# taz.de -- Upcycling statt Wegwerfen: Ganz schön verpuzzelt | |
> Was macht man mit einem Puzzle, wenn ein Teil fehlt? Man bastelt daraus | |
> ein Weihnachtsgeschenk, etwa eine Halskette. Eine Anleitung. | |
Bild: Aus alt mach neu: Upcycling als Weihnachtsgeschenk | |
Wieder Advent. Wieder Lockdown. [1][Ob freiwillig], wie Steinmeier | |
vorschlägt, oder per Verordnung, wie Virolog*innen es fordern. Wieder | |
die Kinder zu Hause. Wieder müssen Eltern alles sein: Erziehende, | |
Ernährende, Beschützende, Unterrichtende, Spielgefährten, Krankenpflegende, | |
Anlaufstelle gegen Langeweile, Weihnachtsengel. Die Aufgaben, die Eltern | |
schultern müssen in den Hochphasen der Pandemie wie jetzt, sind immens. Und | |
sie müssen das bewältigen ohne viel Unterstützung von außen. | |
Da mutet es herzzerreißend an, wenn hier ein Vorschlag zum Basteln steht. | |
In der Hoffnung, dass alle, die sich von der Idee inspirieren lassen, die | |
Zeit und den Stress vergessen. Und zwar soll etwas hergestellt werden aus | |
Dingen, die zuhause herum liegen und die niemand mehr braucht: Puzzleteile, | |
kaputte Perlenketten, Tand. „Aus Alt mach Neu“, sagte mein Vater; „schön… | |
Müll“, sagt mein Kollege. [2][„Recycling, upcycling“ sagen die | |
Trendscouts]. Fakt ist: Neues kaufen ist in der Pandemie jedenfalls auch | |
kein Vergnügen. | |
In vielen Haushalten liegen Puzzles, bei denen ein paar Teile fehlen. | |
Weggeworfen werden diese nicht, denn da ist die Hoffnung, dass sich die | |
fehlenden Teile hinter Schränken, zwischen Sofapolstern oder unter | |
Teppichen doch wieder finden. Sie tun es nicht. In den allermeisten Fällen | |
zumindest. Und wenn doch, wird nicht sofort das Puzzle ausfindig gemacht, | |
zu dem sie gehören. Die Fundstücke wandern in irgendwelche Schubladen, und | |
es wird vergessen, in welche. Einmal unvollständig, bleiben die Puzzle es | |
meist. Die erste Frage also: Warum werden sie nicht in den Papiermüll | |
getan? Und die zweite: Wenn sie nicht weggeworfen werden, was kann man noch | |
damit machen? | |
Die gleiche Geschichte wiederholt sich bei kaputten Halsketten, kein echter | |
Schmuck, aber dennoch heiß geliebter. Als der Verschluss abriss, sprangen | |
ein paar Perlen raus und verteilten sich zwischen Bodendielen und Ritzen. | |
Werden sie nicht gefunden, verschwinden auch die kaputten Ketten in | |
Schatullen in der Hoffnung, sie doch irgendwann wieder zu vervollständigen. | |
Die Idee ist so charmant wie aussichtslos. Ich spreche aus Erfahrung. | |
Alter Tand liegt bei mir rum. Was es allerdings nicht gibt, sind Puzzles. | |
Für die reichte meine Geduld nie. Bis jemand jedoch bereit war, mir ein | |
altes Puzzle zu schenken, bedurfte es mehrerer Anläufe. Offenbar ist die | |
Hoffnung auf Vervollständigung doch größer als die Vernunft. Am Ende | |
erbarmte sich meine Schwester und schickte mir welche per Post, damit ich | |
endlich etwas Neues aus ihnen machen kann: Puzzleketten, Körperdeko, selbst | |
Baumschmuck für den Weihnachtsbaum ist möglich. Unikate eben. Jedes | |
verwandelte Ursprungsding fördert den Eigen-Sinn. | |
Die Idee, aus Puzzleteilen und alten Perlenketten Schmuck und Deko zu | |
machen, stammt gar nicht von mir, sondern von Witha Heussner. Sie lebt in | |
Hartheim am Rhein, diesem Dorf, das laut Statistischem Landesamt der | |
„Durchschnittsort“ von Baden-Württemberg ist [3][und über das ich im | |
Frühjahr schrieb]. Heussner wohnt dort schon ein halbes Jahrhundert – als | |
Künstlerin, Lebenskünstlerin, Vermittlerin auch. Vor ihrer Scheune steht | |
ein Büchertisch, man nimmt und gibt – es ist die Bibliothek im Ort; in der | |
Scheune wird wundersam Künstlerisches und Handwerkliches verkauft, auch | |
Second-Hand-Dinge – es ist der dörfliche Geschenkeladen; ihr Garten aber | |
ist ein Zentrum für Kunst und Kultur. | |
Heussner bietet den Kindern aus dem Dorf und der Umgebung mitunter | |
Ferienkurse an. Immer wird dabei Altes zu Neuem. Jedes Jahr macht sie etwas | |
anderes. Die Idee, Puzzleteile zu verwandeln, sei in all den Jahren | |
allerdings der Hit gewesen. Am Ende hätten die Kinder mit ihren Halsketten, | |
Armbändern, Fußbändern posiert, wie Models es tun, erzählt Heussner. Sie | |
hätten ihre Hände mit dem Armschmuck, ihre Oberkörper mit dem Halsschmuck | |
elegant in Szene gesetzt. Als wäre es etwas Überliefertes, sich zu zeigen, | |
„als liege es im Blut“. | |
Heussners großer Wunsch jedenfalls, wenn Sie ihre Idee aufgreifen: dass Sie | |
den Stress und die Pandemie vergessen, wenn Sie nach dem Schönen im | |
Vergänglichen suchen. Probieren Sie es mit Ihren Kindern aus. | |
## Und so funktioniert's: | |
1. Sie benötigen Puzzleteile, Perlen, einen festen Faden und einen | |
Ösenknopf, das ist so einer ohne Knopflöcher, aber mit einer Öse auf der | |
Unterseite, durch die man den Faden ziehen kann. Der Knopf dient als | |
Verschluss. Bei langen Ketten, die problemlos über den Kopf gezogen werden | |
können, braucht man ihn nicht, da verknotet man die Fäden einfach. | |
2. Mit einer Ahle oder einer großen, dicken Nadel werden feine Löcher in | |
die Puzzleteile gestochen. Das ist der Part, der die Mitarbeit von Eltern | |
verlangt. Wer eine Lochzange hat, hat es einfacher. | |
3. Sie nehmen einen festen Faden, idealerweise Leinenzwirn, in einer | |
großzügigen Länge und machen am Ende eine Schlaufe, die groß genug für den | |
Ösenknopf ist. | |
4. Danach fädeln Sie abwechselnd Perlen und Puzzleteile so auf die Schnur, | |
wie es Ihnen gefällt. | |
5. Dann fixieren Sie den Knopf am Faden und ziehen die abstehenden | |
Restfäden ebenfalls durch die Puzzlestücke und Perlen, damit sie nicht mehr | |
zu sehen sind. | |
6. Zum Schließen ziehen Sie nun einfach die Schlaufe, die Sie am Anfang | |
gemacht haben, über den Knopf. | |
14 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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