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# taz.de -- Cottbuser Grünen-Politikerin verurteilt: Die Rache des Kampfsportl…
> Die Grünen-Politikerin Barbara Domke wird verurteilt, nachdem sie auf
> Facebook eine „Zeit“-Recherche geteilt hat​. Der Kläger, ein Neonazi,
> darf jubeln.
Bild: Domke darf bestimmte Informationen über den Kläger nicht mehr verbreite…
taz | Berlin Der Schock sitzt tief und Barbara Domke kann es noch immer
nicht richtig fassen. Weil sie eine Recherche der renommierten
Wochenzeitung Die Zeit auf Facebook geteilt hat, ist die Cottbuser
Grünen-Kommunalpolitikerin und engagierte Antifaschistin [1][vom
Landgericht Cottbus] verurteilt worden.
[2][Auf Twitter schrieb Domke]: „Ein rechtsextremer Kampfsportler hat mich
vor das Landgericht gezerrt, weil ich einen Zeit-Artikel geteilt habe.
Jetzt kam das Urteil. Er hat gewonnen. Neueste Masche von Rechtsextremen.
Hat jemand eine Ahnung, was man so als Sozialarbeiterin verdient?“ Dazu das
Hashtag #FCKNZS.
Laut dem der taz vorliegenden Urteil vom 4. November (Az.: 3 O 208/21) darf
Domke nun bestimmte Behauptungen über den Kläger nicht verbreiten, der eine
zentrale Figur der Cottbuser Neonazi-Szene und Kampfsportler ist. Untersagt
wurde die Verbreitung von Informationen etwa über seinen
Gesundheitszustand, mutmaßliche Aktivitäten in der Cottbuser
Kriminellen-Szene rund um Waffen-, Drogen- und Menschenhandel sowie seine
Rolle als möglicher Kopf eines extrem rechten Netzwerks im Süden
Brandenburgs.
Die Kosten des Verfahrens wurden Domke auferlegt: Wie sie selbst
auflistete, geht es um eigene Anwaltskosten in Höhe von 876 Euro, die der
Gegenseite von mehr als 900 Euro, zuzüglich von Gerichtskosten bei einem
Streitwert von 10.000 Euro. „Ich bin so lost“, schrieb Domke.
## Rechter Kampfsportler ist klagefreudig
Was war geschehen? Mit einer Leseempfehlung hatte die Kommunalpolitikerin
auf ihrem Facebook-Account mit Copy and Paste einen Text der Die Zeit
verbreitet; ähnlich hatten es zuvor andere Facebook-Nutzer wie „AfD Watch
Brandenburg“ gemacht. Ein Link zu Zeit Online fehlte. Domke hatte womöglich
deshalb auch übersehen, dass zu diesem Zeitpunkt der Text dort auch gar
nicht mehr verfügbar war, bis heute nicht. Als ein Schreiben des Anwalts
des Kampfsportlers bei ihr einging, löschte sie zwar ihren Facebook-Post,
unterschrieb aber nicht die geforderte Unterlassungserklärung.
Die Zeit hatte den Beitrag mit der Überschrift „Rechtsextremismus: Der Clan
von Cottbus“ nach einer juristischen Auseinandersetzung vom Netz genommen.
Domke selbst als Akteurin der antifaschistischen Szene in Cottbus war zwar
im Text der Zeit zitiert worden, um ihre eigenen Aussagen ging es in der
Auseinandersetzung allerdings nicht.
In erster Instanz hatte die Wochenzeitung noch gewonnen, dann aber war ihr
in zweiter Instanz die Verbreitung von mehreren Passagen untersagt worden.
Der klagefreudige Kampfsportler durfte jubeln. Auch mit der Berliner
Morgenpost hatte er sich inzwischen juristisch angelegt, hier erzwang er in
einem Text mit der Überschrift „Im Reich der Rechten“ allerdings nur die
Löschung einer Passage.
