# taz.de -- Regisseur über Film „Schattenstunde“: „Auch die Zusehenden e… | |
> Benjamin Martins erzählt in seinem Film die wahre Geschichte einer | |
> Familie, die sich 1942 durch Suizid der Deportation in ein KZ entzog. | |
Bild: Will lieber sterben als seine Familie ins KZ gehen zu sehen: Christoph Ka… | |
taz: Herr Martins, was hat sie [1][an der Geschichte von Jochen Klepper] | |
fasziniert – und wie sind Sie damit zuerst in Berührung gekommen? | |
Benjamin Martins: Gehört habe ich das erste Mal von Jochen Klepper 2009 in | |
einem Gottesdienst. Der Pfarrer hat ihn eigentlich nur in einem Nebensatz | |
erwähnt und sein Schicksal nur kurz angesprochen. | |
Klepper war protestantischer Theologe, Journalist, Schriftsteller und | |
Kirchenlieddichter in Berlin. Ende 1942 drohte die Deportation seiner Frau | |
und seiner Stieftochter – sie waren Jüdinnen. In der Nacht zum 11. Dezember | |
nahmen sich alle drei gemeinsam das Leben. | |
Ich bin nach Hause gegangen und habe angefangen, Biografien zu lesen, und | |
mir seine Tagebücher besorgt. Mir wurde schnell klar, dass ich diese | |
Geschichte erzählen will. | |
Ihr Film „Schattenstunde“ arbeitet mit kammerspielähnlichen Sequenzen und | |
ist im ungewöhnlichen Format 1:1 gedreht, das Bild ist also quadratisch. | |
Warum das beides? | |
Der größte Teil spielt in der Wohnung der Familie Klepper, und da steckt | |
ganz viel Symbolik drin: Dieser quadratische Raum, passend zum | |
quadratischen Bild, diesem Eingeschränkt-Sein. Die Wände gehen im Laufe des | |
Films zusammen, die Decke kommt runter, um die zunehmende Einengung zu | |
zeigen. Im Raum verschwindet auch die Einrichtung: Alles, was zum letzten | |
Mal gebraucht wurde, ist danach weg, bis am Ende des Films nichts mehr da | |
ist – außer dem Gasofen und dem Bild von Jesus darüber. | |
Die Familie starb durch Schlaftabletten und Gas. | |
Es ging darum zu überlegen, wie die Wohnung ein Symbol für das Leben der | |
Familie Klepper sein kann. Dann hatte ich überlegt, wie man die Enge, | |
welche die jüdische Gemeinschaft um die Zeit 1942 erlebt hat, an das | |
Publikum weitergeben kann. Also über das Filmschauen hinaus: Wie kann ich | |
ein Gefühl erzeugen? Und da erschien es mir am sinnvollsten, auch die | |
Zuschauenden einzuengen. | |
Das Thema Suizid ist gesellschaftlich stark tabuisiert. War es leicht, ihn | |
darzustellen? | |
Die Thematik ist sehr schwer, für die Schauspieler:innen, aber auch für das | |
Publikum. Ich denke, es ist einerseits ein Film über den | |
Nationalsozialismus, über eine Familie, die wir dabei begleiten, wie sie | |
sich das Leben nimmt. Trotzdem ist es auch eine Geschichte über Liebe und | |
Fantasie: Jochen Klepper war ein wahnsinnig kreativer Mensch. Und diese | |
innere, kreative Welt öffnen wir in dem Film. | |
Wie das? | |
Es gibt singende Bilder, die im Raum sind, das Radio führt ein Eigenleben, | |
es gibt Marionetten, die Kleppers Verhalten kommentieren. Deshalb hat der | |
Film, wie das Leben letztlich auch, eine ganz schwere Seite – und trotzdem | |
was Schönes und Tröstliches, das man sich anschauen kann.. | |
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber. Sie können sich rund | |
um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden: ☎ 0800-11 10-111/ -222; | |
[2][www.telefonseelsorge.de] | |
29 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Lea Terlau | |
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