# taz.de -- Angriff auf Geflüchteten: Rassistische Attacke außer Dienst | |
> Prozessauftakt gegen Polizeibeamten. Stefan K. soll mit zwei anderen | |
> Männern einen geflüchteten Afghanen verprügelt haben. | |
Bild: Die drei Angeklagten (von rechts nach links): Stefan K., Dennis Y. und Ph… | |
BERLIN taz | Für die drei Angeklagten ist der Prozess am Mittwoch vor dem | |
Amtsgericht Tiergarten gut gelaufen: Drei der Belastungszeug*innen sind | |
nicht erschienen und der vierte Zeuge hat nichts Belastendes gesehen. | |
Stefan K., Dennis Y. und Philipp G. sollen am 5. April 2017 den | |
afghanischen Geflüchteten Jamil Amadi (Name geändert) am [1][S-Bahnhof | |
Karlshorst rassistisch beleidigt und brutal verprügelt haben]. Vor Gericht | |
wollen sie sich dazu nicht äußern. | |
Die drei Männer kamen damals gerade von einem Fußballspiel von Union | |
Berlin, angetrunken und frustriert über die Niederlage ihres Vereins. Der | |
mittlerweile 26-jährige Maurer Dennis Y. und der 29-jährige Maler und | |
Lackierer Philipp G. sollen daraufhin mit Jamil Amadi aneinander geraten | |
sein und diesen mit Stöcken und Fäusten verprügelt haben. Kurze Zeit später | |
mischt sich dann Stefan K. ein, Zeug*innen denken zunächst, er will | |
schlichten, doch dann prügelt er ebenfalls auf Ahmadi ein. | |
Den herbeigerufenen Beamt*innen gibt sich Stefan K. kurze Zeit später als | |
Polizist zu erkennen – nachdem er zunächst geflohen war. Der 42-Jährige war | |
bis 2016 Teil der Sonderermittlungsgruppe EG Rex, die zur rechtsextremen | |
Anschlagsserie in Neukölln ermittelte. In dieser Funktion hatte er engen | |
Kontakt zu betroffenen Antifaschist*innen. Insbesondere vor dem Hintergrund | |
der [2][zahlreichen Ermittlungspannen im sogenannten Neukölln-Komplex] und | |
den fehlenden Ermittlungserfolgen, wiegt der Verdacht schwer, dass Stefan | |
K. selbst ein rassistischer Gewalttäter mit Kontakten in die Neonaziszene | |
sein könnte. | |
## Fotos zeigen Angeklagte auf Neonazi-Aufmarsch | |
Denn laut dem antifaschistischen Rechercheportal Neukölln Watch sollen die | |
beiden [3][Mitangeklagten Dennis Y. und Philipp G. Teil der rechtsextremen | |
Szene Berlins] sein. Fotos zeigen sie auf einem Neonaziaufmarsch in | |
Hellersdorf im April 2016. Ob Stefank K. die beiden vor dem Angriff kannte, | |
ist jedoch unklar. Bei dem Prozess am Mittwoch hält Stefan K. jedenfalls | |
Abstand zu den beiden stämmigen Männern mit den kurzgeschorenen Haaren. | |
Jamil Amadi musste nach dem Angriff mit Verletzungen an Kopf und Schultern | |
ins Krankenhaus eingeliefert werden. Eine Aussage, wie diese zustande | |
gekommen sind, kann dieser am Mittwoch jedoch nicht machen, da er im März | |
2020 – mitten im laufenden Prozess – in die afghanische Hauptstadt Kabul | |
abgeschoben wurde. Der schwer traumatisierte Ahmadi hatte kurz nach dem | |
Angriff seinen negativen Asylbescheid erhalten. Einige Monate später wurde | |
das Verfahren gegen seine mutmaßlichen Angreifer eingestellt. Seine | |
Anwältin rollte das Verfahren neu auf und der Erzieher erhielt eine | |
Duldung, jedoch ohne Arbeitserlaubnis. Der zuvor als gut integriert | |
geltende Afghane geriet daraufhin auf die schiefe Bahn, schläft im | |
Görlitzer Park, nimmt Drogen, begeht kleinere Straftaten und wird | |
schließlich als angeblicher Gefährder abgeschoben. | |
[4][Für den Flüchtlingsrat und Pro Asyl „ein politischer Skandal“.] Denn | |
eigentlich gibt es in Berlin eine Regelung, dass Opfer von Hasskriminalität | |
ein Bleiberecht erhalten. Da diese jedoch erst zwei Monate nach der Tat in | |
Kraft getreten ist, wollte der damalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) | |
sie nicht anwenden. „Geflüchtete wie Jamil Ahmadi, denen rassistische | |
Gewalt angetan wurde, müssen ein Bleiberecht erhalten“, findet der | |
Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. „Der Staat muss den | |
Täter*innen zeigen, dass er sich ihrem schändlichen Anliegen, Menschen | |
aus dem Land zu vertreiben, entgegenstellt.“ | |
## Opfer wurde mitten im Prozess abgeschoben | |
„Die Abschiebung von Jamil Ahmadi war ein großer Fehler, den Geisels | |
