, soll ein 1,3 Kilometer langes Container-Terminal in die Ostsee | |
gebaut werden. Ausgelegt ist die Anlage für jährlich zwei Millionen | |
Standardcontainer. Angeschlossen wird das Projekt an den Hafen Świnoujście | |
(Swinemünde), der bereits einer der modernsten Fährhäfen in der Ostsee ist. | |
Die Stadt Świnoujście liegt auf der Insel Usedom, das Container-Terminal | |
soll auf der gegenüberliegenden Swine-Seite realisiert werden, wo es | |
bereits eine Hafenanlage für Flüssigerdgas gibt. | |
„Wir sind nicht grundsätzlich gegen das Projekt“, sagt die bündnisgrüne | |
Neumann. Weil aber Polen und Deutschland in der Metropolregion Szczecin | |
(Stettin) sehr eng miteinander verzahnt seien, müssten beide Länder das | |
Projekt auch gemeinsam voranbringen. Das verweigere Polen aber, nicht | |
einmal eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung sei geplant. | |
„Ein so riesiges Terminal hat auch auf Deutschland gigantische | |
Auswirkungen, schließlich müssen die Güter ja abtransportiert werden“, | |
kritisiert Neumann. Sie hat gemeinsam mit dem linken Europapolitiker Helmut | |
Scholz ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Umweltverträglichkeit des | |
Projekts nun prüfen soll. | |
„Bekannt vom geplanten Terminal sind nur Kerndaten, deshalb mussten wir mit | |
einigen Annahmen arbeiten“, sagt auch Bastian Schuchardt, einer der | |
Umweltgutachter. In der Ostsee muss demnach ein riesiger Steinwall als | |
Wellenbrecher aufgeschüttet, mindestens 20 Millionen Kubikmeter Meeresgrund | |
abgetragen werden, um die neue Einfahrt zu schaffen. „Die Baumaßnahmen | |
liegen unmittelbar in einem Vogelschutz- und einem FFH-Gebiet“, sagt | |
Schuchardt und warnt: Mit dem Terminal erhöhe sich die Anzahl der Schiffe, | |
die in diese Richtung fahren, um 50 Prozent. „Es sind vor allem sehr viel | |
größere Schiffe“, sagt der Gutachter, die maritimen Auswirkungen würden | |
sich nicht auf die Pommersche Bucht beschränken. „Besonders betroffen sein | |
wird beispielsweise die Insel Rügen, vor der es 50 Prozent mehr | |
Schiffsverkehr geben wird.“ Schuchardt erinnert daran, dass dort die | |
östliche Population des Schweinswals lebt, von der es nur noch wenige | |
Hundert Exemplare gibt. | |
## Trotzdem rollen die Bagger weiter | |
Gutachter Schuchardt weist auf eine weitere Baustelle hin: den Ausbau der | |
Oder. „Das sind zwei Vorhaben, die sich gegenseitig verstärken.“ Viele der | |
angelieferten Container sollen über den Grenzfluss verschifft werden. Polen | |
hatte im März damit begonnen, auf einem Abschnitt von 15 Kilometer Länge 60 | |
Buhnen komplett zu erneuern. Dadurch soll die Fließgeschwindigkeit erhöht | |
werden, damit sich der Fluss tiefer eingräbt und so ein tieferes Fahrwasser | |
ermöglicht. Das hat gravierende Auswirkungen. „Wenn die Oder tiefer fließt, | |
zieht sie das letzte Wasser aus den Auen“, erklärt Michael Tautenhahn, | |
stellvertretender Leiter des Nationalparks „Unteres Odertal“. Brandenburgs | |
Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hatte Widerspruch gegen die Arbeiten am | |
Grenzfluss eingelegt. Trotzdem rollen die Bagger weiter. | |
Auch am geplanten Hafenstandort vor Usedom wird schon gearbeitet: Für 426 | |
Millionen Euro baut der österreichische Baukonzern PORR den bestehenden | |
Flüssiggas-Hafen aus. Der war 2011 an der Nordwestspitze der Insel Wolin | |
begonnen worden, seit 2015 liefert das „Lech Kaczyński“-Terminal Erdgas. | |
Die Kapazität zur Wiederverdampfung liegt bislang bei 5 Milliarden | |
Kubikmeter pro Jahr, jetzt soll sie bis 2023 auf 8,3 Milliarden ausgebaut | |
werden. Angesichts des Ukrainekriegs sei das „begrüßenswert“, sagt Helmut | |
Scholz, Europaabgeordneter der Linken. Das bedeute aber auch, dass noch | |
mehr Schiffe anlegen werden. | |
Recherchen der taz zeigen allerdings, dass die Umweltverträglichkeit des | |
Containerterminals geprüft wird. Parlamentspräsidentin Elżbieta Witek von | |
der PiS-Partei hatte die Regierung [1][zum Projekt angefragt], im | |
vergangenen Oktober antwortete Marek Gróbarczyk, Staatssekretär im | |
Ministerium für Infrastruktur: Demnach arbeite die Regionaldirektion für | |
Umweltschutz in Szczecin seit November 2020 an einer | |
Umweltverträglichkeitsprüfung. Den Vorwurf, dass die Regierung sich bedeckt | |
halte, weist Gróbarczyk zurück: „Die Umsetzung des Projekts wird laufend | |
mit den Behörden der Stadt Świnoujście konsultiert.“ | |
11 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://orka2.sejm.gov.pl/INT9.nsf/klucz/ATTC7PH89/$FILE/i26384-o1_1.pdf | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
Gabriele Lesser | |
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