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# taz.de -- Ausstellung über Genuss in Paris: Mein Bankett im Metaversum
> Die Ausstellung „Banquet“ in der Cité des sciences et de l’industrie
> widmet sich den Tafelfreuden. In der Pandemie wirkt sie utopisch wie
> fantastisch.
Bild: Die Speisen, die den Besucher*innen bei „Banquet“ serviert werden, si…
Natürlich ist unter all den interessanten Ausstellungen, die derzeit in
Paris zu sehen sind, „Banquet“ die Schau der Stunde. In Coronazeiten ist
die Idee eines Festgelages einfach das paradiesische Versprechen
schlechthin. Was sind schon 70 Jungfrauen im Himmel gegen ein fulminantes
Essen mit 500 eng an eng platzierten Gästen hier auf Erden?
All diese Düfte, Gerüche, Geräusche, Gespräche; das Lachen, das Klirren der
Gläser, die anstoßen, das Rülpsen der Weinflaschen, die entkorkt werden,
das Klappern des Bestecks auf den Tellern, das Defilee der Kellner, die
wieder und wieder mit den raffiniertesten Köstlichkeiten an die Tische
kommen.
Und dann beginnt der immersiv gestaltete Ausstellungsparcours mit einer
spröden audiovisuellen Belehrung darüber, wie man richtig Sahne schlägt.
Ein realer Topf und ein realer Rührbesen wollen benutzt werden, freilich
rührt man so nur das schlaue Video übers Sahneschlagen an. Hm. Darum also
geht es beim Bankett? Ja. In der Cité des sciences et de l’industrie im
Parc de la Villette, dem größten populärwissenschaftlichen Museum Europas,
geht es darum.
Hier wird einigermaßen ungewohnt mit der Arbeit angefangen und den
Menschen, die sie erledigen. Das Vergnügen, die Bilder von den
Fürstenhochzeiten, den Stammesversammlungen und den Staatsbanketts, kommt
erst zum Schluss.
## Sterneküche trifft auf Chemielabor
Das heißt natürlich nicht, der Weg bis dahin sei nicht amüsant und
anregend. Denn wenn es zuerst in die Küche geht, dann doch in die
molekulare, wo mit Zentrifugen, Siphons, Infrarot-Thermometern und
flüssigem Stickstoff das amuse gueule Tomate mit Mozzarella ganz neu
erfunden wird. Aber die Küche wird nicht nur als das Labor des Chemikers
Raphaël Haumont und des Sterne-Chefs Thierry Marx gezeigt.
Sie ist, so erfährt man im Fortgang, auch der Ort langbewährter
traditionsreicher Küchenarbeit, mit einem für die anfallenden Arbeiten
genau definierten Set von Gerätschaften wie verschiedenen Messern, Löffeln
und Kellen, Töpfen und Pfannen.
Es gehört dazu die Hitze des Feuers, in dem das Fleisch gar wird oder das
Wasser zum Kochen kommt, es gehört also auch der entsprechende Schutz dazu,
die richtige Arbeitskleidung. In weißer Pracht hängen die Schürzen, Jacken
und Mützen in ihrer typischen, hergebrachten Form an der Hakenleiste. Zum
elften Mal jährt sich die Ernennung dieser „Cuisine Française“ zum
immateriellen Weltkulturerbe durch die Unesco.
Das will „Banquet“ feiern und tut das auf sehr eigenwillige, extrem
technikverliebte, dabei aber äußerst instruktive Weise. Mit Videos und
kleinen Playstations kann man den Geheimnissen des Geschmacks und der
Texturen auf die Spur kommen oder kleine Törtchen aus buntem Licht bauen.
Eine einzige Lichterscheinung ist dann auch das Bankett, zu dem man geladen
ist. Der Tisch ist real und auch der Stuhl und das Glas für die
verschiedenen Getränke. Die freilich gibt’s nur virtuell, genauso wie das
von Haumont und Marx kreierte Menü. Ja, an diesem Tisch, an dem einem
virtuelle, weißbehandschuhte Kellner die virtuellen Teller reichen, nimmt
man in gewisser Weise schon an einem Bankett im Metaversum teil.
Es ist der fantastische Höhepunkt der Schau, aber am Ende übertrifft nichts
die Bilder von den in aller Welt gefilmten Banketts. Egal ob Königin
Elisabeth II. ein Essen für Barack Obama ausrichtet, afrikanische
Stammesfürsten sich zum Mahl versammeln oder ganz einfache Leute sich beim
Hochzeitsmahl vergnügen. Ach ja. Was sind das jetzt nur für Zeiten?!
30 Dec 2021
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Ausstellung
Paris
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Essen
Genuss
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