| # taz.de -- Dänemarks Abschottungspolitik: Der gemietete Knast im Kosovo | |
| > Kopenhagen will Abschiebehäftlinge in ein Gefängnis südlich von Pristina | |
| > stecken. Dafür werden im Kosovo zunächst 300 Haftplätze gemietet. | |
| Bild: Hauptsache weit weg: Auch die dänische Insel Lindholm sollte abgelehnte … | |
| Stockholm taz | Dänemarks [1][sozialdemokratische Regierung] hat ein | |
| flüchtlingspolitisches Lieblingsprojekt: Null Asylsuchende mehr über die | |
| Grenze zu lassen und den gesamten Asylprozess nach Ruanda zu verlegen. | |
| Daran arbeitet sie noch. Aber nach einjährigen Verhandlungen mit der | |
| Regierung des Kosovo sieht Kopenhagen sich vor einem anderen Erfolg: | |
| Abschiebehäftlinge aus nichteuropäischen Ländern sollen nicht mehr in | |
| Dänemark, sondern im Kosovo inhaftiert werden. Dafür will die dänische | |
| Regierung dort einen Knast anmieten. | |
| Am Montag hat der dänische Justizminister Nick Hækkerup in Pristina mit | |
| seiner Amtskollegin Albulena Haxhiu eine Absichtserklärung unterzeichnet. | |
| Demnach will Kosovo Dänemark beginnend ab 2023 für die Dauer von 10 Jahren | |
| 300 Haftplätze in der Haftanstalt Gjilan zur Verfügung stellen. Dafür soll | |
| das Land 210 Millionen Euro bekommen. | |
| Offiziell soll dadurch das unter Kapazitätsproblemen leidende dänische | |
| Gefängniswesen entlastet werden. Die [2][Beschlussunterlage der dänischen | |
| Regierung] macht aber deutlich, dass es in erster Linie mal wieder um | |
| Abschreckung geht: „Ein klares Signal, dass zur Ausweisung Verurteilte | |
| Dänemark zu verlassen haben.“ Haben sie ihre Strafe im Kosovo verbüßt, soll | |
| eine Abschiebung in ihre Heimat von dort aus direkt erfolgen. | |
| Seit die Pläne in der vergangenen Woche bekannt wurden, meldeten sich viele | |
| kritische Stimmen, wie die der Kriminologieprofessorin Linda Kjær Minke: | |
| „Man betrachtet Gefangene als Güter, die man einfach irgendwohin | |
| transportieren kann.“ Rechtsanwalt Erbil Kaya spricht von „modernem | |
| Kolonialdenken“. „Die sollen mit denen klarkommen, die wir nicht haben | |
| wollen.“ | |
| ## Wie steht es um das Besuchsrecht? | |
| Es wurden auch juristische Zweifel laut, inwieweit eine solche | |
| „ausgelagerte“ Strafverbüßung mit nationalem Recht und internationalen | |
| Konventionen vereinbar ist. Zentral sei die Sicherung des Kontaktrechts | |
| zwischen den Inhaftiertem und ihren Angehörigen, sagt die Direktorin des | |
| Dänischen Menschenrechtsinstituts Louise Holck. Die Europäische | |
| Menschenrechtskonvention verbriefe das Recht zum Schutz des Privat- und | |
| Familienlebens. Das gelte auch für Inhaftierte. | |
| Wenn die Regierung sich dazu entschließe, Gefangene in einer 2.000 km | |
| entfernten Haftanstalt unterzubringen, dann müsse sie auch das Besuchsrecht | |
| sicherstellen und beispielsweise auf Staatskosten einmal wöchentlich ein | |
| Flugzeug chartern, damit Familienbesuche in dem eine Autostunde von | |
| Pristina entfernten Gjilan möglich seien, meint Rasmus Kjeldahl, Direktor | |
| der Kinderschutzbundes Børns Vilkår. | |
| In diesem Fall und auch sonst gälten in Gjilan die gleichen Regeln wie in | |
| einer dänischen Haftanstalt, verspricht Justizminister Hækkerup. Das | |
| Gefängnis werde umgebaut und es sei mit der Regierung des Kosovo | |
| vereinbart, dass für die aus Dänemark dorthin verlegten Häftlinge zwar | |
| kosovarisches Personal zuständig sei, es aber eine „dänische Leitung“ geb… | |
| werde. Man könne deshalb von einem „dänischen Gefängnis im Kosovo“ | |
| sprechen. | |
| ## Experiment in den Niederlanden gescheitert | |
| Therese Rytter, juristische Direktorin des dänischen Antifolterinstituts | |
| Dignity überzeugt das nicht. „Ich kenne kein einziges Beispiel, in dem ein | |
| Land Haftplätze im Ausland mietet und gleichzeitig die Leitung der | |
| Haftanstalt übernimmt.“ Es sei schwer vorstellbar, wie Dänemark die Geltung | |
| dänischen Rechts auf kosovarischem Territorium sicherstellen wolle. | |
| Das Anmieten von Haftplätzen in den Niederlanden etwa hatte Norwegen 2018 | |
| nach zwei Jahren abgebrochen, weil es in der Praxis gerade nicht möglich | |
| war, norwegischem Recht dort Geltung zu verschaffen. Das Personal in den | |
| Niederlanden hatte die völlig legale Möglichkeit zu Maßnahmen, die nach | |
| norwegischem Recht verboten waren. | |
| Mit dem Kosovo dürfte das noch schwieriger werden, meint Rytter unter | |
| Verweis auf einen [3][im September veröffentlichten Bericht des | |
| Antifolterkomitees des Europarats über dortige Haftbedingungen]. Darin wird | |
| eine Kultur von Gewalt und Korruption kritisiert. Häftlinge würden | |
| misshandelt, sie könnten ohne sinnvolle Beschäftigung bis zu täglich 21 | |
| Stunden isoliert und eine totale Isolationshaft von 30 Tagen angeordnet | |
| werden. Er kenne diesen Bericht, sagt Justizminister Haekkerup. „Aber ich | |
| bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.“ | |
| 21 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Migrationspolitik-an-EU-Aussengrenze/!5805211 | |
| [2] https://www.justitsministeriet.dk/wp-content/uploads/2021/12/Aftale-om-krim… | |
| [3] https://rm.coe.int/1680a3ea32 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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