# taz.de -- Frank Zander wird 80 Jahre alt: Großmaul mit Herz | |
> Zander ist ein Mann, wie ihn die Ur-Berliner lieben. Jenseits | |
> zweifelhafter Sangesqualitäten hat er viel für die Obdachlosen der Stadt | |
> getan. | |
Bild: Immer auf der Bühne, aber nicht nur das: Frank Zander | |
BERLIN taz | Schwer zu sagen, wie man diesen Mann erklären soll, ohne ins | |
Abfällige zu geraten. Denn [1][Frank Zander] verdient jede Menge Respekt, | |
auch wenn seine Art von Humor und Entertainment nicht nach | |
bildungsbürgerlicher Anschlussfähigkeit riecht. Also: Der am Neuköllner | |
Karl-Marx-Platz mehr karg als situiert aufgewachsene Berliner trieb sich | |
gern auf der Straße herum, war ein Großmaul, aber eines mit Herz, machte in | |
den siebziger Jahren Karriere mit drakonischem Humor, die „Plattenküche“ | |
war ein grotesk grobkomisches Panoptikum aus antisubtil gesetzten Gags und | |
Albernheiten krassester Art. | |
Er hat mit seiner kratzigen Stimme Pop produziert, nie feinmaschig gewirkt, | |
immer irgendwie Tonspuren mit sprücheklopferischem Potenzial – wie der | |
Berliner eben so im Durchschnitt ist: Nötigenfalls lieber nie als selten | |
unverschüchtert, angeberisch, irgendwie auch schüchtern, aber das mit | |
lautstarker Beherztheit. Und, klar, nie auf den Mund gefallen. | |
Zander ist wahrlich kein Soziopath und stellt in jeder Eckkneipe binnen | |
weniger Minuten eine ganze Batterie neuer Lebensfreunde her. Er ist | |
notorischer Fan von [2][Hertha BSC], versteht es, aus jedem privaten | |
Lebensereignis (Mietprobleme, familiäre und gesundheitliche | |
Schwierigkeiten) jede Menge Schlagzeilenstoff zu machen, hat aber eine | |
politisch-kulturelle Leistung vollbracht, die nicht aus jeder Metropole | |
überliefert ist: In Berlin sind Obdachlose und Bettler*innen | |
vergleichsweise stärker gelitten als anderswo. Die Atmosphäre in der Stadt, | |
zu geben, nicht nur genervt zu sein, manchmal auch winters Wohnungslose im | |
eigenen Hausflur übernachten zu lassen, ist auch diesem Deutschpopmacher zu | |
verdanken. | |
## Gänsebraten für die Wohnungslosen | |
Jahr für Jahr lädt er in die nicht besonders schöne Hotelburg Estrel nach | |
Neukölln – zur [3][Weihnachtsfeier] für und mit Treber*innen, Bedürftigen | |
und Gestrandeten. Zander vermag in Berlin zu mobilisieren, eine | |
Weltberühmtheit in der Stadt, die mit dieser karitativen Aktion wesentlich | |
dazu beiträgt, das Problem der prinzipiellen Verlorenheit in der Metropole, | |
eben Obdachlosigkeit, freundlich und mitreißend zugleich zu beantworten. | |
Dass es bei diesen Festen nicht nur Schmalzstullen gibt, sondern | |
Festliches, Gänsebraten, Rotkohl, Knödel und jede Menge Soße zum Beispiel, | |
versteht sich bei ihm von allein. | |
In jüngerer Zeit musste er mehr denn je seine Versehrtheit anerkennen, | |
öffentlich berichtete er, an Prostatakrebs erkrankt zu sein, mit bislang | |
gutem Verlauf. Er hat immer noch genug Energie, um das Leben, das er, so | |
sagte er mal, „nie satt haben“ werde, weiterhin in seiner Weise | |
aufzumischen. Heute kann er seinen 80. Geburtstag feiern, natürlich in der | |
einzigen Stadt, die überhaupt zählt, Berlin nämlich. Dass sein Herz am | |
chronisch erbarmungswürdigen Fußballverein Hertha BSC hängt, dankt ihm das | |
klassische, eingeborene, nicht kulturszenige Berlin sowieso – und | |
gratuliert ihm von Herzen: einem Sohn der weniger wohlgelittenen Kieze, in | |
dem sich gar nicht so wenige wiedererkennen möchten. | |
4 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://frank-zander.de/ | |
[2] https://www.herthabsc.com/de | |
[3] /Obdachlose-feiern/!5129926 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
## TAGS | |
Musik | |
Berlin-Neukölln | |
Obdachlosigkeit | |
Stadtland | |
Obdachlosigkeit | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Currywurst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bildungspolitiker über Berlin-Neukölln: „Da können wir Beispiel sein“ | |
In Neukölln wird die pluralistische Gesellschaft ausgehandelt und mit | |
vorangebracht, sagt der Neuköllner Bildungspolitiker Marcel Hopp. | |
Zwangsräumung verhindern!: Solidarität mit Frank Zander | |
Nach seinem jahrzehntelangen Einsatz für Obdachlose wird der Sänger nun | |
selbst aus der Mietwohnung geworfen, in der er seit 54 Jahren wohnt. | |
Frank Zander über Hertha und Schlager: „Hymnen kann man nicht verordnen“ | |
Frank Zander nennt sich selbst Berliner Urgestein. Der Sänger und seine | |
Beziehung zu Kiezkneipen, Gänsebraten und der Hertha-Hymne „Nur nach | |
Hause“. | |
Frank Zander eröffnet Bude in Berlin: Ein Populist in Sachen Currywurst | |
Der Sänger Frank Zander ist nicht nur Spaßmacher und Sprücheklopfer. Jetzt | |
eröffnet er eine Currywurstbude in Berlin-Reinickendorf. |