# taz.de -- Kämpferischer Black History Month: Der Monat der Held*innen | |
> Im Februar erinnern Schwarze Initiativen an das koloniale und | |
> rassistische Erbe. Ein Förderfonds für Projekte der afrodiasporischen | |
> Communitys startet. | |
Bild: Sie kannten sich: Audre Lorde (li.) und May Ayim auf dem Winterfeldtplatz… | |
BERLIN taz | Der Black History Month, der in den USA, Kanada und | |
Deutschland alljährlich im Februar begangen wird, kommt in diesem Jahr mit | |
einer kleinen Sensation daher: Es geht ein Fonds an den Start, der die | |
spezifische Förderung der politischen Bildungsarbeit Schwarzer, | |
afrikanischer und afrodiasporischer Communitys zum Ziel hat. | |
Die Informationsveranstaltung zum „May Ayim Fonds“ am 1. Februar bildet | |
deshalb auch den Auftakt des Programms zum Black History Month von [1][Each | |
One Teach One] – kurz Eoto. Der Berliner Verein hat dem Ganzen jedoch, wie | |
schon im vergangenen Jahr, einen eigenen Namen gegeben: „Black OurStory | |
Month“. | |
„Wir haben den Black History Month in Anlehnung an die [2][Black Student | |
Union] an der Universität Bremen in Black OurStory Month umbenannt, um | |
sprachlich – aber auch auf konzeptioneller Ebene – ein Zeichen zu setzen“, | |
sagt Feven Keleta von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Eoto. „Um | |
uns darauf zu konzentrieren, dass wir als Gemeinschaft jenseits des Hetero- | |
und Cis-Normativen feiern und all unsere Geschichten ehren wollen.“ | |
„Das Programm bei Eoto ist ähnlich umfassend wie vor Corona“, so Keleta, | |
„an fast jedem Tag im Februar gibt es eine Veranstaltung. Nur findet das | |
meiste eben digital statt.“ [3][Die Bandbreite ist groß]: Neben | |
unterschiedlichen Workshops finden Lesungen für Kinder, Filmnächte und | |
Kleidertauschpartys statt, Yoga steht genauso auf dem Programm wie | |
politische oder finanzielle Bildung. Es wird „Streiträume“ geben, in denen | |
es zum Beispiel um Themen wie Anti-Schwarzen Rassismus und Antisemitismus – | |
oder Panels zu „Queer Spaces of Empowerment“ geht. | |
## Start für May-Ayim-Fonds | |
Pünktlich zu Beginn des Black OurStory Months des Vereins Eoto geht [4][am | |
1. Februar der May-Ayim-Fonds] mit einer Infoveranstaltung an den Start. | |
Mit diesem Fonds wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein | |
Fördertopf zur spezifischen Förderung der politischen Bildungsarbeit | |
Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Communitys installiert. | |
„Es braucht eine dezentrale Förderung, spezifisch auf Schwarzes Empowerment | |
fokussiert, die Schwarze Menschen als Schwarze Menschen fördert, nicht nur | |
als Menschen mit Migrationshintergrund“, erklärt Jeff Kwasi Klein vom | |
May-Ayim-Fonds den Ansatz. | |
„Es gibt innerhalb der Schwarzen Communitys schon lange die Idee, | |
Community-basierte Finanzierungsmöglichkeiten unabhängig von staatlichen | |
Geldern auf die Beine zu stellen. Weil die Förderlogik, wie sie derzeit | |
besteht, oft dazu führt, dass Schwarze Menschen kaum Zugang zu | |
Fördergeldern haben. Das ist vor allem schwer für Initiativen Schwarzer | |
Menschen, die sich in Gruppen organisieren, die keine eingetragenen Vereine | |
sind. Sie kommen in informellen Kreisen, in Kollektiven, in Kirchen oder | |
Moscheen, zusammen.“ | |
Mit dem May-Ayim-Fonds kann nun eine ideelle und finanzielle Unterstützung | |
von selbstorganisierten Schwarzen Aktivist*innen, Initiativen und | |
Organisationen in Deutschland erfolgen. Staatlich gefördert, „aber eben mit | |
einer anderen Förderlogik“, wie es Klein formuliert: Die Bundeszentrale für | |
politische Bildung und auch die Allianz Kulturstiftung finanzieren den | |
Fonds. „Der Fördertopf umfasst 50.000 Euro. Mindestens zehn Projekte sollen | |
diese Förderung erhalten“, sagt Klein. | |
Während der Laufzeit können deutschlandweit Projekte durch eine | |
Mikrofinanzierung von bis zu 5.000 Euro finanziert und durch | |
bedarfsgerechte Angebote begleitet werden – zum Beispiel durch | |
Konzeptarbeit, Vernetzung mit Expert*innen oder weitergehender | |
Fördermittelakquise –, auch um im Anschluss eine weitere Finanzierung zu | |
erhalten. | |
## „Großes Erbe hinterlassen“ | |
[5][Die Namensgeberin May Ayim] (1960–96) war Dichterin, Autorin, | |
Vordenkerin und Aktivistin, „die ein großes Erbe hinterlassen hat“, erklä… | |
Klein. „Weil es ihr gelungen ist, Lebenserfahrungen von Schwarzen Menschen | |
in Deutschland zu verwortlichen und damit greifbar zu machen. Ihr ist es | |
gelungen, aufzuzeigen, dass Schwarzsein und Deutschsein keine Gegensätze | |
sind. Für uns steht ihre Person für den Widerstand gegen strukturellen | |
Rassismus und war deshalb für diesen Fonds die beste Namensgeberin.“ Eine | |
treffende Wahl. | |
