# taz.de -- Die Wahrheit: Spoart is hoart | |
> Gesund sollen sie sein, gerade im Alter, die Leibesertüchtigungen. Aber | |
> sie eröffnen auch merkwürdige zeitliche Dimensionen. | |
Bekanntlich wird man ja nicht jünger. Niemand, den ich kenne, wird das. Was | |
helfen soll, den Alterungsprozess zumindest aufzuhalten, ist entgegen | |
landläufiger Meinung nicht das Verfassen von ellenlangen bösen Kommentaren | |
in den sozialen Medien, sondern, ja, Sport. | |
Das stimmt zwar tatsächlich einerseits, aber andererseits ist Sport im | |
Alter etwas, das mehrere zeitliche Dimensionen gleichzeitig eröffnet. Beim | |
Joggen oder Schwimmen, eher noch beim Fußball erinnert man sich, was man | |
früher einmal leisten konnte: Wie schnell man da war, wie wenig Zeit man | |
zum Regenerieren brauchte, wie schmerzfrei und unbelastet man auftrat. | |
Jetzt tritt man kurz zu einem Sprint an, verbiegt sich dabei den Rücken | |
oder das Knie und darf wieder monatelang in die Reha, damit man im nächsten | |
Sommer überhaupt wieder auf dem Platz stehen kann. | |
Es kann aber auch am Sport selbst liegen, zumindest an der Sportart, denn | |
die eine ist altersgerechter als die andere. Fußball ist nichts für Leute | |
über dreißig, auch wenn man sich beim Tritt gegen den Ball gern noch einmal | |
so fühlt wie mit zwölf. Wenn in schmuddeligen Kabinen selbst bei Alten | |
Herren der Wunsch aufscheint, in den großen Stadien der Welt zu spielen. | |
Ein Kindheitstraum, den man sich im Alter im kleinen Rahmen – statt Camp | |
Nou in Barcelona eben die Sportanlage Dr. Hermann-Schnell bei der Union | |
Altona – noch einmal erfüllen möchte. | |
Aber Fußball ist eine gnadenlose Sportart, oder, um es neudeutsch zu sagen: | |
Fußball ist voller Ageism. Dann doch lieber Schwimmen – das ist eh besser | |
für den Rücken. | |
Oder Tischtennis. In Wien, meiner derzeitigen zweiten Wahlheimat, habe ich | |
in der direkten Nachbarschaft eine heruntergekommene Tischtennishalle | |
entdeckt. Montags und mittwochs spielen hier „Pensionisten“, die sich | |
über zugezogene Neuankömmlinge jeden Alters freuen. Was günstiger kommt, | |
als in den angeschlossenen Verein einzutreten, denn die Pensionisten nehmen | |
pro Spieltag 5 Euro, im Monat 15, der Verein will gleich 240 im Jahr. | |
Also spiele ich jetzt mit Altinternationalen, die mangelnde Mobilität mit | |
sicherem Spiel und ordentlich Schnitt in den Bällen ausgleichen. Zwar hat | |
man hier und da Angst, dass sich jemand letal verausgabt, einen | |
Lungenkollaps bekommt, einen Oberschenkelhalsbruch oder einen | |
Herzklabaster, und auch die Teilnehmerliste hat etwas von einer Meldeliste | |
an der Front: Wer ist noch da? Wen müssen wir leider streichen? | |
Zugleich habe ich mich so jung und gut lange nicht mehr gefühlt. Und als | |
ich mit der echten Wienerin Trude, die knapp über neunzig ist und | |
Einzelunterricht nimmt, gegen zwei rüstige Herren ein Doppel – in Wien sagt | |
man „Vierer“, und gut geschlagene Bälle kommentiert man mit: „schä!“,… | |
für „schön!“ – mit drei zu eins in den Sätzen gewann, wusste ich: Hier… | |
ich richtig. Die Jugend wird eh überschätzt, am meisten von ihr selbst. | |
5 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
René Hamann | |
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