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# taz.de -- Bäume in Friedrichshain besetzt: Buhrufe gegen Kettensägen
> Die Initiative „Erhaltet unsere grünen Friedrichshainer Innenhöfe“ käm…
> für den Erhalt von Bäumen. Montag rückte die Polizei an. Rodung steht
> bevor.
Bild: Morgens am 10. Januar: Anwohner*innen und Aktivisten sind alarmiert
Berlin taz | Als die Kettensägen am Montagmorgen zum ersten Mal aufheulen,
dreht sich eine Anwohnerin erschreckt um und hält sich fassungslos die
Hände vors Gesicht. Es sind zwar nur die Vorarbeiten, bei denen Sträucher
und Büsche gerodet werden, doch wie es aussieht, wird es nicht mehr lange
dauern, bis auch die mächtigen Pappeln und andere Bäume im Innenhof in der
Friedrichshainer Pintschstraße gefällt werden. Es scheint, als würde der
bereits 2018 begonnene Kampf zwischen der Initiative „Erhaltet unsere
grünen Friedrichshainer Innenhöfe“ gegen die landeseigene
Wohnungsbaugesellschaft WBM [1][(taz berichtete)] nun endgültig zu Gunsten
des Neubaus entschieden werden.
Die Anwohner*innen und Aktivisten waren alarmiert, als vergangene Woche
Parkverbotsschilder in der Straße aufgestellt wurden. Ein paar
Protestierende haben das Parkverbot bewusst ignoriert und mussten in den
Morgenstunden zusehen, wie ihre Autos abgeschleppt wurden.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Fällung der Bäume bevorsteht. Im
November 2021 konnte die Rodung noch in letzter Sekunde verhindert werden.
Am Montagmorgen sieht es anders aus: Hinter den Bauzäunen stehen um die 30
Menschen und diskutieren mit den Polizeieinsatzkräften. Viele von ihnen
haben Transparente mit Aufschriften wie „Climate justice is not a crime“ in
den Händen.
Hoch oben in den Bäumen haben sich autonome Klimaaktivist*innen
angekettet. „Die haben sich wohl heute Nacht um 3 Uhr schon auf die Bäume
begeben. Wir wissen auch nicht genau, wer sie sind. Aber die Aktion finden
wir natürlich super“, erzählt Kirsten Reinhold von der Friedrichshainer
Initiative.
## Ein Herzensprojekt
Seit morgens 7 Uhr seien die restlichen Aktivist*innen vor Ort und
haben die Fällung wohl zumindest für den Montag verhindert. In dieser Woche
wird die Garten- und Landschaftsbaufirma Korkmaz die Bäume jedoch
voraussichtlich roden. „Es war von Anfang an ein Herzensprojekt“, sagt
Diana Böhme, die die Initiative „Erhaltet unsere grünen Friedrichshainer
Innenhöfe“ ins Leben gerufen hat. „Als wir gesehen haben, dass der ganze
Innenhof bebaut werden soll, war das ein Schock.“
Wie viel Platz der Neubau einnehmen wird ist nicht ganz klar – Karen
Jeratsch von der Presseabteilung der WBM meint, dass die Neuversiegelung
nur circa 16 Prozent der Grundstücksfläche einnehmen soll. Zu dieser Fläche
zählt ein bereits bestehendes Wohnhaus dazu.
Jeratsch beschreibt die Kommunikation im Vorfeld deutlich offener als von
den Aktivist*innen wahrgenommen: „Wir haben Workshops und
Beteiligungsverfahren für die Anwohner*innen angeboten. Es ist nun mal
so, dass wir als kommunale Wohnungsbaugesellschaft vom Land Berlin
verpflichtet sind zu bauen. Dieser Verpflichtung kommen wir hier nach.“
Politische Unterstützung bekommt die Friedrichshainer Initiative unter
anderem von dem Grünen-Politiker Vasili Franco. Er ist seit 2021 Mitglied
des Berliner Landesparlaments und schätzt das Bauvorhaben in der
Pintschstraße so ein: „Nachverdichtung ja, aber nur klimaverträglich und
auch sozialgerecht. Das ist hier nicht der Fall.“
## Applaus für Durchhaltevermögen
Auf die Frage, wie er als Schnittstelle zwischen den Anwohner*innen und
der WBM fungieren könne sagt er: „Ich bin mittlerweile etwas verzweifelt.
Die WBM und führende Teile der SPD möchten nicht einlenken, nur weil das
Projekt schon so weit fortgeschritten ist. Es fehlt an politischem Mut.
Wenn man in den Koalitionsvertrag reinschaut, steht da
explizit,verträgliche Verdichtung' drin. Das hier ist nicht verträglich.“
Im Hintergrund hört man schon wieder den Krach der Kettensägen. Dazu
ertönen laute „Buh“-Rufen. Gegen 11.30 Uhr werden die Aktivist*innen
von der Polizei aus dem abgesperrten Bereich gebracht. Es verbleiben nur
noch die Menschen in den Bäumen. Sie bekommen Applaus für ihr
Durchhaltevermögen. Fragt sich nur, wie sie da oben verpflegt werden können
und wie lange sie noch durchhalten.
Für Kirsten Reinhold von der Friedrichshainer Initiative steht fest: „Wir
werden nichts unversucht lassen, um unsere Kiezoase zu retten. Morgen früh
sind wir wieder da.“
Die WBM und die beauftragten Baumpfleger wirken allerdings entschieden, nun
endgültig ihr Vorhaben umzusetzen.
10 Jan 2022
## LINKS
[1] /Mieter-gegen-Nachverdichtung/!5728782
## AUTOREN
Josua Gerner
## TAGS
Wohnungsbau
Friedrichshain
Bäume
Cafés
Unesco-Welterbe
Podcast „Vorgelesen“
Florian Schmidt
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bebauen will.
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