# taz.de -- Norwegen sieht sich in „Stromkrise“: Oslo übernimmt Teil der R… | |
> Elektrische Energie kostet auch im Wasserkraftland Norwegen immer mehr. | |
> Das liegt an seiner engen Verbindung zur EU. | |
Bild: Strom aus norwegischer Wasserkraft wird nach Deutschland exportiert: Konv… | |
STOCKHOLM taz | Sie müssten keine Angst [1][vor der nächsten Stromrechnung] | |
haben. Das versprach Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre seinen | |
Landsleuten auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Samstag. | |
Dann präsentierte er ein Hilfspaket, mit dem der Staat die | |
Strompreisspitzen für die Haushalte kappen wird. Die öffentlichen Kassen | |
zahlen die Hälfte von dem, was einen Preis von 70 Øre (7 Eurocent) pro | |
Kilowattstunde übersteigt. | |
„Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“, s… | |
der Regierungschef. Und eine „Stromkrise“ sei „wirklich außergewöhnlich… | |
Bislang waren Stromkrisen in Norwegen unbekannt, das nahezu ausschließlich | |
seinen eigenen preisgünstigen Wasserkraftstrom verbraucht und mit einem | |
Kilowattstundenpreis von meist unterhalb der 2 Eurocent-Marke zu den | |
Ländern mit den niedrigsten Preisen gehörte. | |
Am Freitag jedoch hatte das staatliche Statistikbüro aktuelle Zahlen | |
veröffentlicht, die die Regierung offensichtlich alarmierten. Das Amt | |
meldete, im November sei der Strompreis im Vergleich zum gleichen Monat | |
2020 um 123,5 Prozent gestiegen. Die Energiepreise trieben die | |
Inflationsrate für die vergangenen zwölf Monate auf 5,1 Prozent, so hoch | |
war sie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. | |
Die Hilfen sollen für 4 Monate und für einen Haushaltsstromverbrauch von | |
monatlich bis zu 5.000 Kilowattstunden gelten. | |
## Ist die EU schuld? | |
Nun ist Norwegens Wasserkraftproduktion nicht plötzlich viel teurer | |
geworden, auch wenn ein trockener Sommer sich in sparsamer gefüllten | |
Stauseen bemerkbar macht. Hinter dem Preisruck stecken die Strommärkte. | |
Oder wie Trygve Slagsvold Vedum, Vorsitzender der Zentrumspartei, die | |
zusammen mit Gahr Støres Sozialdemokraten das Land regiert, meint: „Die EU | |
und die Stromkabel sind schuld.“ | |
Tatsächlich hat [2][Norwegen die Überführungskapazitäten mit neuen | |
Unterwasserkabeln] vor allem nach Deutschland und Großbritannien zuletzt | |
kräftig ausgebaut. In der politischen Debatte war das von Anfang an | |
umstritten. Die Elektrizitätswirtschaft mit der staatlichen | |
Netzgesellschaft Statkraft an der Spitze war dafür. Das eröffne einen | |
lukrativen Exportmarkt für überflüssigen Strom versprach Statkraft-Chef | |
Christian Rynning-Tønnesen schon vor zehn Jahren: Gebe es in | |
Norddeutschland einen Windkraftüberfluss, könne Norwegen den billig | |
importieren, die eigene Wasserkraft sparen und die dann für gutes Geld nach | |
Deutschland exportieren, wenn dort Bedarf bestehe. | |
## Profitabler Export | |
Der Haken: Das Land öffnete sich zugleich dem EU-Strommarkt und dem | |
dortigen Preisniveau. „Die Bevölkerung wurde hinters Licht geführt“, | |
kommentiert die linke Tageszeitung Klassekampen nun. Und Ketil | |
Solvik-Olsen, [3][Vizechef der rechtspopulistischen Fortschrittspartei,] | |
klagt: „Die Deutschen heizen ihr Land mit Windkraft und vertrauen darauf, | |
dass wir sie vorm Frieren bewahren, wenn es mal nicht bläst.“ | |
Immerhin: Die norwegische Staatskasse profitiert. Norwegen hat noch nie so | |
viel Geld mit dem Export von Erdgas und Elektrizität verdient wie in den | |
vergangenen Monaten. Da sind die neuen Strompreishilfe, die auf umgerechnet | |
eine halbe Milliarde Euro geschätzt werden, eher Peanuts. | |
12 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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