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# taz.de -- Unruhen in den Salomonen: Stellvertreterstreit in der Südsee
> Im Südpazifikstaat Salomonen hat ein lokaler Machtkampf zu Unruhen
> geführt. Auch die Spannungen zwischen den USA und China spielen eine
> Rolle.
Bild: Abgebrannte Geschäfte in der Chinatown von Honiara: die Haupstadt der Sa…
Berlin taz | Nach mehrtägigen Unruhen und Plünderungen hat sich im
Südseestaat Salomen die Lage am Wochenende beruhigt. Dazu beigetragen haben
auch jüngst eingeflogene Soldaten und Polizisten aus Australien und
Papua-Neuguinea, die seit Freitag in der Hauptstadt Honiara patrouillieren
und eine von der Regierung verhängte nächtliche Ausgangssperre
durchzusetzen helfen.
Nach Angaben der lokalen Polizei wurden wegen der Ausschreitungen bisher
mehr als 100 Personen festgenommen. Drei Leichen wurden in einem
abgebrannten Geschäft in der Chinatown gefunden. Mutmaßlich handelt es sich
um Opfer der Brandstiftungen der letzten Tage, die sich vor allem gegen die
chinesische Minderheit richteten.
Die Regierungen von Australien und Papua-Neuguinea waren von
Premierminister Manasseh Sogavare um Hilfe gebeten worden. Mit Canberra,
das schon von 2003 bis 2017 in den Salomonen intervenierte, gibt es seit
2017 ein entsprechendes Abkommen. Australien schickte jetzt bisher 120
Sicherheitskräfte, Papua-Neuguinea etwa 50.
Am Mittwoch waren Proteste gegen Sogavare, dem die rund eintausend
Demonstranten eine verfehlte Wirtschaftspolitik vorwarfen und ihn
vergeblich zum Rücktritt aufforderten, gewaltsam eskaliert. Dabei zündeten
die Demonstranten, die meist per Schiff von der Insel Malait gekommen
waren, das Parlament und auch eine Polizeistation an. Versuche, in die
Residenz von Sogavare einzudringen, konnte die Polizei mit Tränengas und
Warnschüssen noch abwehren.
## Symbolische Zielscheibe Chinatown
Doch im weiteren Verlauf zog ein mit Äxten, Knüppeln und Macheten
bewaffneter Mob mehrfach durch Chinatown, wo bis einschließlich Freitag
fast alle Geschäfte geplündert und angezündet wurden. Berichten zufolge
sollen einige mit taiwanischen Fahnen geschmückte Geschäfte verschont
worden sein.
Bereits 2006 war die Chinatown gebrandschatzt worden. Die chinesische
Minderheit in den Salomonen, die bis 1978 eine britische Kolonie waren,
gilt als relativ wohlhabend. Zwar leben viele Chines*innen bereits
Jahrzehnte in dem Archipelstaat mit 700.000 Einwohnern und begreifen sich
weder als Vertreter der Volksrepublik China noch Taiwans. Doch zeugt der
Streit um die Politik gegenüber den beiden Chinas vom innenpolitischen
Machtkampf und wird von Peking und Taipeh befeuert.
Sogavare machte am Freitag „ausländische Mächte“ für die Unruhen
verantwortlich. Er nannte keine Namen, aber es war offensichtlich, dass er
Taiwan und die USA meinte. Denn im September 2019 hatte seine Regierung
diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China aufgenommen, worauf
Honiara entsprechend Pekings Ein-China-Politik die Beziehungen zu Taiwan
abbrechen musste.
Peking betrachtet [1][Taiwan, das offiziell Republik China heißt, als
abtrünnige Provinz]. Die Volksrepublik behält sich eine gewaltsame
Vereinigung mit der nur noch von gut einem Dutzend Staaten offiziell
anerkannten Inselrepublik vor.
## Umstrittener Seitenwechsel
China und Taiwan buhlen seit Jahren mittels Dollardiplomatie um
internationale Anerkennung. In den Salomonen war die Entscheidung äußerst
umstritten. Auf der sich vernachlässigt fühlenden Insel Malaita, wo etwas
mehr Menschen leben als auf der Iinsel Guadalcanal mit der Hauptstadt
Honiara, hat Taiwan starken Rückhalt. Im wohlhabenderen Guadalcanal selbst
gibt es Vorbehalte gegen Migrant*innen aus Malaita, was bereits in der
Vergangenheit zu gewaltsamen ethnischen Konflikten mit zahlreichen
Todesopfern geführt hat.
Offenbar klangen für die Regierung in Honiara Pekings Offerten attraktiver,
weshalb Taiwan fallen gelassen wurde. Doch bisher haben sich die Hoffnungen
auf chinesische Investitionen nicht erfüllt, wozu [2][auch die
Coronapandemie] beigetragen haben dürfte. Jedenfalls kam in Malaita kein
chinesisches Geld an, weshalb lokale Politiker einschließlich des dortigen
Premiers Daniel Suidani schon seit Langem fordern, wieder Taiwan
anzuerkennen. Suidani wirft zudem Sogavare vor, er habe sich von Peking
bestechen lassen.
Auch die USA mischen in dem Konflikt mit. Washington beobachtet mit
Argwohn, wie sich Pekings strategischer Einfluss im Südpazifik immer weiter
ausdehnt. Die Region galt bisher als Domäne der USA und Australiens. Im
Herbst 2020 bewilligte die US-Regierung 25 Millionen Dollar direkte
Entwicklungshilfe für Malaita – an der pekingfreundlichen Regierung in
Honiara vorbei.
Die Unruhen in den Salomonen haben also starke Züge eines
Stellvertreterkonfliktes. Die Ironie ist, dass Australien, das selbst
starke Spannungen mit China durchlebt, sich Sorgen über dessen Machtzuwachs
im Pazifik macht und schon mehrfach in der Region als Hilfssheriff
Washingtons aufgetreten ist, jetzt ausgerechnet auf Seiten des
pekingfreundlichen Sogavare interveniert. Doch ist noch unklar, wie
Australiens konservative Regierung, die offiziell ihre Neutralität betont,
ihren neu gewonnenen Einfluss nutzen wird.
28 Nov 2021
## LINKS
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[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
## AUTOREN
Sven Hansen
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Salomonen
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