Für Barbara Domke bleibt die Entscheidung des Cottbuser Landgerichts
unverständlich. Sie verstehe nicht, „wie man dafür belangt werden kann,
wenn man einen Artikel in sozialen Netzwerken teilt“, sagt sie der taz. Es
sei ihr bewusst, dass jeder Mensch Rechte habe und dafür auch rechtliche
Mittel nutze, um diese durchzusetzen. „Im hier vorliegenden Fall wurde aber
bewusst versucht, ein Exempel zu statuieren, um meine Person genau dort zu
treffen, wo es am meisten weh tut: finanziell. Denn Rechtsstreitigkeiten
kosten sehr viel Geld und vor dem Landgericht herrscht Anwaltszwang“, sagt
Domke.
## Politische Gegner:innen mit den Kosten drangsalieren
Der Fall hat aus Sicht von befragten Jurist:innen vor allem zwei
Aspekte. Der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann beobachtet, dass immer
häufiger versucht wird, nicht nur juristisch gegen Autor:innen eines
Textes oder ihre Verlagshäuser vorzugehen, sondern auch gegen politische
Gegner:innen, die inkriminierte Zeitungsbeiträge im Netz verbreiten – mit
dem Ziel, sie über die auferlegten Kosten kaputtzumachen.
Er sieht aber auch das häufige Problem nicht ausreichender Medienkompetenz
bei Nutzer:innen sozialer Netzwerke. „Wenn man das richtig macht, ist
man rechtlich geschützt“, sagt Rechtsanwalt Hoffmann – und rät
Aktivist:innen, dazu angebotene Fortbildungen der Opferberatungen zu
nutzen.
Ähnlich schätzt das der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun ein, der das
Urteil aus Cottbus ebenfalls genau geprüft hat. „Kein Justizskandal“, sagt
er. Wahrscheinlich sei Domke tatsächlich haftbar für die Verbreitung der
umstrittenen Inhalte. Ihre Erfolgsaussichten bei einem weiteren
Rechtsstreit seien „eher unterdurchschnittlich, ob es einem gefällt oder
nicht“.
Auch Jun beobachtet: „Wir haben in letzter Zeit häufiger erlebt, dass
Aktivisten im rechten Spektrum mit Abmahnungen versuchen zu verhindern,
dass über sie berichtet wird.“ Dabei richteten sie sich häufig auch gegen
User, die einen fremden Inhalt weitergeleitet hätten. „Teilen oder
Retweeten löst eine Haftung aus, die häufig überrascht. Gerade bei
enthüllenden Recherchen über politische Gegner kann man sich nicht einmal
auf die Sorgfalt von Qualitätsmedien verlassen“, sagt Jun.
## Keine Fehler gemacht, sagt Die Zeit
Die Zeit beteuert, keine Fehler gemacht zu haben. Eine Verlagssprecherin
erklärt auf taz-Anfrage: „Wir stehen weiterhin zu unseren Recherchen, die
von zwei Gerichtsinstanzen in Detailfragen unterschiedlich bewertet wurden.
Wir lassen uns nicht davon abbringen, die rechtsextreme Szene genau zu
beobachten. Gerade in Cottbus ist furchtloser Journalismus nötiger denn
je.“
Ein respektables Statement – Schadensersatzansprüche gegen die
Wochenzeitung indes sind damit nicht begründet. Barbara Domke hat
inzwischen vom Verein Opferperspektive Unterstützung bekommen und [3][auf
GoFundMe eine Spendenseite eingerichtet]. Alle eingehenden Spenden will sie
ausschließlich für die Gerichtskosten verwenden. Was übrig bleibt, geht an
den Verein Opferperspektive e.V. Einschüchtern lassen in ihrem Engagement
will sie sich auch weiterhin nicht.
6 Nov 2021
## LINKS
[1] /Cottbus/!t5048434
[2] https://twitter.com/barbaradomke
[3] https://www.gofundme.com/f/kampf-gegen-rechts-und-ihre-rechtlichen-folgen?u…
## AUTOREN
Matthias Meisner
## TAGS
Cottbus
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