# taz.de -- Nicaraguas Ex-Guerillero Hugo Torres: Vom Regime weggesperrt | |
> Im Widerstand rettete Hugo Torres einst den heutigen Präsidenten | |
> Nicaraguas aus dem Gefängnis. Jetzt ist er selber inhaftiert. | |
Bild: Angehörige fürchten um sein Leben: Hugo Torres | |
WIEN taz | Eine Kommandoaktion machte ihn unsterblich. Am 28. Dezember 1974 | |
drang Hugo Torres Jiménez, damals 26 Jahre alt, mit einer Gruppe von | |
Guerilleros der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) in das Wohnhaus von | |
José María Castillo in Managua ein. Der ehemalige Direktor der | |
nicaraguanischen Zentralbank gab eine Weihnachtsparty zu Ehren von | |
US-Botschafter Turner Shelton und hatte zahlreiche hohe Funktionäre des | |
diktatorischen Regimes von Anastasio Somoza geladen. Somoza selbst weilte | |
über die Feiertage in den USA. | |
Den Guerilleros gelang es, ihre 17 Geiseln gegen 40 Kameraden, die in den | |
Kerkern Somozas schmachteten, freizupressen und außer Landes zu bringen. | |
Der prominenteste von ihnen hieß Daniel Ortega, der sich am 10. Januar zum | |
vierten Mal in Folge als Präsident vereidigen ließ und inzwischen bereits | |
länger regiert, als sein einstiger Feind Somoza. Der Schauplatz der | |
Geiselnahme, bekannt als Casa de Chema Castillo, ist heute noch ein | |
wichtiger Orientierungspunkt in Managua. | |
Während der Somoza-Diktatur fiel Hugo Torres nie in die Hände der | |
Repressionskräfte. Nach der erfolgreichen Geiselnahme machte er sich im | |
Befreiungskampf an der gefährlichen Nordfront verdient, anders als Ortega, | |
der den Aufstand vom Exil in Costa Rica aus verfolgte. | |
Unter ständiger Verfolgung durch die Nationalgarde Somozas musste sich | |
Torres lange Zeit von Wurzeln und Affenfleisch ernähren und erkrankte an | |
der Infektionskrankheit Berglepra Leishmaniasis. Während der | |
sandinistischen Revolution hängte er sein Jurastudium an den Nagel, um sich | |
dem Aufbau des neuen Staates zu widmen. In der neuen Armee stieg er in den | |
1980er Jahren zum Brigadegeneral auf und wurde in allen Ehren pensioniert. | |
## „Verzweiflungsakt eines todgeweihten Regimes“ | |
Heute sitzt der 73-Jährige in einem Kerker Daniel Ortegas. Der Vorwurf: | |
„Vaterlandsverrat“ nach einem eigens geschaffenen Gummiparagrafen. Kurz vor | |
seiner Festnahme im vergangenen Juni konnte er noch ein Video aufnehmen, in | |
dem er von einem „Verzweiflungsakt eines todgeweihten Regimes“ sprach, das | |
sich keinen freien Wahlen stellen wolle, um an der Macht zu bleiben. | |
Sieben potentielle Oppositionskandidaten wurden damals festgenommen oder | |
unter strengen Hausarrest gestellt. Torres selbst wollte zwar nicht | |
kandidieren, engagierte sich aber in der Oppositionspartei Unamos, die sich | |
1994 unter dem Namen Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS) von Ortegas | |
FSLN getrennt hatte. Torres war einer der schärfsten Kritiker von Ortegas | |
Allianz mit dem ultrarechten und wegen Korruption verurteilten | |
Ex-Präsidenten Arnoldo Alemán. | |
Wo genau Torres derzeit verweilt, weiß man nicht. Unter den extremen | |
Haftbedingungen sind seine Beine durch eine Entzündung stark angeschwollen. | |
Im Dezember musste er deshalb mehrmals in die Gefängnisklinik verlegt | |
werden. Nach Ohnmachtsanfällen wurde er vor wenigen Tagen neuerlich | |
verlegt. Das Regime schweigt sich über seinen Gesundheitszustand und | |
Aufenthalt aus. Angehörige fürchten um sein Leben. | |
14 Jan 2022 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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