# taz.de -- Theatertipps der Woche: Allein in einem Zimmer | |
> Emanzipationserzählungen und die Befreiung aus der eigenen Geschichte mit | |
> Theater Thikwa, Junges DT, Ballhaus Ost und Berliner Ensemble. | |
Bild: Szene aus „Extremities“, dem neuen Stück am Theater Thikwa | |
Jugendliche wachsen heute unter dem Perfektionsdruck auf, den die | |
Inszenierungen von perfekten Körpern und perfektem Leben auf Plattformen | |
wie Instagram erzeugen. Weil über das richtige Leben kein Filter gelegt | |
werden kann, der Unebenheiten und Fehler aufpoliert, sieht das eigene Leben | |
gegenüber den Bildern vom Leben der anderen oft unerträglich unscheinbar | |
und durchschnittlich aus. | |
Dagegen steht am [1][Theater Thikwa] die Tanzperformance „Extremities“ auf, | |
der Selbstbeschreibung zufolge eine „tänzerische Kampfansage gegen | |
Konformität und oberflächliche Ideale“ („Extremities“, 12. bis 15.1., | |
jeweils 20 Uhr). | |
„Miroloi“ hat die Schauspielerin, Dramatikerin und Drehbuchautorin Karen | |
Köhler 2019 ihr umstrittenes Romandebüt genannt. Darin geht es um eine | |
Frau, die als Findelkind in einer archaisch-patriarchisch strukturierten | |
und isolierten Gesellschaft aufwächst. Frauen dürfen keine Bildung | |
erwerben, besonders das Leben der namenlosen Protagonistin sieht ziemlich | |
düster aus. | |
Sie fängt an, dagegen anzusingen, das titelgebende Miroloi nämlich, das ein | |
Totenlied ist, in diesem Fall aber den Weg ins Leben und in die Freiheit | |
weist. Am [2][Jungen DT] hat sich die bekannte niederländische Kinder- und | |
Jugendtheatermacherin Lisbeth Coltof des Stoffs angenommen (Deutsches | |
Theater: „Miroloi“, Premiere 13.1., 19. Uhr). | |
## Befreiung aus der eigenen Geschichte | |
Auch „Die Geschichte einer Stunde“ ist eine Emanzipationsgeschichte, die am | |
13. Januar im [3][Ballhaus Ost] Premiere hat. Die Inszenierung beruht auf | |
der 1894 erschienen gleichnamigen Erzählung der amerikanischen | |
Schriftstellerin Kate Chopin, die in ihrer Literatur Moralvorstellungen in | |
Frage stellte, die sich repressiv auf Selbstbestimmungsmöglichkeiten von | |
Frauen auswirkten. | |
Im Ballhaus Ost tritt mit Marie Schleef, Jule Saworski und Anne Tismer ein | |
Trio an, dessen letzte Arbeit „Name her“ (an der auch Laura Andreß | |
mitgearbeitet hat) 2021 zum Theatertreffen eigeladen wurde („Die Geschichte | |
einer Stunde“, 13. bis 15. 1., jeweils 20 Uhr, 16.1. um 18 Uhr). | |
Ähnlich wie die Protagonistin in „Geschichte einer Stunde“, sitzt auch der | |
Protagonist von Max Frischs bekanntem Roman „Mein Name sei Gantenbein“ | |
alleine in einem Zimmer und denkt über seine Befreiung aus der eigenen | |
Geschichte nach. | |
Als veritables Startheater kommt der Stoff jetzt auf die Bühne des | |
[4][Berliner Ensembles], von Hausherr Oliver Reese inszeniert und zwar mit | |
keinem geringeren als Matthias Brandt, der nach 20 Jahren Film und | |
Fernsehen hier zum ersten Mal wieder Theater spielt, wie das BE stolz | |
mitteilt („Mein Name sei Gantenbein“, 2G plus Test oder Booster, Premiere | |
14.1., 19:30 Uhr). | |
11 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.thikwa.de/stuecke/extremities/ | |
[2] https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/miroloi/ | |
[3] https://www.ballhausost.de/produktionen/die-geschichte-einer-stunde/ | |
[4] https://www.berliner-ensemble.de/inszenierung/mein-name-sei-gantenbein | |
## AUTOREN | |
Esther Slevogt | |
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