# taz.de -- Verwirrende Coronazahlen in Berlin: Ein Krankenhaus pro Woche? | |
> Eine entscheidende Kennzahl der Coronapandemie liegt merkwürdig hoch. | |
> Warum das so ist, lässt sich nur schwer ermitteln. Ein Wochenkommentar. | |
Bild: Tragen nicht unbedingt zur Aufklärung bei: Franziska Giffey (SPD) und Ul… | |
Man kann und muss sicher nicht alles verstehen, auch nicht als Journalist. | |
Aber manchmal gibt es Ungereimtheiten, die sich hartnäckig dagegen wehren, | |
ignoriert zu werden. In diesem Fall ist es eigentlich nur eine mysteriöse | |
Zahl, die den Autor umtreibt: die sogenannte | |
Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz von Berlin. | |
Es geht dabei um die Anzahl der Menschen, die innerhalb einer Woche mit | |
Covid-19 in Berliner Krankenhäusern aufgenommen werden, pro 100.000 | |
EinwohnerInnen, um genau zu sein. Wenn die | |
Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz an einem Tag mit 3,88 angegeben wird, | |
bedeutet das bei rund 3,7 Millionen BerlinerInnen, dass in den vergangenen | |
sieben Tagen ungefähr 140 Covid-Erkrankte ins Krankenhaus mussten. | |
Die 3,88 sind nicht ausgedacht, es ist die Zahl, die [1][das Robert | |
Koch-Institut (RKI) für Freitag, den 28. Januar] nennt. Deutschlandweit | |
betrachtet ist es eine eher niedrige Zahl. Auftritt Berliner Senatskanzlei: | |
[2][In deren täglicher Corona-Fallstatistik] wird dieselbe Inzidenz mit | |
19,1 angegeben. Was bedeuten würde, dass in den letzten sieben Tagen nicht | |
weniger als 700 Menschen mit Covid in Kliniken aufgenommen wurden. Zum | |
Vergleich: Das Vivantes Klinikum Am Urban hat 620 Betten. | |
Was denn jetzt – 140 oder 700? Das ist keineswegs unerheblich bei diesem | |
Pandemie-Indikator, auf der Senats-Website springt das entsprechende | |
Ampel-Licht auch schon bei einer Inzidenz von 8,0 auf Rot. Leicht | |
nachvollziehbar, denn bei tendenziell milderen, aber massenhaften | |
Erkrankungen mit der Omikron-Variante ist die Belastung des | |
Gesundheitswesens der entscheidende Parameter. | |
Als Journalist fragt man in einem solchen Fall natürlich nach – und zwar | |
recht hoffnungsvoll, seitdem sich die zuständige | |
Senatsgesundheitsverwaltung unter Ulrike Gote (Grüne) neu aufgestellt hat. | |
Die Informationspolitik ihrer Vorgängerin Dilek Kalayci war, freundlich | |
gesagt, unterirdisch gewesen. | |
## Ernüchternde Recherche | |
Leider verläuft die Recherche schon wieder ernüchternd: Nachdem unter | |
Kalayci Anrufe bei der Pressestelle an einem Anrufbeantworter ohne | |
Aufzeichnungsfunktion abprallten, steht unter Gote einfach gar keine | |
Durchwahl mehr auf der Homepage – ein Alleinstellungsmerkmal unter den | |
Senats-Pressestellen. Eine Anfrage per E-Mail wird tagelang liegen | |
gelassen; auf mehrmalige Nachfrage kommt schließlich eine eher kryptische | |
Antwort. | |
Man verwende, heißt es darin, bei der Erhebung eine neue | |
Berechnungsmethode, die die Hospitalisierungsinzidenz „sehr viel akkurater | |
schätzt“. Sie werde nun im Gegensatz zu den Zahlen des RKI, die von den | |
Gesundheitsämtern stammen, „auf Basis der IVENA-Daten berechnet“, wobei | |
IVENA „Interdisziplinärer Versorgungsnachweis“ bedeutet – eine Art | |
überregionales Informationstool für Krankenhäuser. | |
Unterschiedliche Erhebungsweisen können für Abweichungen sorgen, das ist | |
klar. Warum der Unterschied so eklatant ist, erklärt das nicht – und was | |
aus der knallroten Hospitalisierungsampel eigentlich folgt, dazu äußert | |
sich die Senatsverwaltung auch nicht: Die Frage, ab wann die Inzidenz bei | |
der Bettenbelegung bedenklich wird, lässt sie einfach unbeantwortet. Im | |
Normalfall würde man jetzt einfach noch mal schnell anrufen, aber was ist | |
in der Schnittmenge von Corona und Senat schon normal? | |
Und so nimmt auch die etwas hilflose Reaktion der Regierenden | |
Bürgermeisterin nicht Wunder, die [3][auf der Senats-Pressekonferenz am | |
Dienstag] gefragt wurde, ob das „Volllaufen der Krankenhäuser“ in | |
Kombination mit [4][zunehmenden Ausfällen beim ärztlichen und pflegerischen | |
Personal] nicht problematisch sei. Sie finde es „sehr zu kurz gesprungen, | |
hier einfach von Volllaufen der Normalstationen zu sprechen“, so Franziska | |
Giffey (SPD). Man habe ihr berichtet, dass jetzt eben viele Patienten wegen | |
anderer Probleme ins Krankenhaus kämen, aber zusätzlich noch eine | |
Coronainfektion aufwiesen, „was teilweise erst im Krankenhaus festgestellt | |
wird“. | |
## Mit und ohne und so weiter | |
Eine „genaue Zahl darüber, wie viele jetzt mit und ohne und so weiter“ | |
konnte Giffey nicht nennen. Und auf die taz-Frage, warum sich eigentlich | |
nicht klar abbilden lässt, wie viele Menschen tatsächlich mit | |
Atembeschwerden oder anderen Covid-Folgen ins Krankenhaus aufgenommen | |
werden müssen, gab Senatorin Gote eine knappe Antwort: gar keine nämlich. | |
Corona wütet schon seit zwei Jahren, aber gut: Jede neue Verwaltung muss | |
sich erst mal ins Geschäft einfinden. Trotzdem wäre es wirklich sehr, sehr | |
wünschenswert, dass im Umgang mit der Pandemie endlich einmal Klartext | |
geredet würde. So schwer kann das doch nicht sein. | |
29 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberi… | |
[2] https://www.berlin.de/corona/lagebericht/ | |
[3] /Senat-diskutiert-Corona-Massnahmen/!5826117 | |
[4] /Berliner-Kliniken-in-der-Omikron-Welle/!5825306 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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