Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Weihnachten mit Corona: Eine pandemische Festtags-Story
> Wie sähe die traditionelle Weihnachtsgeschichte von Maria und Josef in
> Zeiten der Impfverweigerung aus? Unsere Kolumnistin wagt einen Versuch.
Bild: ....die frohe Botschaft lässt noch auf sich warten
Es begab sich aber zu der Zeit, dass eine Empfehlung von Expert:innen
ausging, dass alle Welt geimpft würde und es sofortige
[1][Kontaktbeschränkungen geben müsste.] Diese Maßnahmen waren wichtig, da
seit zwei Jahren eine furchtbare Pandemie wütete, eine kaum erforschte
Virusvariante das Infektionsgeschehen beherrschte und niemand Kenntnis von
einem besseren Mittel zu dessen Eindämmung hatte.
Und so sollte jede:r losgehen, sich piksen zu lassen, zum Schutz der
eigenen Gesundheit und auch für die Nächsten und Übernächsten. Da machte
sich auf auch Marya, auf dass sie sich boostern ließe, allerdings ohne
ihren Partner Jo, [2][der war ein Impfverweigerer], und Marya hatte ihn
deshalb verlassen, sie konnte sein Gerede von „Unterdrückung“ nicht
ertragen. Außerdem war sie schwanger und sorgte sich um das Kind.
Als die Zeit kam, dass Marya gebären sollte, hatte sie große Angst, denn
Hebammen gab es zu wenige, [3][medizinisches Personal war so erschöpft],
wie noch niemals jemand erschöpft gewesen war – die Regierenden hatten das
Gesundheitssystem jahrelang kaputtgespart. Doch Marya hatte Glück, es fand
sich ein Bett in einem Krankenhausflur, wo sie 30 Stunden kämpfte, bis sie
ihr Kind im Arm halten konnte.
„Von was für einer Welt soll ich dir nur erzählen“, flüsterte Marya dem
Säugling erschöpft ins Ohr, während sich auf den Straßen Menschen
versammelten. Manche kleideten sich wie Hirten, klemmten sich Masken unters
Kinn und trugen Schilder, auf denen geschrieben stand, sie kämpften gegen
eine Diktatur. Oft gingen sie dabei gemeinsam mit solchen, die bei der
Diktatur in diesem Land vor 80 Jahren begeistert mitgemacht hätten. Nicht
selten fanden welche, dass damals „doch nicht alles schlecht gewesen ist“.
Andere wiederum mussten trotz des Gebots der Kontaktreduzierung lange
Stunden unter vielen Menschen arbeiten, oder gleichzeitig Kinder betreuen
und arbeiten, oder sich in ungeheizten Klassenzimmern dem hoch ansteckenden
Virus aussetzen. Denn über allen Geboten lag in dieser Welt das Gebot, den
heiligen Geist der Wirtschaft zu schützen.
Da erschien Marya eine leuchtende Gestalt, die rief: „Fürchte dich nicht!“
Marya runzelte die Stirn und sagte: „Hä, warum nicht? Die Welt ist zum
Fürchten, und wer keine Furcht kennt, wird sich an die Grässlichkeit
gewöhnen und sie bald normal finden. Das will ich nicht.“ Da räumte das
leuchtende Wesen ein, dass es sehr lange versäumt hatte, die eigene Bubble
zu verlassen und andere Perspektiven zu hören.
„Aber was soll ich dann hinausrufen in die Welt?“, fragte es. Marya
betrachtete das Kind in ihrem Arm. Dann sagte sie: „Ich bin links, mit
Optimismus tue ich mich schwer. Aber heute sollst du schnell die Botschaft
von der Hoffnung in die Welt tragen, denn Wut allein reicht nicht aus für
die Kämpfe, die uns bevorstehen.“
„Gut“, sagte die Gestalt, „mache ich. Aber erst nach Weihnachten.“
23 Dec 2021
## LINKS
[1] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5822930
[2] /Coronapandemie-in-Sachsen/!5818975
[3] /Mediziner-ueber-Triage-in-der-Pandemie/!5818986
## AUTOREN
Lin Hierse
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kolumne Poetical Correctness
Podcast „Vorgelesen“
Verschwörungsmythen und Corona
Impfung
Weihnachten
Schwerpunkt Coronavirus
Michael Kretschmer
Triage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachrichten in der Coronakrise: Expertenrat für Kontaktbeschränkung
Die Coronaexperten der Bundesregierung drängen auf bundesweit abgestimmte
Maßnahmen. Die meisten Ansteckung in England stammen von der Omikron.
Coronapandemie in Sachsen: Kalter Bürgerkrieg
Infektionsrekorde, radikale Impfskeptiker, Hass auf „die da oben“: Die
Coronakrise verschärft in Sachsen Konflikte, die teils Jahrhunderte alt
sind.
Mediziner über Triage in der Pandemie: „Vom Gesetzgeber alleingelassen“
In Augsburg ist die Lage auf den Intensivstationen besonders angespannt.
Axel Heller vom dortigen Universitätsklinikum übers eigene Triage-Konzept.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.