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# taz.de -- Bin ich schon Corona-positiv?: Zwischen Angst und Sehnsucht
> Vielerorts ist eine Sehnsucht nach einem positiven Test zu beobachten:
> Ist es Fomo oder hält man andauernde Infizierungsangst einfach nicht mehr
> aus?
Bild: Wieder nur ein Strich: Ist da Erleichterung oder Enttäschung?
Kürzlich hörte ich, wie sich Kolleginnen darüber unterhielten, dass ihre
Coronatests ständig negativ ausfallen. Bei manchen dockt das Virus einfach
nicht an, sagte die eine. Die andere verstand nicht: Warum infizieren sich
alle um sie herum mit Corona, nur sie bleibt verschont?
Ich glaube in ihren Aussagen eine Sehnsucht vernommen zu haben. Danach,
endlich auch mal ein positives Ergebnis zu haben. Dazuzugehören. Mitreden
zu können. Über Symptome („Fieber hatte ich nur am ersten Tag, danach
bisschen Schnupfen“), Langeweile in der Quarantäne („Am vierten Tag habe
ich zum ersten Mal meine Tastatur sauber gemacht, kommt man sonst nie
dazu“) und heimliche Regelbrüche („Habe beim Müllrausbringen noch ne Runde
um den Block drangehangen“).
Omikron ist zu einer mystischen Figur geworden. Denn obwohl es hieß, dass
sich die [1][Hälfte Europas bald mit dieser Virusvariante angesteckt haben
wird], ist nichts mehr sicher. Menschen, die berichten, eigentlich nur im
Homeoffice gearbeitet zu haben, stecken sich plötzlich an. Und andere, die
leben, als gebe es kein Corona, umgeht das Virus.
Was früher cool war (gesund sein), ist heute so was von letzte Welle. FOMO,
also die Angst, etwas zu verpassen, gilt jetzt auch für das Virus.
Routiniert wünscht man fast täglich neu Infizierten gute Besserung. Und
schaut sich den [2][eigenen Schnelltest] jedes Mal ganz genau an. Zeichnet
sich da nicht doch ein zweiter Strich ab? Bitte, bitte? Ich weiß nicht, ob
das schon der nächste Schritt nach Fatalismus ist. Quasi die übersteigerte
Form der Omikron-Sehnsucht gesunder und geimpfter Menschen.
## Fatalismus in Russland
Silvester sollte ich eigentlich mit meiner Mutter und meinem Bruder in
Russland verbringen, bei der Verwandtschaft. Dann kam alles ganz anders,
wir mussten frühzeitig abreisen. Ein Verwandter, der versicherte, geimpft
zu sein, war es am Ende gar nicht, sondern nur auf dem Papier, zwinker
zwinker.
Für die Frage, wie man sein eigenes und das Leben anderer so verachten
könne, wurde ich ausgelacht. Ich fand’s gar nicht lustig. Nach drei Tagen,
die wir auf engstem Raum (Einzimmerwohnung) verbracht und in Cafés gesessen
hatten, in denen Masken, wenn überhaupt, unterm Kinn getragen wurden, und
zu fünft in einem kleinen Honda durch lebensfeindliche minus zwanzig Grad
gebrettert waren, hatte der Verwandte Symptome. Dieses riesige Russland
schien mir beim Gedanken, mich möglicherweise infiziert zu haben und zwei
Wochen lang in einer Wohnung mitten im russischen Nirwana verbringen zu
müssen, schlagartig sehr klein und eng.
Am nächsten Morgen, im Taxi auf dem Weg zum Flughafen, regte sich unser
Fahrer fürchterlich über seine Mitbürger:innen auf. Sie denken, wenn
sie krank sind, müssen sie Wodka trinken und in die Banja, also Sauna,
gehen, und wundern sich, wenn sie danach umkippen, sagte er. Er war der
erste halbwegs vernünftige Mensch, den ich bei meinem Besuch getroffen
hatte. Wie viel Fatalismus verträgt ein Land, dachte ich. Und wie viel
Dummheit. Ich war jedenfalls erleichtert, als ich diese
selbstzerstörerische Umgebung wieder verlassen hatte.
## Was steckt hinter der Sehnsucht?
Wenn ich Wochen nach meinem Russlandaufenthalt höre, dass sich Menschen
nach einer Corona-Infektion sehnen, kriege ich Gänsehaut. Mir ist bewusst,
dass Omikron für die meisten Geimpften harmlos ist, aushaltbar. Aber mich
beschäftigt, welche Motivation hinter dieser Sehnsucht steckt. Hält man die
andauernde Möglichkeit, sich zu infizieren, einfach nicht mehr aus? Oder
ist es doch so banal menschlich: Man will halt dazugehören.
Zurück in Deutschland hatte ich mich isoliert und jeden Tag panisch
getestet. Angesteckt habe ich mich am Ende bei meinem Verwandten nicht. Und
vielleicht war ich nach jedem negativen Schnelltest auch ein bisschen
enttäuscht.
5 Feb 2022
## LINKS
[1] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5827187
[2] /Zuverlaessigkeit-von-Coronatests/!5828593
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
Kolumne Grauzone
Schwerpunkt Coronavirus
Impfung
GNS
Robert Koch-Institut
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