Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kosenamen im Zeit- und Sprachwandel: Hey Babe!
> Kosenamen sollen Vertrautheit herstellen. Bei inflationärer Benutzung
> geht die aber verloren. Unsere Autorin fordert deshalb mehr Kreativität.
Bild: Wir brauchen neue Kosenamen, am besten aus dem Tierreich: Äffchen ist do…
Neulich sagte jemand zu mir: „Du nennst aber auch jeden Baby.“ Kurz darauf
sah ich ein Meme, das frei übersetzt ungefähr Folgendes aussagte: „Ich
nenne meine Crushes Bro und meine Freunde Babe und das sagt alles über mich
aus, was du wissen musst.“ Seitdem denke ich über Kose- und Spitznamen
nach.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich an meinen allerersten erinnern kann,
aber sehr wohl an das Gefühl der Vertrautheit, das ein Spitz- oder Kosename
auslöst. Moment mal: Spitz- und Kosename, ist nicht das Gleiche, oder was?
Na gut, vorab ein paar hilfreiche Definitionen: Ein Spitzname ist ein Name,
den jemand etwa aus Scherz oder aus Spott aufgrund einer auffallenden
Eigenschaft erhält. Ein Kosename hingegen ist ein Name, der eine
liebevolle, vertraute Beziehung zu jemandem ausdrücken soll.
Bezeichnend, dass ich heutzutage Spitz- und Kosenamen fast synonym
verwende, obwohl Ersteres eher neckisch und Letzteres liebevoll gemeint
ist. Neckisch-liebevolle Namen. Aber das war nicht immer so: Ich erinnere
mich an meinen Klassenkameraden Y., den wir Grosse Tête (auf deutsch:
„Riesenkopf“) genannt haben. Liebevoll klingt anders.
Als ich dann als Teenager in der Gastronomie arbeitete, nannte mich meine
Chefin anfangs „Schatz“. Ich fühlte mich zugehörig und geschmeichelt – …
ich irgendwann verstand, dass sie sich meinen Namen einfach nicht merken
konnte.
## Niemals Schatz
Zu Hause hieß ich „Nunu“, in der Schule nannten meine Freundinnen und ich
uns „Süße“ und kamen uns dabei ein bisschen erwachsen vor. Meinen ersten
Freund nannte ich nie Schatz, weil es in dem Kontext zu sehr nach
Reihenhaus und Sparpapieren klang. Schließlich wurden irgendwann die
englischen Kosenamen populärer und die brachten meine Kose- und
Spitznamenpolitik durcheinander. Baby, Boo, Babe, Bro.
Heute werfe ich all das – wie im oben beschriebenen Meme – heillos
durcheinander. Ich nenne eine gute Freundin Boo, ein Date Bro und meine
Schwester Babe. Vielleicht geht es aber bei Kosenamen auch gar nicht darum,
dass sie immer gemäß ihrer ursprünglichen Definition verwendet werden. Es
geht darum, in einer schnellen Nachricht oder sozialen Situation die
Vertrautheit, die zwischen beiden Parteien herrscht, rüberzubringen. Und
diese Vertrautheit ist wertvoll. Verliert sie an Wert, wenn man Kosenamen –
wie in meinem Fall Babe – inflationär verwendet? Sollte ich weniger
Menschen Babe nennen? Das Problem damit ist, dass es einer Herabstufung
gleicht, wenn man von Babe zurück zum Vornamen geht.
Wir kommen nicht drum herum: Wir brauchen neue Kosenamen, am besten aus dem
Tierreich. Ich persönlich feiere das Comeback von „[1][Maus“ (Danke,
Hengameh!)] als neues Schweizer Taschenmesser unter den Kosenamen.
7 Feb 2022
## LINKS
[1] /Kritisieren-ohne-Nervenzusammenbruch/!5737137
## AUTOREN
Anna Dushime
## TAGS
Kolumne Bei aller Liebe
Freundschaft
Liebespaar
Intimität
Sprache
Pandemie
Kolumne Bei aller Liebe
psychische Gesundheit
Kolumne Bei aller Liebe
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pandemie und Freundschaft: Befreundet mit allen und niemandem
Die Pandemie hat unser Umfeld verändert. Kollegen und Nachbarn sehen wir
öfter als Freunde und Partner. Was macht das mit uns?
Über Abschiede und Wiedersehen: Vermissen ist Sehnsucht
Unsere Autorin hat sich das Vermissen abtrainiert, um sich selber zu
schützen. Mittlerweile lässt sie die Gefühle zu, schließlich gehören sie
dazu.
Jahresrückblick 2021: Was für ein Jahr
Und wieder war es ein hartes Jahr. Unsere Kolumnistin wagt trotzdem einen
Rückblick, über die kleinen und großen Dinge, die sie gelernt hat.
Leidenschaft fürs Drinnen sein: 26 Stunden im Bett
„Drinnie“ nennt man Menschen, die sich am liebsten drinnen aufhalten.
Manche finden das faul, unsere Autorin hat dafür einen eigenen Begriff
gefunden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.