| # taz.de -- Nach Autofahrt in eine Mahnwache: Ermittlungen gegen Demonstrierende | |
| > Ein Mitarbeiter der Urananreicherungsanlage in Gronau gefährdet mit | |
| > seinem Auto protestierende Menschen. Doch die Polizei nimmt nicht ihn ins | |
| > Visier. | |
| Bild: Die Mahnwachen in Gronau sind schon lange etabliert: Aktion im April 2020 | |
| Bochum taz | Nachdem ein Mitarbeiter der [1][Urananreicherungsanlage | |
| Gronau] in eine Mahnwache gefahren war, werfen Umweltschützer:innen | |
| der Polizei schwere Ermittlungsfehler vor. Denn obwohl Beamte vor Ort sich | |
| zunächst anders geäußert hatten, haben Polizei und Staatsanwaltschaft kein | |
| Strafverfahren gegen den Fahrer eröffnet – stattdessen ermittelten sie | |
| gegen die Demonstrant:innen. Matthias Eickhoff von der Initiative | |
| Sofortiger Atomausstieg versteht das nicht: „Ein Autofahrer, der in eine | |
| angemeldete Versammlung fährt, ist aggressiv – und nicht die | |
| Protestierenden.“ | |
| Der Vorfall ereignete sich bereits im September 2020. Vor dem Haupttor der | |
| Urananreicherungsanlage war der Urenco-Mitarbeiter des | |
| Urananlagen-Betreibers im Schritttempo in die Mahnwache hineingefahren und | |
| hatte versucht, die Demonstrant:innen zur Seite zu drängen. Verletzt | |
| wurde niemand – doch [2][laut eigener Schilderung war der Mann zuvor von | |
| der Polizei aufgefordert worden, einen anderen, problemlos nutzbaren Weg] | |
| zu nehmen. | |
| Wie aus Unterlagen der münsterländischen Kreispolizeibehörde Borken | |
| hervorgeht, notierten die Beamten die Namen von Protestierenden als | |
| „potenzielle Zeugen für den Fall einer Anzeige gegen den Autofahrer“. Von | |
| Vergehen der Mahnwache-Haltenden war keine Rede. | |
| Auf der Polizeiwache in Gronau wurden dann die Demonstrant:innen ins | |
| Visier genommen – wegen Nötigung. „Die Entscheidung, gegen die | |
| Demonstranten ein Strafverfahren einzuleiten, ist nicht vor Ort gefallen“, | |
| sagte Frank Rentmeister, Sprecher der Borkener Polizeibehörde. Nicht jeder | |
| Sachverhalt sei „vor Ort komplett rechtlich zu bewerten“. | |
| ## Anzeigen eingestellt | |
| Unklar ist, wie es zur Neubewertung kam. Die Polizei versichert in einem | |
| Schreiben, Grund seien „nicht Gespräche mit der Firma Urenco“ gewesen. „… | |
| dafür gesorgt hat, dass die Protestierenden plötzlich als Beschuldigte | |
| geführt wurden, ist nicht protokolliert“, kritisiert Atomkraftgegner | |
| Eickhoff. Gegen den Urenco-Mitarbeiter sei erst ermittelt worden, nachdem | |
| die Demonstrant:innen ihn selbst aktiv angezeigt hätten. | |
| Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft alle Anzeigen eingestellt – auch | |
| gegen Polizeibeamte, denen laut Polizeisprecher Rentmeister | |
| „Strafvereitelung und Verfolgung Unschuldiger“ vorgeworfen worden war. Die | |
| Anti-Atom-Aktivist:innen haben deshalb bei Nordrhein-Westfalens CDU | |
| Innenminister Herbert Reul Dienstaufsichtsbeschwerde gegen dessen | |
| Parteifreund, den Gronauer Landrat Kai Zwicker, eingelegt. Als Chef der | |
| Kreispolizeibehörde hatte der Jurist sie noch im Oktober in einem der taz | |
| vorliegenden Schreiben als „Beschuldigte“ bezeichnet. Den aggressiven | |
| Autofahrer kritisierte er mit keinem Wort. | |
| ## Umweltministerium prüft Vorgehen | |
| Jetzt untersucht das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste den Fall. | |
| Schließlich kommt es in Gronau immer wieder zu Protesten gegen die | |
| [3][Urananreicherungsanlage, die trotz Atomausstieg unbefristet betrieben | |
| werden darf] und in der auch an [4][„modernen Reaktorkonzepten“ etwa für | |
| „Uranbatterien und mikromodulare Reaktoren“ geforscht wird]. Bisher sind | |
| von Gronau 45.000 Tonnen nach Russland exportiert worden, wo das | |
| radioaktive Material unter freiem Himmel lagert. | |
| Aus dem Bundesumweltministerium heißt es, man präferiere „eine gesetzliche | |
| Stilllegung der beiden Anlagen“ – und prüfe auf Grundlage des | |
| Koalitionsvertrages das weitere Vorgehen. Umso wichtiger sei, dass die | |
| Polizei bei künftigen Demos korrekt ermittele, mahnen Umweltschützer:innen. | |
| „Es darf nicht noch einmal vorkommen“, sagt Peter Bastian vom | |
| Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, „dass Personen mit einem Auto | |
| in eine Protestversammlung hineinfahren und die Polizei dann die | |
| gefährdeten Demonstrant:innen anzeigt.“ | |
| 6 Jan 2022 | |
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| [3] /Atomkraftgegner-ueber-Ampelkoalition/!5821303 | |
| [4] https://www.wn.de/muensterland/kreis-borken/gronau/urenco-klare-grenzen-auf… | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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