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# taz.de -- Fehlstart der Bundestags-Sportpolitiker: Digital ist niemals besser
> Der Sportausschuss steht unter der Leitung des Ex-DDR-Biathleten Frank
> Ullrich. Der verpasst die Chance, wieder öffentliche Sitzungen
> anzuberaumen.
Bild: Vom Schießstand in den Plenarsaal: Ex-Trainer und Ex-Biathlet Frank Ullr…
Der [1][Sportausschuss des Bundestags] hat einen Balkon. Von oben schaut
man auf die Politiker herab. Alle Volksvertreter sieht man nicht, ein paar
sitzen unterhalb des ersten Rangs, und man müsste sich schon über die
Balustrade beugen, um ihrer angesichtig zu werden. Seit 2011 haben
Journalisten nur noch selten die Möglichkeit, auf dem Balkon im
Paul-Löbe-Haus zu sitzen: Der Sportausschuss tagt zumeist „nicht
öffentlich“. Die Parlamentarier bleiben unter sich.
Es waren die Fraktionen der damals regierenden CDU/CSU und der FDP, die aus
den bis dato zumeist öffentlichen Sitzungen des Sportausschusses
geschlossene Veranstaltungen gemacht haben. Journalisten hatten seinerzeit
darüber berichtet, wie Abgeordnete auf ihrem iPad herumspielten,
einschliefen oder mit fundiertem Nichtwissen auffielen. Dieser Blick in die
Herzkammer der Bundespolitik war CDU-Politikern, allen voran dem ehemaligen
Turner Eberhard Gienger, zu viel, sie pochten auf Einhaltung der
Geschäftsordnung des Bundestags, und in der steht unter Paragraf 69, dass
die Ausschüsse grundsätzlich nicht öffentlich tagen.
In dieser Woche ist der Sportausschuss zum ersten Mal zusammengekommen.
Vieles ist neu, so auch der [2][Vorsitzende. Es ist der ehemalige
DDR-Biathlet Frank Ullrich], der für die SPD die Leitung der Runde von
Parteifreundin Dagmar Freitag übernommen hat. Freitag, die nicht mehr im
Bundestag sitzt, war stets für eine Öffnung der Sitzungen, musste sich aber
der Koalitionsdisziplin beugen. Der taz sagte sie vor vier Jahren: „Ich
habe immer dafür geworben, dass der Sportausschuss mit der überwiegenden
Mehrzahl seiner Sitzungen öffentlich tagt.“
Alle sollten das Geschehen live verfolgen können. „Ich halte das für ein
Zeichen von Transparenz und Bürgernähe.“ Ähnlich argumentierten damals
Grüne, FDP, Linke und die AfD. Die Grünen und die AfD brachten in der
vergangenen Legislaturperiode sogar Anträge auf Änderung der
Geschäftsordnung ein – erfolglos. Aber wie wird es der Sportausschuss
künftig halten? Setzt die SPD, die ja nun mit den Liberalen und den Grünen
in Regierungsverantwortung ist, die Freitag’schen Ansichten um?
## „Einblick in den sportpolitischen Diskurs“
Vorerst leider nicht. Die Sitzungen bleiben für Journalisten geschlossen,
dabei hätte es die Chance zur Öffnung gegeben. André Hahn (Die Linke)
beantragte am Mittwoch eine Abstimmung über die Verfahrensrichtlinien, doch
eine Mehrheit für öffentliche Sitzungen fand sich nicht. Nur Hahn und die
Sportpolitiker der AfD stimmten dafür, alle anderen dagegen.
Hahn kündigt deswegen an: „Ich werde weiterhin für eine entsprechende
Änderung streiten. Die Koalition hat angekündigt, die Geschäftsordnung des
Bundestags inklusive der Regelungen für die Ausschüsse grundlegend
überarbeiten zu wollen. Ob und wann es dazu kommt, ist allerdings völlig
ungewiss.“ AfD-Politiker Jörn König findet, es könne „allen Sportlern und
vor allem den 27 Millionen DOSB-Mitgliedern nur guttun, wenn der
Sportausschuss öffentlich tagt“, so der 54-Jährige.
[3][Frank Ullrich, 63], lässt über einen Mitarbeiter mitteilen, dass er
zwar auf die Fragen der taz antworten werde, aber erst, nachdem diese
Zeitung selbige auch der sportpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion,
Sabine Poschmann, geschickt habe. Das Procedere wäre nicht nötig gewesen,
denn die Antworten sind nahezu identisch. Ullrich lässt verkünden, dass die
Regierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, daran arbeiten wolle, „die
Arbeit bestimmter Ausschüsse“ besser öffentlich zugänglich zu machen. Und
weiter: „Ich gehe davon aus, dass auch der Sportausschuss viele seiner
Themen öffentlich behandeln könnte. Schließlich gibt es in unserem Land
sehr viele Sportbegeisterte, die einen tieferen Einblick in den
sportpolitischen Diskurs durchaus interessant fänden. Gleiches gilt für die
Presse, die unseren Sitzungen dann selbstverständlich auch folgen dürfte.“
Tina Winklmann von den Grünen verspricht: „Wir setzen uns dafür ein, dass
dies jetzt schnellstmöglich geschieht und die Menschen wieder die
Möglichkeit haben, sich direkt ein Bild über aktuelle sportpolitische
Themen und Debatten zu machen.“ Die FDP antwortet nicht, und Jens Lehmann
(CDU), ein ehemaliger erfolgreicher Bahnradfahrer aus Leipzig, schreibt, er
könne sich mehr öffentliche Sitzungen durchaus vorstellen. Aber:
„Nichtöffentliche Sitzungen sind sehr gut geeignet, sich vertraulich über
Themen auszutauschen. Ein gesunder Mix aus mehr öffentlichen Sitzungen und
weiterhin vertraulichen Gesprächen in nichtöffentlichen Sitzungen würde dem
Sportausschuss guttun.“
In Zeiten von Corona ist generell der Zugang zu Sitzungen erschwert, nicht
nur für Journalisten, auch für Mitglieder des Bundestags, die sich im
Plenarsaal und den Sitzungsräumen [4][neuerdings der 2Gplus-Regel]
unterwerfen müssen. Bis auf Jörn König (AfD), der das für „Schikane“ und
„völlig unangemessen“ hält, sowie Jens Lehmann, der eine 3G-Regelung bess…
fände („Das grenzt niemanden aus und schließt alle ein“), sind alle
angefragten Sportpolitiker zufrieden mit dem Ausschluss von ungeimpften
Parlamentariern. Außerdem gebe es im Sportausschuss ja nun eine „hybride
Lösung“. Ungeimpfte können sich per Video zuschalten, eine „digitale
Teilnahme“ sei möglich, so Frank Ullrich. Auf den Balkon dürfen sie
freilich nicht.
15 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.bundestag.de/sport
[2] /Sportlerinnen-fuer-den-Bundestag/!5800968
[3] https://www.deutschlandfunk.de/ein-unbewusst-gesteuerter-verdraengungsmecha…
[4] https://www.bundestag.de/allgemeinverfuegung
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Bundestag
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Doping
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