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# taz.de -- Eskalation in Kasachstan: Aufgestaute Wut
> Lange galt Kasachstan als stabiles Land. Doch es gärte bereits. Der Ruf
> nach russischen Truppen zeigt, dass es eng wird für die Herrscher.
Bild: Militär riegelt am 06.01.2022 in Almaty die Straße ab
Stabilität war das Label, mit dem Kasachstan oft und gerne versehen
wurde. Dieser Zustand war auch mit massiven Repressionen gegen die
politische Opposition, einer Gängelung der Zivilgesellschaft und schweren
Menschenrechtsverletzungen erkauft, aber das interessierte nur wenige – vor
allem da nicht, wo sich mit dem rohstoffreichen zentralasiatischen Land
lukrative Geschäfte machen ließen.
Doch diese Stabilität scheint dahin. Nur wenige Tage genügten, um [1][unter
dem Druck von Massenprotesten] die Regierung zu Fall zu bringen, den Staat
zu Konzessionen zu zwingen und auch die Machtposition des ehemaligen
Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew zu erschüttern. Dass die
Demonstranten trotzdem nicht weichen und sich billig abspeisen lassen
wollen, sagt einiges über diese Bewegung aus, die so plan- wie kopflos ist.
Sie ist Ausdruck einer über lange Zeit gewachsenen bitteren Erkenntnis,
dass sich eine kleptokratische Herrscherdynastie schamlos bereichert,
während für große Teile der Bevölkerung allenfalls ein paar Brotsamen
abfallen.
Der Unmut, der sich jetzt explosionsartig entladen hat, richtet sich auch
gegen Präsident Tokajew. Hegten viele Kasach*innen bei dessen
Amtsantritt 2019 noch Hoffnungen auf Reformen, [2][sind sie mittlerweile
eines Besseren belehrt worden]. Tokajew hat sich nicht nur als Bewahrer des
Status quo, sondern auch als Marionette Nasarbajews erwiesen.
Jetzt glaubt Tokajew offenbar, nur noch mit Gewalt Herr der Lage bleiben zu
können. Auch seine rhetorische Begleitmusik spricht Bände. Aus
Demonstranten wurden Terroristen und Verschwörer, die natürlich von außen
gesteuert sind. Um die zu bekämpfen, ist bekanntlich jedes Mittel recht.
## Russische Truppen befeuern den Zorn
Doch offensichtlich fürchtet Nasarbajews „Erbe“, dass es für ihn eng werd…
könnte. Warum sonst hätte er seine Verbündeten, allen voran Russland,
ersucht, [3][so genannte Friedenstruppen] in sein Land zu entsenden?
Ungeachtet der Tatsache, dass bislang unklar ist, welches Mandat diese
Soldaten überhaupt haben, dürfte ihre Präsenz Tokajew bei der Bevölkerung
eher schaden und den Volkszorn weiter befeuern.
Kurzum: Noch ist völlig unklar, wie diese Machtprobe ausgehen wird. Das
heißt aber auch, dass eine weitere Eskalation nicht ausgeschlossen ist.
Sollte dieser Fall eintreten, wäre das verheerend. Und das nicht nur für
Kasachstan.
6 Jan 2022
## LINKS
[1] /Schwere-Ausschreitungen-in-Kasachstan/!5826715
[2] /Praesidentschaftswahl-in-Kasachstan/!5601421
[3] /Unruhen-in-Kasachstan/!5826762
## AUTOREN
Barbara Oertel
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