# taz.de -- Migrantinnen in Dänemark: Ohne Kippensammeln keine Kohle | |
> Die sozialdemokratische Regierung will „nicht-westliche Frauen“ zu | |
> Arbeiten wie Müllsammeln verdonnern. Sonst werden Sozialleistungen | |
> gestrichen. | |
Bild: Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gibt eine Pressekonferenz zum Refo… | |
STOCKHOLM taz | Ein umstrittenes Beschäftigungspaket hat Dänemarks | |
[1][sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen] am Dienstag | |
vorgestellt. Dort enthalten ist eine Arbeitspflicht speziell für | |
„nicht-westliche Einwandererfrauen“, wie Frederiksen es formulierte. | |
Eine für die Gesellschaft „nützliche Arbeit“ soll es sein, die gleichzeit… | |
aber natürlich keine regulären Jobs ersetzen soll, konkretisierte | |
Arbeitsminister Peter Hummelgaard das Programm, und nannte auch Beispiele: | |
„Am Strand Zigarettenkippen oder Plastikabfall aufsammeln.“ Was für eine | |
Arbeit, sei eigentlich nicht so wichtig, „Hauptsache, sie kommen aus ihren | |
Häusern heraus.“ | |
Zunächst sollen MigrantInnen aus dem Mittleren Osten, Nordafrika, | |
Afghanistan und Pakistan an die Reihe kommen, die entweder neu ins Land | |
gekommen sind oder in einem Zeitraum von vier Jahren drei Jahre im | |
Arbeitslosengeldsystem waren, ohne eine feste Arbeit bekommen zu haben. Die | |
Arbeitspflicht soll 37 Wochenstunden umfassen, eineinhalb Stunden davon | |
sind für Dänisch-Unterricht vorgesehen. | |
Die Erfüllung dieser Arbeitspflicht wird Voraussetzung für den weiteren | |
Bezug von Arbeitslosenleistungen sein. „Wenn man an einem Tag nicht kommt, | |
gibt es für den auch kein Geld“, so Hummelgard. „Es geht darum, eine | |
Arbeitslogik anstelle der Versorgungslogik zu schaffen.“ | |
## Kein sinnvoller Weg in den Arbeitsmarkt | |
Von einem „wahnwitzigem Vorschlag“ spricht Mai Villadsen, | |
Fraktionsvorsitzende der linken Einheitsliste. Die Regierung unterstelle | |
eingewanderten Frauen aus nicht-westlichen Ländern ganz offensichtlich, | |
dass sie nicht arbeiten wollten, kritisiert Ilham Mohamed, Koordinatorin | |
der Organisation Bydelsmødre, die mit Migrantinnen arbeitet. „In | |
Wirklichkeit finden sie schlicht keine Arbeit. Keine von ihnen sitzt | |
freiwillig zu Hause und würde Nein zu einer Arbeit sagen.“ Die | |
Arbeitspflicht, die die Regierung nun einführen wolle, drohe die Situation | |
der Frauen sogar zu verschlechtern. Sie würden sich diskriminiert, | |
gestresst und bestraft fühlen. | |
Eine solche Arbeitspflicht bringe für den Weg in den Arbeitsmarkt gar | |
nichts, kritisiert auch Mads Bilstrup, Vorsitzender der | |
Sozialarbeiter-Gewerkschaft. Das Programm werde teuer und zeitaufwändig, | |
aber ohne Effekt bleiben. Mit einem wesentlichen Beschäftigungseffekt | |
rechnet auch das Arbeitsministerium selbst nicht. Hier geht man davon aus, | |
dass von rund 20.000 Personen, die man dieser Arbeitspflicht unterwerfen | |
will, etwa 250 eine Arbeit finden könnten – etwas mehr als ein Prozent | |
also. | |
Während die Tageszeitung BT fragt: „Gibt es überhaupt genug Kippen auf den | |
Bürgersteigen?“, kritisieren viele Kommunen, die diese Arbeitseinsätze | |
organisieren sollen, man hindere die Gemeinden damit nur daran, sinnvollere | |
Integrationsarbeit zu leisten. Nicht mehr als „ganz dicke Symbolpolitik“ | |
vermutet Andreas Steenberg, finanzpolititischer Sprecher der linksliberalen | |
Radikalen Venstre, hinter dem Vorstoß. „Man sollte ihnen eine Ausbildung | |
ermöglichen, damit sie bessere Arbeitsmarktkompetenz bekommen können“, | |
fordert er. | |
8 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Daenische-Wahlsiegerin-Mette-Frederiksen/!5601123 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Dänemark | |
Mette Frederiksen | |
Sozialdemokratie | |
Migration | |
Wahlen | |
Kosovo | |
Dänemark | |
Schwerpunkt Flucht | |
Syrien | |
Sozialdemokratie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorgezogene Neuwahlen in Dänemark: Ein Ende des Schlingerkurses | |
Die aktuelle Regierung ist kaum handlungsfähig. Vorgezogene Wahlen könnten | |
das ändern. Umfragen belegen aber eine Politikverdrossenheit. | |
Dänemarks Abschottungspolitik: Der gemietete Knast im Kosovo | |
Kopenhagen will Abschiebehäftlinge in ein Gefängnis südlich von Pristina | |
stecken. Dafür werden im Kosovo zunächst 300 Haftplätze gemietet. | |
Lokalwahlen in Dänemark: Historische Schlappe für Sozis | |
Bei den Lokalwahlen in Dänemark muss die Partei der Ministerpräsidentin | |
Verluste einstecken. Die Dänen wenden sich von ihrer Flüchlingspolitik ab. | |
Geplante Asylzentren in Afrika: Ein menschenverachtendes Manöver | |
Dänemark will Asylzentren in afrikanischen Ländern etablieren. Allerdings | |
gibt es bislang kein Land, das zu diesem fragwürdigen Deal bereit ist. | |
Syrische Geflüchtete in Dänemark: Aus Jütland ins Abschiebelager | |
Als erstes EU-Land droht Dänemark Geflüchteten mit Abschiebung nach Syrien. | |
Dabei ist eine Rückkehr per Zwang derzeit ausgeschlossen. | |
Gesetzentwurf in Dänemark: Gar nicht hygge | |
Die dänischen Sozialdemokraten wollen eine Höchstgrenze für | |
Anwohner*innen „nicht westlicher“ Herkunft. Was bedeutet das für die | |
kriselnde SPD? |