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# taz.de -- Premier tritt ab nach neuen Protesten: Sudans „Jahr des Widerstan…
> In Sudans Hauptstadt formieren sich neue Demonstrationen gegen das
> Militär. Nun ist Regierungschef Hamdok zurückgetreten.
Bild: Nieder mit der Militärregierung: Khartum, 25. Dezember 2021
Berlin taz | Hauptstraßen sind blockiert, die Brücken über den Nil
abgeriegelt, das Internet und mobile Telefone gesperrt, Soldaten und
Milizionäre auf Panzerfahrzeugen richten Maschinengewehre auf die Menschen.
Am Sonntag war wieder Protesttag in Sudans Hauptstadt Khartum, und wieder
schafften es die regierenden Militärs nicht, die Demokratiebewegung daran
zu hindern, massenhaft auf die Straße zu gehen.
„Das Militär in die Kaserne“ und „Alle Macht dem Volke“ riefen Bericht…
zufolge die Demonstranten, die dem Aufruf gefolgt waren, 2022 als „Jahr des
Widerstands“ einzuläuten und Gerechtigkeit für die über 250 Menschen zu
fordern, die von Polizei und Armee seit dem Sturz des Militärdiktators Omar
Hassan al-Bashir beim Niederschlagen ziviler Proteste getötet worden sind.
Bewaffnete – im Einsatz sind nicht nur reguläre Armeesoldaten, sondern auch
Angehörige paramilitärischer Milizen unter dem Kommando einzelner Generäle
– setzten erneut Tränengas und scharfe Munition ein, um die Demonstranten
daran zu hindern, sich dem Regierungsviertel in Khartum zu nähern. Es soll
wieder zwei Tote gegeben haben.
Erst am Donnerstag und Freitag, den beiden letzten Tagen des Jahres 2021,
waren Tausende von Menschen auf die Straße gegangen, am ersten der beiden
Tage landesweit. Sechs Menschen starben als Ergebnis dieser Proteste. Zuvor
hatte es besonders große Massenproteste am 19. und am 25. Dezember gegeben
Der andauernde Druck der Demokratiebewegung auf Sudans Militär erzielte am
Abend einen ersten Erfolg: der machtlose zivile Ministerpräsident Abdalla
Hamdok erklärte seinen Rücktritt. „Ich habe beschlossen, die Verantwortung
abzugeben und meinen Rücktritt als Premierminister anzukündigen, um einem
anderen Mann oder einer anderen Frau dieses ehrwürdigen Landes die Chance
zu geben, ihm dabei zu helfen, das, was von der Übergangszeit übrig
geblieben ist, zu einem zivilen demokratischen Land zu machen“, sagte
Hamdok am späten Abend in einer im Fernsehen übertragenen Rede.
Eine Diskussion am runden Tisch sei notwendig, um zu einer neuen
Vereinbarung für den politischen Übergang des Sudans zur Demokratie zu
kommen, so Hamdok weiter.
## Brutales Vorgehen gegen Demonstranten
Die Konfrontation in Sudan verschärft sich beständig seit dem Militärputsch
vom 25. Oktober, als General Abdel Fattah al-Burhan – Chef des
„Souveränitätsrats“, eine Art kollektive Übergangspräsidentschaft Sudan…
die zivile Übergangsregierung abgesetzt und Premierminister Hamdok unter
Hausarrest gestellt hatte.
Am 21. November setzte das Militär Hamdok [1][wieder in sein Amt ein], aber
die Protestbewegung lehnte das als Legitimierung des Militärputsches ab,
da Hamdok seither keine freie Hand zur Regierungsbildung oder zu sonstigen
Entscheidungen hat. Mehrfach hat er seitdem seinen Rücktritt angedroht –
und diesen nun vollzogen.
Hamdoks spektakulärer Schritt erfolgt vor dem Hintergrund des
Blutvergießens bei den Protesten vom 30. Dezember. Vier Menschen wurden in
Omdurman, der Schwesterstadt Khartums am westlichen Nilufer, von Soldaten
erschossen, berichteten Ärzteverbände. Mehrere Dutzend wurden verletzt.
Eine fünfte Person, die von einem Tränengaskanister direkt getroffen worden
war, starb am Freitag, eine sechste mit Einschüssen im Beckenbereich am
Samstag. Die Straßensperren des Militärs hindern Krankenwagen daran,
Verletzte in die Krankenhäuser zu bringen. Am Sonntag setzten die Sanitäter
daher stattdessen Motorräder ein.
Nach [2][Berichten des Radiosenders Dabanga] drangen Soldaten am Donnerstag
auch in die Büros des TV-Senders Al-Arabiya aus Dubai und des
saudi-arabischen TV-Senders Asharq ein. Bei Al-Arabiya feuerten sie
Tränengas ins Studio, verprügelten die Mitarbeiter und verwüsteten das Set.
Eine Asharq-Moderatorin wurde mitten in einer Liveschaltung von Soldaten
unterbrochen und konnte noch erläutern, dass sie jetzt nicht mehr
weitermachen dürfe. Sie wurde mitgenommen und mit einer Kollegin einen Tag
lang festgehalten.
Ein Fotojournalist wurde auf der Straße in Khartum von Soldaten bewusstlos
geschlagen und mit zerstörter Kamera und gebrochenen Händen auf der Straße
liegengelassen.
## Neuer islamistischer Geheimdienstchef
In Vorbereitung einer harten Linie hatte Sudans Militärführung Ende
November kurz nach der Wiedereinsetzung Hamdoks auch die Polizei und die
Geheimdienste reorganisiert und einen Scharfmacher als Geheimdienstchef
eingesetzt: Ahmed Ibrahim Ali Mofadl, Angehöriger der islamistischen
Muslimbrüder und unter der Bashir-Diktatur unter anderem Gouverneur des
Bundesstaates Süd-Kordofan, wo die Regierung einst mit brutaler Gewalt bis
hin zu Chemiewaffeneinsätzen gegen Aufständische in den Nuba-Bergen
vorging.
Er wolle die Geheimdienste „professionalisieren“, [3][zitierten
sudanesische Medien Mofadl] nach seiner Berufung Ende November. Vergangene
Woche erteilten die Militärmachthaber Geheimdienstmitarbeitern generelle
Straffreiheit und ermächtigten sie, Festnahmen durchzuführen.
3 Jan 2022
## LINKS
[1] /Ein-Monat-nach-dem-Putsch-in-Sudan/!5814155
[2] https://www.dabangasudan.org/en/all-news/article/sudan-forces-fire-live-amm…
[3] https://sudantribune.com/article226633/
## AUTOREN
Dominic Johnson
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