# taz.de -- Die Royals und die Geheimdienste: Die Disneyfizierung der Monarchie | |
> Historiker haben die Zusammenarbeit der königlichen Familie mit den | |
> britischen Nachrichtendiensten untersucht. Es ist ein mutiges | |
> Unterfangen. | |
Bild: Anpacken und Bäumepflanzen mit dem Sohn | |
Als Boris Johnson Mitte November verkündete, die Queen sei gesund, löste | |
das Panikreaktionen aus. Seit Jahren planen alle Medienanstalten die | |
Beerdigung Elisabeths II., und Johnsons Kommentar sorgte dafür, dass die | |
Nachrufe noch einmal auf den neuesten Stand gebracht wurden. Am Tag X | |
werden wir die altbekannten Geschichten über die königliche Ehe (70 Jahre | |
Liebe) und Kinder (nur teilweise missraten) hören. | |
Auch die unverwüstlichen Herrscherlegenden werden wieder auftauchen: Schon | |
Elisabeths Vorfahre Georg III. soll aufgrund seines bescheidenen Auftretens | |
mit einem Bauern verwechselt worden sein und ein junger Stallbursche habe | |
angeblich Queen Victoria für eine arme Witwe gehalten, was die gütige Frau | |
ihm natürlich vergab. | |
Ähnlich milde soll Elisabeth II. reagiert haben, als sie inkognito auf | |
einen unbedarften Touristen traf. Der Mann beschwerte sich über die | |
schlechten Wanderwege, und die Königin, Besitzerin des matschigen Geländes, | |
stimmte ihm freundlich zu. Geschichten dieser Art sorgen für die | |
Disneyfizierung der Monarchie. | |
Die Historiker Richard Aldrich und Rory Cormac haben jetzt einen anderen | |
Blick gewählt. In ihrem Buch „The Secret Royals“ untersuchen sie die | |
Zusammenarbeit der königlichen Familie mit den britischen | |
Nachrichtendiensten. Es ist ein mutiges Unterfangen, denn [1][die Akten | |
beider Institutionen sind größtenteils gesperrt.] | |
## History police | |
Die Autoren bezeichnen die Royals daher auch als „history police“, die | |
versuche, das Narrativ zu kontrollieren. Material würde entweder vernichtet | |
(unter anderem in den 1980er Jahren die Korrespondenzen Queen „Mums“) oder | |
sofort eingezogen. Als ein Dokument auftauchte, das zeigte, wie Elizabeth | |
II. in den 1990er Jahren politisches Lobbying betrieb, um eine neue royale | |
Yacht zu bekommen, wurde die gesamte Akte umgehend einkassiert. Seit 2018 | |
erhält sie den Vermerk „wird derzeit überprüft“. | |
Doch trotz all dieser Hindernisse können uns Aldrich und Cormac mit neuen | |
Quellen überraschen. Sie zeigen, wie die Nachrichtendienste die Royal | |
Family seit Jahrzehnten sowohl vor Terroristen als auch den eigenen | |
Familienmitgliedern schützen. Schon Georg V. ließ die Telefongespräche | |
seines Sohnes Edward von MI5 abhören [2][und Georg VI.] setzte die | |
Überwachung seines naziaffinen Bruders fort. Nach dem Krieg verlangte er | |
ein Dossier über den Lebenswandel seines Schwiegersohns Philip (Fazit: Wird | |
nicht treu bleiben können). | |
Vor allem zeigt uns das Buch jedoch, wie gut Elisabeth II. seit ihrem 25. | |
Lebensjahr informiert wird. Kein Mensch der Welt kennt mehr Geheimnisse als | |
sie. In den 1950er Jahren konnte sie dadurch auch erfahren, dass | |
MI6-Agenten Regimewechsel im Nahen Osten planten. Als König Husseins | |
einflussreicher Onkel britische Interessen in Jordanien gefährdete, fragte | |
die Königin, warum „eigentlich keiner dem Mann etwas in den Tee gibt?“ Von | |
Anthony Edens Doppelspiel in der Suezkrise war sie dann allerdings weniger | |
begeistert und bezeichnete den Premier als „verrückt“. | |
## Nach dem Tod | |
Ausgerechnet das Suezdebakel verhalf der Monarchie jedoch noch einmal zu | |
neuer Relevanz. Die Königin wurde auf unzählige Commonwealth-Reisen | |
geschickt. Sie sollten demonstrieren, dass Großbritannien immer noch ein | |
Global Player war, der Gutes an den ehemaligen Kolonialvölkern vollbringen | |
wollte. | |
Das Commonwealth wird nach ihrem Tod mit großer Wahrscheinlichkeit | |
auseinanderbrechen. Denn eines ist sicher: Elisabeth II. ist immer sehr | |
viel mehr gewesen als eine Disneyfigur. | |
8 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Karina Urbach | |
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