Alle anderen Organisationen und Institutionen, die global und lokal | |
Veranstaltungen beisteuern, haben den Namen Black History Month – wie | |
weltweit auch – beibehalten. Selbst die [6][Botschaft der USA in Berlin | |
macht auf fünf ihrer Veranstaltungen] aufmerksam. Zum Auftakt am 3. Februar | |
gibt es eine virtuelle Veranstaltung, in deren Mittelpunkt Audre Lorde | |
(1934–92) und ihre Berliner Jahre stehen. Es gibt einen Dokumentarfilm über | |
die Schriftstellerin und Aktivistin, die sich selbst als black, lesbian, | |
feminist, mother, poet, warrior – also Schwarze, Lesbe, Feministin, Mutter, | |
Dichterin, Kriegerin – bezeichnete. | |
Zwischen 1984 und 1992 hatte sich Lorde öfter in Berlin aufgehalten, war | |
zeitweise auch Gastprofessorin an der FU Berlin – und half maßgeblich bei | |
der Entstehung der afrodeutschen Bewegung mit. Die Berlin-Aufenthalte | |
wurden im Dokumentarfilm „Audre Lorde – The Berlin Years, 1984–1992“ | |
festgehalten; der Film ist bereits 2012 erschienen. Im moderierten Gespräch | |
treffen die beiden Filmemacherinnen Dagmar Schultz und Ika Hügel-Marshall | |
auf Tahir Della von der [7][Initiative Schwarze Menschen in Deutschland | |
Bund e. V.] | |
Auch das Theater an der Parkaue beteiligt sich am 3. Februar mit einer | |
[8][musikalischen Erzählung] am diesjährigen Black History Month. In einer | |
Collage erzählt der tansanische Aktivist Mnyaka Sururu Mboro gemeinsam mit | |
dem Quartett Sauti é Haala aus seinem Leben und seiner Kindheit in der | |
britischen Kolonialzeit. | |
## Eine Kämpferinnennatur | |
Ein großes Talent zum Geschichte(n)erzählen hat auch Michaela Dudley, | |
taz-Leser:innen werden sie aufgrund ihrer [9][Kolumne „Frau ohne | |
Menstrationshintergrund“] gut kennen. Nun hat die Berlinerin mit | |
afroamerikanischen Wurzeln ihr neues Buch im Grünersinn-Verlag vorgelegt. | |
[10][„][11][Race Relations: Essays über Rassismus“] ist ein wortgewaltiger, | |
scharfzüngiger wie kluger Essayband, der ihre persönlichen Erlebnisse aus | |
vergangenen Jahrzehnten mit historischen Ereignissen verknüpft. Angesichts | |
des Black History Month könnte das Buch nicht besser platziert sein. Lautet | |
Dudleys Leitsatz doch: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Wort an, die | |
Emanzipierung aber auch“. | |
Was bedeutet ihr der Black History Month persönlich? „Eine Zeit für | |
Empörung und Empowerment“, antwortet Michaela Dudley. „Es geht ja darum, | |
unsere Held:innen zu feiern, deren Leidenswege bekannt zu machen und | |
deren Leidenschaft darzustellen. Dabei ist es für mich unerlässlich, die | |
Biografien der Protagonist:innen und der Antagonist:innen im | |
geschichtlichen Kontext zu präsentieren.“ | |
Mit ihrem Buch stellt sie detailbesessen das „historische Ambiente“ mit in | |
den Vordergrund, damit man „das Leiden und die Leidenschaft“ besser | |
versteht. Es geht um mehr, „als Grabsteininschriften zu lesen. Man muss die | |
Vergangenheit spürbar, ja erlebbar machen“, meint Dudley. „Erst dann | |
begreift man wirklich, welchen Mut diese Menschen gebraucht haben. Wir | |
wollen nicht lediglich als Opfer angesehen werden. Unsere Tapferkeit und | |
unser Tatendrang verdienen Anerkennung.“ | |
Aber so ein Monat rund um Black History, ist das nicht viel zu wenig? „Wohl | |
wahr“, sagt Michaela Dudley, „mit diesem Monat gibt es immerhin einen | |
Anstoß. Aber die Würdigung Schwarzer Leben muss auch nach dem 28. Februar | |
stattfinden.“ | |
Feven Keleta sieht das ähnlich. Für sie ist der Black History Month etwas | |
ganz Besonderes. „Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und hatte | |
gar keinen Zugang zu der Geschichten von Schwarzen Menschen, weder in der | |
Schule noch sonstwo. Der Black History Month ist eine Möglichkeit, viele | |
Leute abzuholen, communityintern Menschen weiterzubilden, voneinander zu | |
lernen. Aber am Ende bräuchten wir eigentlich ein Black History Year.“ | |
31 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.eoto-archiv.de/ueber-uns/#verein | |
[2] https://www.instagram.com/black_student_union_bremen/ | |
[3] https://www.eoto-archiv.de/neuigkeiten/black-ourstory-month-2022/ | |
[4] https://www.eventbrite.com/e/auftakveranstaltung-des-may-ayim-fonds-tickets… | |
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/May_Ayim | |
[6] https://de.usembassy.gov/black-history-month-programs/ | |
[7] https://isdonline.de/ | |
[8] https://www.parkaue.de/spielplan/spielplan/2022-02/black-history-month-eine… | |
[9] /Ausweg-aus-der-Corona-Matrix/!5824930 | |
[10] http://www.audrelorde-theberlinyears.com/ | |
[11] https://veganverlag.de/produkt/race-relations-essays-rassismus/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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