Amtsnachfolgerin Iris Spranger jetzt korrigieren muss“, findet die | |
Sprecherin des Berliner Flüchtlingsrats. Sie fordert, [5][dass Ahmadi | |
sofort nach Berlin zurückgeholt wird], um ihm „die Wahrnehmung seiner | |
Rechte als Zeuge, Opfer und Nebenkläger zu ermöglichen“. Auch Ahmadis | |
Anwältin Jenny Fleischer hofft, dass ihr Mandant noch zurückgeholt wird. | |
„Die Abschiebung war rechtswidrig“, sagt sie nach dem Prozess zur taz, | |
schließlich sei seine Klage auf Schmerzensgeld noch anhängig. | |
Die Richterin sieht für eine Rückkehr Ahmadis allerdings keinen Grund. Die | |
schriftliche Aussage Ahmadis reiche völlig aus, heißt es. „Mein Mandant hat | |
als Nebenkläger ein Anwesenheitsrechtsrecht im Prozess und sollte deshalb | |
persönlich hier sein, um über die Folgen der Tat aussagen zu können“, | |
kritisiert Anwältin Fleischer. Derweil befindet sich Ahmadi in Afghanistan | |
nicht nur in einer prekären Sicherheitslage, sondern leidet auch unter | |
schweren gesundheitlichen Problemen. Es gebe ihm aber Hoffnung, dass der | |
Prozess gegen Stefan K. und die anderen fortgesetzt wird, sagen | |
Unterstützer*innen der taz. | |
[6][Es ist bereits der dritte Anlauf]: Nachdem das Verfahren 2017 zunächst | |
eingestellt worden und 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie vertagt | |
worden war, wird es nun wieder neu aufgerollt. Rechtsanwältin Jenny | |
Fleischer ist zuversichtlich, dass es dieses mal zu einer Verurteilung | |
kommen wird. Zwar konnte der Zeuge am Mittwoch nur wenig Erhellendes | |
beitragen, da er den Angriff auf Ahmadi nicht gesehen hat. Er habe | |
lediglich beobachtet, wie dieser eine Flasche auf drei Männer geworfen | |
hätte und dann weggerannt wäre. Die drei Männer hätten ihn daraufhin | |
verfolgt, dann sei auch schon die Polizei vor Ort gewesen. | |
Andere Zeug*innenaussagen würden den Angriff jedoch detailliert | |
beschreiben, so Fleischer. Von „Gewalt wie im Film“ sei die Rede gewesen. | |
Bleibt nur zu hoffen, dass diese Zeug*innen beim nächsten Prozesstag in | |
der kommenden Woche dann auch aussagen. Dieses mal kostete sie ihr | |
Schwänzen 200 Euro. | |
Der Polizist Stefan K. ist derweil weiter im Dienst. Ein | |
Disziplinarverfahren gegen ihn wurde bis zum Urteil ausgesetzt. | |
16 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Fehlende-Strafverfolgung-in-Berlin/!5654948 | |
[2] /Rechtsextreme-Anschlagsserie/!5771588 | |
[3] https://www.nkwatch.info/ | |
[4] https://fluechtlingsrat-berlin.de/presseerklaerung/14-02-2022-fortsetzung-s… | |
[5] /Abschiebung-nach-rassistischem-Angriff/!5735157 | |
[6] /Fehlende-Strafverfolgung-in-Berlin/!5654948 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Polizeigewalt | |
Geflüchtete | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Polizei Berlin | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
Polizei Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Angriff auf Geflüchteten: Schläger will Freispruch | |
Der Polizist Stefan K. wurde 2022 wegen Körperverletzung verurteilt. Jetzt | |
will er das Urteil anfechten, am Dienstag startete der Prozess. | |
Rassistische Gewalt gegen Geflüchteten: Berliner Polizist verurteilt | |
2017 schlagen drei Männer nach einem Fußballspiel einen afghanischen | |
Geflüchteten krankenhausreif. Einer der drei ist Polizist. Er erhielt nun | |
eine Geldstrafe. | |
Abschiebung nach rassistischem Angriff: Forderung nach Rückholaktion | |
Ein Afghane wird abgeschoben, obwohl er Nebenkläger im Prozess nach einer | |
wohl rassistisch motivierten Prügelei ist. Auch ein Polizist war beteiligt. | |
Rechtsextreme Terrorserie in Neukölln: Die Opfer klagen an | |
Die Betroffenen der Anschlagsserie in Berlin-Neukölln haben kein Vertrauen | |
mehr in die Polizei. Der Grund dafür sind Polizei-Verbindungen zu Tätern. | |
Fehlende Strafverfolgung in Berlin: Das bisschen Rassismus | |
Ein Afghane wird von einem Polizisten außer Dienst attackiert. Die | |
Staatsanwaltschaft lässt den Rassismus außer Acht – nicht zur ersten Mal. |