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# taz.de -- „Querdenken“-Demos mit Nazi-Symbolik: Das Angesicht der Dummheit
> Es ist leicht, Donald Trump auszulachen. Doch auch bei uns lässt der
> Schrecken der Vergangenheit nach und die Vernunft verliert an Boden.
Bild: Verdenken sich leider manchmal: Bodo Schiffmann und andere Querdenker bei…
Ok, wir haben keinen Donald Trump, [1][Angela Merkel scheint eine recht
vernünftige Frau, im Vergleich]. Wir sind nicht wie Amerikaner, wir sind
vernünftige Menschen, im Vergleich. Und dieses ganze Vergleichen macht,
dass wir uns besser fühlen. Unsere Welt ist vernünftiger und deshalb
sicherer. Unsere Welt ist eine Welt, in der wir Donald Trump auslachen,
fast schon einhellig, gemeinsam, von ein paar Verirrten mal abgesehen.
Denn das Verstörendste an Donald Trump ist gar nicht seine Politik, die man
fast schon gewöhnt ist, von den USA, [2][das Verstörendste ist sein
irrationales Verhalten.] Seine kindlich schlichten, sich widersprechenden
Sätze, die Dummheit ist das Verstörende, die triumphierende Infantilität.
Und vor so etwas, glauben wir, sind wir gefeit.
Aber auch die Deutschen haben einst einem größenwahnsinnigen Narzissten zur
Macht verholfen. Und derzeit [3][wird dem Irrationalen auch wieder gut Raum
gegeben und der Vernunft der Boden entrissen]. Nehmen wir an: Eine Pandemie
bedroht die Menschheit, es werden Maßnahmen ergriffen. Kulturelle Orte
werden geschlossen, Menschen dürfen sich nur noch in Gruppen weniger als
zehn treffen. Und dann wird ein Treffen von 16.000 Gegnern dieser Maßnahme
gestattet. Ist das logisch? Ist das vernünftig? Kann man das verstehen?
In Braunschweig wollten sich am 9. November um 18.18 Uhr unter dem Motto
„Geschichte wiederholen“ [4][Freunde von Querdenken 53 zum Demonstrieren
treffen.] Na, denk doch mal einer quer! Gegen die geraden Gedanken. Kann
doch leicht passieren, dass man sich bei dieser schwierigen Querdenkerei
ein bisschen verdenkt. Sage ich mal, weil ich keinem was Böses unterstellen
will.
Aber Ver.di hat dann den Querdenkern doch was Böses unterstellt. Und zack –
wird die Veranstaltung abgesagt. Und warum, wegen eines Irrtums, eines
Missverständnisses? An was dachte Querdenken wohl bei ihrem
Veranstaltungsmotto? An den Tag der Grenzöffnung, 1989? Aber wie soll die
Wiederholung dieser Geschichte aussehen, welche Grenzen soll man jetzt
öffnen? Oder geht es eher darum, eine Regierung zu stürzen?
Ich selbst bin auch oft mit der Regierung nicht einverstanden, aber ich
erkenne an, dass sie gewählt wurde. Nicht durch mich, aber durch die
Mehrheit der Deutschen. Querdenken 53 sind Demokraten, sagen sie über sich,
auf ihrer Website, dieses Demokratensein bedeutet ihnen was. Und Demokraten
erkennen eine demokratisch gewählte Regierung an.
Was sollte also das Motto dieser Veranstaltung bedeuten? Welche Geschichte
soll hier wiederholt werden? Darauf gibt es im Statement zur Absage der
Veranstaltung auf der Website keinen Hinweis, nur die kryptische Aussage,
dass Datum und Uhrzeit „unglücklich gewählt“ seien, was allerdings nur aus
„Gründen der Einprägsamkeit“ geschehen sei. Dass die Zahl ‚18‘ ein
Zahlencode ist, für den Buchstaben ‚A‘ und ‚H‘, wie Adolf Hitler, das
müssen die Leute einfach nicht gewusst haben.
Sie wissen sonst eine ganze Menge, mehr als wir anderen Menschen, die noch
nicht „aufgewacht“ sind und uns weiterhin von der Regierung und den Medien
verblöden lassen, aber dass die Zahl ‚18‘ in der rechtsextremen Szene eine
gewisse Bedeutung hat, das konnten sie sich einfach nicht denken, das haben
sie auch noch nie irgendwo gehört. Es ist ihnen auch nicht in den
Querdenker-Sinn gekommen, dass manch eine/r das Motto „Geschichte
wiederholen“ am Jahrestag der Reichspogromnacht in den falschen Hals
bekommen könnte.
Und dann lese ich wieder ein paar Leserkommentare, und dann weiß ich, wir
Deutschen sind kaum weniger verstrahlt als die Amerikaner, nicht klüger,
nicht moralischer, nicht rationaler in unseren Urteilen. Wir sind
vielleicht (noch) ein wenig mehr verschreckt, von den noch gar nicht so
lange zurückliegenden zwei Weltkriegen und anderen grausamen Verbrechen,
die unsere Vorfahren verursacht haben, aber langsam erhebt es sich wieder,
das Angesicht der Dummheit, der Wissenschaftsfeindlichkeit, der Verblendung
und des narzisstischen Glaubens an die eigene, unfehlbare Überlegenheit.
Ich habe wenig Illusionen.
12 Nov 2020
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## AUTOREN
Katrin Seddig
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