| # taz.de -- Kritisieren ohne Nervenzusammenbruch: Hey Maus, lass mal ehrlich se… | |
| > Wie wäre es, wenn wir unsere Absichten transparenter machen? Der | |
| > Schlagabtausch auf Twitter war eh nie ein Ort für Dialoge. | |
| Bild: Wie in der analogen Welt bewegt man sich eben auch auf Social Media in Bl… | |
| Das Jahr 2021 kann nur besser werden. Mit diesen Vorsätzen zumindest ein | |
| kleines bisschen: Die Tage der gegenderten Anrede sind gezählt. Ab dem 1. | |
| 1. schreiben wir nicht mehr „Sehr geehrte Damen und Herren“, sondern | |
| „Liebe Businessmäuse“, für den lockereren Singular reicht „Hey Maus“,… | |
| es schnell gehen muss „Schatz, ganz kurz …“. Statt jemand oder jemensch | |
| jemaus, statt niemand oder niemensch niemaus. Hätte mir jemaus gesagt, | |
| dass nach diesem Albtraumjahr so eine süße Wendung auf mich wartet, ich | |
| hätte es kaum glauben können. | |
| [1][Auf das Phänomen der Hate-Clout] möchte ich weiterhin verzichten. | |
| Besonders auf Twitter passiert es häufig, dass Leute mit | |
| menschenfeindlichen Aussagen oder einfach hängen gebliebenen Argumenten in | |
| linken Bubbles eine hohe Reichweite bekommen, weil alle sich über sie | |
| aufregen. Aber, ganz ehrlich, was interessiert uns schon, was eine | |
| konservative Kolumnistin über Queerfeminismus denkt? Nichts, was sie zu | |
| sagen hat, haben wir nicht schon 2013 gelesen. Es ist wie bei [2][Myspace]: | |
| Haters make them famous. | |
| Glückwunsch, wir haben solchen Leuten die nötige Clout verschafft, wegen | |
| der sie heute Book-Deals abschließen. Aber selbst wenn sie damit kein Geld | |
| verdienen würden: Haben wir wirklich Bock, wie eine kaputte Kassette | |
| dieselben Diskussionen wie damals zu führen? Uns an Leuten abzuarbeiten, | |
| die noch nie in ihrem Leben was Kluges gesagt haben? Also ich nicht. Bevor | |
| es nun heißt, maus würde sich in einer Echokammer einschließen, wenn maus | |
| diesem Rat folgt: Tut maus nicht. | |
| Der Schlagabtausch auf Twitter ist noch nie der Ort für Dialoge gewesen, | |
| und zweitens gibt es einen Grund, warum es auf Social Media Bubbles gibt. | |
| Als ob maus offline ständig mit allen möglichen Leuten ins Gespräch käme. | |
| Apropos Kritik: Die darf niemals aufhören. Merkwürdige Debatten 2020 haben | |
| dazu geführt, dass für die einen jegliche Kritik ein feindseliger Versuch | |
| ist, die Existenz der Kritisierten zu zerstören, und für die anderen Kritik | |
| eine Abgrenzungsperformance ohne Konsequenzen ist. Finde ich beides nervig. | |
| Lasst uns doch einfach normal einander weiterkritisieren. | |
| ## Es bliebe viel Kopfschmerz erspart | |
| Dafür braucht es Ehrlichkeit. Wie wäre es, wenn wir unsere Absichten | |
| transparenter machten? Mein Cousin aus Teheran schrieb mir im Frühjahr ohne | |
| künstlichen Small Talk oder Gruß: „So, wie du gemerkt hast, meld ich mich | |
| immer nur bei dir, wenn ich was brauche. Ich brauche was.“ Die von ihm | |
| gewünschte Plüschblume bestellte ich ihm gerne. Wenn alle so direkt | |
| kommunizieren würden wie er, bliebe viel Kopfschmerz erspart. Leute könnten | |
| im Internet ruhig öfter zugeben, dass sie dieses oder jenes ausschließlich | |
| wegen der Clout machen. | |
| Scheinkritiken könnten direkter formuliert werden, zum Beispiel: „Die | |
| Wahrheit ist, mir passt diese Person nicht und ich werde alles hassen, was | |
| sie jemals tun wird, weil ich ein misogynes und missgünstiges Arschloch | |
| bin.“ Oder auch: „Corona hin oder her, kein Bock, dich zu treffen.“ | |
| 1 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.theatlantic.com/technology/archive/2019/12/clout-definition-mem… | |
| [2] /Datenverlust-bei-MySpace/!5581108 | |
| ## AUTOREN | |
| Hengameh Yaghoobifarah | |
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