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# taz.de -- Desinformation in sozialen Medien: „Angst ist ein wichtiger Motor…
> Kommunikationsexperte Andre Wolf über gefährliche Nachwirkungen von Fakes
> und Lösungsvorschläge in sozialen Medien.
Bild: Teilnehmer*innen bei einer Demonstration gegen die Anti-Corona-Maßnahmen…
taz: Entstehen Desinformationen meist gezielt oder eher durch
Missverständnisse, Herr Wolf?
Andre Wolf: Da kann man grob drei Fälle unterscheiden: Im ersten Fall
versteht jemand etwas falsch und gibt es dann so weiter. Seit einer Weile
geht zum Beispiel die Geschichte um, dass in Bayern schon lange bekannt
war, dass es eine Pandemie geben wird. Auf einem Sharepic sieht man einen
Gesetzartikel zu Corona und darüber das Datum Mai 2019. Das Datum ist
allerdings das der Erstfassung des Gesetzes. Der Artikel zu Corona wurde
erst 2020 ergänzt.
Einige Menschen haben das falsch verstanden und es so weiterverbreitet. Das
ist nicht böse gemeint. Die Menschen haben eher Angst, und Angst ist ein
wichtiger Motor für die Verbreitung von Fakes. Der zweite Fall ist die
Trollerei, also die bewusste Irreführung aus Spaß. Und der dritte Fall –
und da wird’s jetzt gefährlich – ist die bewusste Manipulation durch
Desinformation. Das ist häufig politisch motiviert.
Inwiefern?
Es ist schwierig, dazu eine klare Aussage zu treffen. Aber man kann sagen,
dass durch Falschmeldungen eine gewisse Verunsicherung verbreitet werden
soll, die auch darauf zielt, klassische gesellschaftliche Strukturen zu
stören und vielleicht auch einen politischen Umschwung herbeizuführen.
Hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?
Ja. Früher hatten wir so Sachen wie mit HIV infizierte Nadeln in
Kinosesseln. 2014 kam ein neuer Tenor in die Falschmeldungen. Angefangen
hat das mit Meldungen aus Russland, die westlichen Medien vorgeworfen
haben, ein verzerrtes Bild über die Krimkrise zu inszenieren. Diese
Vorwürfe wurden durch sogenannte Alternative Medien, also speziell
meinungsbildende Blogs und Webseiten, übernommen und weiterentwickelt.
Dabei wurde bewusst der Begriff Lügenpresse oder auch Lückenpresse
vorangetrieben und Medien als regierungskontrolliert dargestellt. Dieses
Bild soll suggerieren, dass eine Manipulation durch die Regierung
stattfindet und darum ein Systemwechsel einsetzen muss.
Facebook geht nun gezielt gegen Falschmeldungen vor. Bringt das was?
Ich finde es gut, dass Facebook Falschmeldungen markiert. Aber: Facebook
ist zu langsam. Sobald ein Fake auftaucht, wirkt er innerhalb der ersten 24
oder 48 Stunden.
Sie können also ungehindert weiterverbreitet werden. Was passiert danach?
Wir haben in der Coronakrise vier Eskalationsstufen beobachtet. Anfangs gab
es wenige konkrete Informationen zu dem Virus und viele Gerüchte. Da gingen
Kettenbriefe um, in denen es hieß, Zwiebeln würden gegen Corona helfen. Als
es gefestigtere Informationen gab und sich ein wissenschaftlicher Konsens
herausgebildet hat, wurden einzelne Meinungen von Medizinern, die die
Situation verharmlost haben, verbreitet. Dann tauchten Verschwörungsmythen
auf, mit denen Feindbilder – etwa die Regierung oder Experten – aufgebaut
wurden. Und in der nächsten Stufe sehen wir auf einmal in der Realität, was
vorher auf Social Media propagiert wurde: Menschen werden angegriffen, das
Reichstagsgebäude wird zum Schein gestürmt, Brandsätze werden auf das
Gebäude des RKI geworfen.
Was könnte man dagegen tun?
Zuerst müssen mehr Menschen verstehen, wie das Weiterreichen von
Falschmeldungen funktioniert, um zu erkennen, ob etwas manipulativ
dargestellt sein könnte. Da kann man in der Schule ansetzen. Aber auf
Facebook haben wir inzwischen eine andere Altersgruppe. Und einem
fünfzigjährigen Mann, der in seiner Meinung gefestigt ist, beizubringen,
dass er noch was zu lernen hat, ist schwierig. Eine Lösung könnten
Unterhaltungsprogramme sein. Wir haben eine Sendung mitentwickelt, in der
ein Promiteam rät, ob Meldungen wahr oder ein Fake sind. Danach erklärt ein
Experte, was es damit auf sich hat. Das schafft Awareness.
12 Nov 2020
## AUTOREN
Lena Wrba
## TAGS
Desinformation
Soziale Medien
Schwerpunkt Meta
Verschwörungsmythen und Corona
Kolumne Habibitus
Kolumne Flimmern und Rauschen
Fremd und befremdlich
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Meta
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