| # taz.de -- Die Wahrheit: Neues vom Blickregime | |
| > Kommod von der Kommode aufs Sofa: Fernsehen kommt heute so derart | |
| > diversifiziert daher, dass es schwerfällt, nicht die Muße zu verlieren. | |
| Heute möchte ich einmal über Fernsehkonsum sprechen. Das war früher mal | |
| etwas ähnliches wie Zigarettenrauchen, also einerseits verpönt, | |
| andererseits deswegen auch irgendwie geil und drittens einfach eine | |
| mitunter ganz vernünftige Freizeitbeschäftigung, denn immerhin liefen gute | |
| Spätfilme, lustige Sitcoms oder entspannende Rätselsendungen (neudeutsch: | |
| Quizshows) zum Mitraten. | |
| Heutzutage hat sich das Fernsehen wie auch sonst alles ins Unendliche | |
| diversifiziert. Es gibt konventionelles Fernsehen, das aus dem Kabel kommt | |
| und neben ein bisschen Sport in der Hauptsache Krimis, Politik und | |
| rechtskonservative Unterhaltungsformate anbietet; es gibt | |
| Satellitenzugänge, die dasselbe in endloser Erweiterung bieten und | |
| Smart-TV, das … Aber wem erzähle ich das. Mein eigener Fernsehkonsum hat | |
| sich auf die „Sportschau“ und „Willkommen Österreich“ verengt, für an… | |
| fehlen Zeit und Muße. | |
| Die Liebste neben mir durchlebt unterdessen eine Phase, in der sie sich | |
| durch die Mediathek der Altsender guckt und sich uralte Folgen von | |
| „Traumschiff“, „Die Schwarzwaldklinik“ oder „Diese Drombuschs“ zum | |
| „Runterkommen“ reinzieht. Bei denen fühle ich mich einerseits ungut in | |
| meine Kindheit zurückversetzt (Guckkastenprinzip „Lagerfeuer“: Man muss die | |
| Scheiße mitansehen, die „die Erwachsenen“ so gut finden) und frage mich | |
| andererseits, was a) aus Klausjürgen Wussow geworden ist (tot? In Pension?) | |
| und b) wie man damals eigentlich Drehbuchautor wurde, und wieso das auch | |
| später nie ein Weg war, der sich mir öffnete – beschränkte Dialoge, alberne | |
| Handlungen, klischierte Figurenzeichnungen, das sind doch sozusagen meine | |
| special skills. | |
| ## 30 Penisse in einer Szene | |
| Aber ja, andere gucken Netflix, den Streaminganbieter, der alles bietet | |
| und es Paaren ermöglicht, jahrelang nebeneinanderher zu leben und doch | |
| gemeinsame Themen zu finden, nämlich Nachbetrachtungen zu aktuellen | |
| Lieblingsserien. Im Moment, lese ich in der österreichischen Tageszeitung | |
| Die Presse, laufen da höchst sexualisierte Formate, die um pompös | |
| ausgestattete Sexszenen herum entweder vorgeben, historische Stoffe zu | |
| imitieren oder insgesamt das gute, alte Format der High-School-Serie | |
| erotisch aufpeppen. „In ‚Euphoria‘ zählten Fans in einer Szene 30 Penisse | |
| (gedreht wurde mit Prothesen)“, steht da zum Beispiel, was ja wirklich eine | |
| lustige Vorstellung ist. Was macht ein Komparse, der unter der Prothese | |
| eine echte Erektion hat? Hoffen, dass es nicht auffällt? | |
| Oder dieser Satz: „Marvel-Filme und andere Blockbuster haben ein | |
| sexualisiertes Blickregime, sind aber vollkommen sexlos.“ Ins Kino gehen | |
| wir seit Corona allerdings auch nicht mehr. Im selben Artikel ist zu lesen, | |
| dass unsere so beliebte und unbequeme Identitätspolitik es bereits ins | |
| Fernsehen geschafft hat: „Repräsentation wird als wichtig angesehen“, so | |
| Geschlechterwissenschaftler Sebastian Fitz-Klausner. „Daher kommodifizieren | |
| Firmen die Identitätspolitik.“ Kommod von der Kommode aufs Sofa. | |
| 1 Dec 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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