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# taz.de -- Jahresauftakt der Linkspartei: „Haltung einnehmen und handeln“
> Beim Jahresauftakt der Linkspartei ruft ihr Präsidentschaftskandidat
> Gerhard Trabert zum Widerstand gegen ungerechte und unsoziale Politik
> auf.
Bild: Bundespräsidentschaftskandidat Trabert: „Wir müssen in Solidarität m…
Berlin taz | Der politische Jahresauftakt der Linkspartei beginnt erst
einmal mit einer Panne, wie bezeichnend. Aus Mainz zugeschaltet, hat
Gerhard Trabert zwar einiges zu sagen, doch zu hören ist der 65-jährige
Sozialmediziner die erste halbe Minute nicht. Aber immerhin ist dann das
Malheur behoben. Wenn sich die vielen anderen Probleme der Linkspartei nur
auch so schnell und einfach lösen ließen.
Die Nominierung des parteilosen Trabert als Kandidaten für das Amt des
Bundespräsidenten vor einer Woche war eine Entscheidung, die der zerzausten
Partei [1][kaum mehr zuzutrauen war]. Als „Botschafter unserer Vision der
unteilbaren Solidarität“ präsentiert ihn am Samstag Linken-Vorständlerin
Melanie Wery-Sims, die gemeinsam mit Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler
die coronabedingt rein digitale Veranstaltung aus dem Karl-Liebknecht-Haus
moderiert.
Soziale Gerechtigkeit sei „die Bewährungsprobe einer jeden freiheitlichen
Demokratie“, sagt Trabert in seiner Rede. „Wir müssen hinschauen, wir
müssen Haltung einnehmen und wir müssen handeln“, fordert der Arzt, [2][der
seit Jahrzehnten in der Gesundheitsversorgung von Obdachlosen und
Geflüchteten arbeitet]. Er kandidiere „für die Menschen, die in unserer
Gesellschaft zu wenig gehört und gesehen werden“. Gegen ungerechte und
unsoziale Politik müsse „noch vehementer Widerstand“ geleistet werden. „…
wir müssen in Solidarität mit den Menschen handeln.“
Eindringlich ruft Trabert zu mehr Sprachsensibilität auf. Er appelliert,
„niemals von sozial schwachen Menschen zu reden“, wenn einkommensschwache,
sozial benachteiligte Menschen gemeint seien. Denn ihnen müsse mit Respekt
und Würde begegnet werden. „Sozial schwach“ sei nicht die alleinerziehende
Mutter, sondern „der Unternehmer, der unter Umgehung der Mindestlöhne in
Bangladesch seine Produkte produzieren lässt“.
## Scharfe Kritik an innerparteilichen Rechthaber:innen
Nachdem Trabert Argumente dafür geliefert hat, warum es einer
ausstrahlungskräftigen Partei links der Ampelkoalition bedarf, gibt die
[3][Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow] einen Einblick, warum es der
Linken genau an dieser Ausstrahlungskraft fehlt. Die Partei sei nicht erst
seit dem [4][Debakel bei der Bundestagswahl], bei der nur [5][dank dreier
Direktmandate] knapp der Wiedereinzug ins Parlament gelang, in einer tiefen
Krise. „Der Kern dieser Krise ist die Unfähigkeit, die vielfältigen
Blockaden und Formelkompromisse zu lösen, die eine pluralistische Partei
wie von selbst produziert“, sagt Hennig-Wellsow.
Erforderlich seien „mehr solidarische Selbstkritik und mehr Debatte“, wobei
„ehrlich, aber pfleglich“ miteinander umgegangen werden sollte. Genau daran
mangelt es allerdings. „Sprechen wir uns also zuallererst nicht gegenseitig
Moral und Würde ab“, fordert die 44-jährige Thüringerin. Scharf kritisiert
sie „diejenigen, die jetzt meinen, nur allein noch mehr von ihrem eigenen
Rechthaben bringt die Linke wieder nach vorne“.
Hennig-Wellsows eindringliche Warnung: „Eine Politik der verschränkten
Arme, eine Wir-wissen-es-Haltung mag uns noch selbst eine gewisse Zeit mehr
schlecht als recht ernähren, aber als Partei haben wir mit selbstgefälligen
Gewissheiten weder eine Zukunft noch strahlen wir damit eine Neugierde
aus.“
Wie schwer der Linkspartei solidarische Umgangsformen untereinander fallen,
zeigt der Parteiaustritt der früheren DDR-Wirtschaftsministerin und
[6][PDS-Bundestagsabgeordneten] Christa Luft. Es sorge bei ihr für „großen
Unmut“, dass nach dem „vollkommen missratenen“ Bundestagswahlkampf immer
noch nicht der „Anflug einer Analyse einschließlich Selbstkritik zur
Aufklärung der Ursachen des Scheiterns“ vorliege, schreibt die 84-Jährige
in ihrem mehrseitigen Austrittsschreiben. In der Partei gebe es „keine
Debattenkultur und keine Mitgliederpflege“, konstatiert Luft und beklagt
„unnötige, belastende, oft rechthaberische Auseinandersetzungen“.
Deutliche, bittere Worte.
„Wir können nicht weitermachen wie bisher“, sagt die Co-Vorsitzende Janine
Wissler am Samstag. „Wir brauchen eine Erneuerung unseres
Gründungskonsenses.“ Die Linke werde „gebraucht als moderne
Gerechtigkeitspartei“. Das jedoch ist zurzeit nichts weiter als ein hehrer
Anspruch, der wenig mit ihrem realen Zustand zu tun hat.
16 Jan 2022
## LINKS
[1] /Linker-Bundespraesidenten-Kandidat/!5825020
[2] /Bundespraesidenten-Kandidat-Trabert/!5825039
[3] /Linken-Chefin-ueber-Zukunft-der-Partei/!5824391
[4] /Linken-Absturz-bei-der-Bundestagswahl/!5800259
[5] /Linkspartei-in-der-Krise/!5805756
[6] /Archiv-Suche/!1277527/
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Janine Wissler
Susanne Hennig-Wellsow
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