# taz.de -- Obdachlose feiern: Gib ihnen Zander! | |
> 3.000 Gänsekeulen, serviert von B-Promis, dazu Volksmusik für Punks: Zum | |
> 16. Mal veranstaltete Frank Zander in einem Hotel sein Essen für Berlins | |
> Arme. | |
Bild: Er serviert (aber keinen ab): Frank Zander | |
"Fröhliche Weihnacht überall", schallt es durch den Saal. Wer sich am | |
Dienstagnachmittag durch die 50 Meter lange Schlange vor dem Neuköllner | |
Hotel Estrel gekämpft hat, wird mit Frank Zanders Reibeisenstimme, | |
unterlegt mit leichtem Beat, belohnt. Dazu Festbeleuchtung und 250 gedeckte | |
Tische, dazu Kekse und Cola. "Das ist ein Familienfest hier", sagt der | |
Organisator persönlich. Frank Zander - Schnurrbart, seliges Grinsen - | |
versucht, eingekreist von Kameras und Mikros, eine ausladende Armbewegung. | |
Sie gelingt ihm. | |
Zum 16. Mal hat der Entertainer die Armen der Stadt zum Gänseessen | |
eingeladen, rund 3.000 sind gekommen: Familien mit Kindern, Punks, Rentner | |
mit Plastiktüten, Männer in abgetragenen Jacken. Alljährlich organisiert | |
Zander Berlins wohl bekannteste Weihnachtsveranstaltung für Bedürftige. | |
Finanziert wird sie durch Sponsoren, gestemmt durch ehrenamtliche | |
HelferInnen. Darunter auch Prominente, die in diesem Jahr 3.000 Gänsekeulen | |
samt Knödel und Rotkohl servieren sollen. | |
Ab halb vier strömen die Hungrigen. Ein paar hundert Mitglieder der | |
"Familie", die Zander geladen hat, sitzen schon an den Tischen. Was ist mit | |
den Leuten, die noch in der Kälte stehen? "Ich kenn doch die Fragen, ob ich | |
mich hier nur profilieren will", sagt der Organisator gewohnt lässig. "Aber | |
so eine Veranstaltung sollen die anderen erst mal machen." Wer die anderen | |
sind, lässt er offen. Dann prahlt er in die nächste Kamera: "Ein bisschen | |
was von Robin Hood ist schon in mir." | |
Mit ihm widmen sich Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, zahlreiche | |
Soap-Sternchen und Boxlegende Axel Schulz der guten Sache. Sie tragen emsig | |
Teller durch den Saal, lassen sich gern fotografieren, die Autogrammkarte | |
griffbereit. "Ist doch toll, dass mal jemand so was macht", sagen Hähnchen | |
und Tonne, zwei junge Punkerinnen. Am Nebentisch stopft ein Mann Gänsekeule | |
und Knödel in seine Ledertasche - unverpackt. | |
Um 17 Uhr sind fast alle Gänsekeulen gegessen, das Bühnenprogramm mit | |
TV-Moderator Wolfgang Lippert und seiner Darbietung von "Regine, Regine, du | |
gibst mehr Geld aus, als ich verdiene" läuft auf vollen Touren. "Das ist | |
das achte Weltwunder", meint Boris; er wohnt in einem Seniorenwohnheim. | |
"Wenn ich im Lotto gewinnen würde, ich würde diese Feier viermal im Jahr | |
machen", sagt er mit russischem Akzent. | |
40.000 Euro brauchte er dafür - so viel hat der Gänsebratenspaß laut Sohn | |
und Koorganisator Marcus Zander dieses Jahr gekostet. Für viele Bedürftige | |
ein jährlicher fester Termin - auch um zu sehen, "wo man mal hergekommen | |
ist", sagt Bernhard. Er ist trockener Alkoholiker, eigentlich ginge er | |
lieber nach Hause, die Atmosphäre ist nicht so sein Ding, "zu viel | |
Alkohol". Trotzdem ist er zum zweiten Mal hier. Der 58-Jährige wartet auf | |
Nina Hagen und erträgt dafür das MDR-Fernsehballett. "Da ist Nina", sagt er | |
mitten im Gespräch. | |
"Hallo, meine lieben Berliner Geschwister", begrüßt die Sängerin die Meute. | |
Zwei, drei Lieder spielt sie. Und verkündet zum Abschied: "Im nächsten Jahr | |
kaufen wir irgendwo so ein Stück Land zum Wohnen. Mit Gottes Segen schaffen | |
wird das." Ein alter Mann vor der Bühne schubst die Leute weg, die ihm und | |
seiner Mundharmonika im Weg sind: "Geh weg, du Arschloch." | |
Doch das dicke Ende folgt erst noch: "Herzilein, du musst nicht traurig | |
sein", schallt es durch den Saal. Auf der Bühne stehen die Wildecker | |
Herzbuben, im Saal liegen sich Punks in den Armen. In der Mitte bildet sich | |
ein Kreis aus Menschen, an den Händen gefasst tanzen sie zum Takt des | |
Walzers. | |
Im Saal ist es verraucht, viele Gäste sind schon abgehauen, als gegen 18.30 | |
Uhr schließlich Frank Zander die Bühne betritt. In schwarzem Mantel, mit | |
weißem Schal, schwarzem Hut und weißen Handschuhen singt er: "Ich bin Kurt | |
der Coole. Alle feiern, alle eiern um mich rum." Bei der Zugabe legt Zander | |
Mantel und Hut ab, die Menge stimmt in den Refrain mit ein: "Spaß ist für | |
alle da." | |
22 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Carolin Küter | |
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