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# taz.de -- Pandemie und Freundschaft: Befreundet mit allen und niemandem
> Die Pandemie hat unser Umfeld verändert. Kollegen und Nachbarn sehen wir
> öfter als Freunde und Partner. Was macht das mit uns?
Bild: Wenn online neue Freundschaften entstehen und man offline Freunde aus den…
Geht’s nur mir so oder hat sich unsere Freundschaftsdefinition über die
letzten Jahre verändert? Ich beobachte – zumindest bei mir – eine
Veränderung bei einigen Freundschaften.
Nun, ich hab den Eindruck, dass ich inzwischen mit jedem außer mit meinen
Freunden befreundet bin. Ich versuch es mal zu erklären. Früher in der
Schule haben viele Freundschaften davon gelebt, dass wir uns jeden Tag
mindestens fünf Stunden gesehen und Zeit miteinander verbracht haben. Das
erleben wir jetzt im Job. Wir verbringen mehr Zeit mit Kolleg*innen als
mit unseren Partner*innen und Freund*innen.
Im Büro wissen manche besser über meine Krankheiten Bescheid als meine
Freunde und dank ständiger Zoom-Calls wissen die allermeisten auch, wie
meine Wohnung aussieht. Ich habe in der Pandemie mit Sport begonnen, weil
mir das Backen nicht liegt. Seitdem ist mein Trainer besser über mein
Liebesleben informiert als mein bester Freund.
## Orte der Begegnung
Das kann natürlich daran liegen, dass ich schnell Verbindungen knüpfe und
mich Leuten anvertraue. Das kann aber auch daran liegen, dass sich unser
soziales Leben komplett verändert hat und damit auch unsere Freundschaften.
Durch die Vorsichtsmaßnahmen in der Pandemie, die Arbeit vor Freizeit
geschützt haben, wurden Arbeitsplätze plötzlich die letzten (legalen) Orte
der Begegnung und Kollegen die neuen Freunde.
Aber es geht auch übers Arbeitsleben hinaus. Ich habe zweieinhalb Jahre
lang nicht gewusst, wer in der Wohnung neben mir lebt. Seitdem wir in der
Pandemie füreinander eingekauft und Klopapier gegen Bohnen getauscht haben,
hat sich das geändert. Ende 2020, als mein soziales Leben überwiegend
online stattfand und Clubhouse und Instagram Live noch nicht so abgenutzt
waren, habe ich auch online neue Freundschaften geknüpft.
Wenn man sich jeden Tag die Storys einer Person anschaut, kommt man nicht
drumherum, eine gewisse Vertrautheit aufzubauen. So sehr, dass ich neulich
eine wildfremde Person auf der Straße herzlich begrüßen wollte, weil ich
ihre Storys schaue und wir auf Instagram „befreundet“ sind.
## Überwältigt und zurückgezogen
So weit, so gut, oder? Es hört sich so an, als hätten wir in der Pandemie
neue Freunde gemacht. So einfach ist es nicht, fürchte ich. Wir haben
irgendwie auch Freunde verloren. Ich weiß nicht, wie es Ihnen und euch
geht, aber es gibt einige Freundschaften, die diese Zeit nicht überlebt
haben. Vielleicht weil wir uns online nicht begegneten und unsere
Freundschaften vor der Pandemie hauptsächlich von realen Treffen in Cafés
und Wohnungen gelebt haben, die jetzt nicht mehr möglich waren.
Vielleicht hat man sich zurückgezogen, weil die Pandemie einen überwältigt
hat und dann hat man nicht mehr den Anschluss gefunden. Ich würde gerne
sagen: Ach, das pendelt sich wieder ein. Das wird wieder so wie früher.
Aber ich befürchte, dass nichts jemals sein wird wie früher. Aber
vielleicht ist es auch was Gutes.
28 Feb 2022
## AUTOREN
Anna Dushime
## TAGS
Pandemie
Freundschaft
Homeoffice
Soziale Medien
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psychische Gesundheit
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