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# taz.de -- Institut in Bayern gegründet: Akademie der Coronaverharmloser
> Eine ausgerechnet nach Hannah Arendt benannte neue Akademie macht
> Stimmung gegen die Coronapolitik. Mit dabei: die üblichen Verdächtigen.
Bild: Auch Corona-Protestler im April in Berlin vereinnahmten Hannah Arendt fü…
BERLIN taz | Schon der Name ist eine Anmaßung. „Hannah Arendt Akademie der
Denker“ nennt sich die im bayerischen Starnberg gegründete Einrichtung. Die
Initiator:innen berufen sich mit der US-amerikanischen Historikerin
Arendt auf das Konzept der „Pluralität“ im politischen Raum – und haben
doch mit ihren aktuell gut zwei Dutzend Dozent:innen und
Gastredner:innen vor allem jene versammelt, die sich mit extremem
Misstrauen gegen alle Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie wehren.
Das verschwörungsideologische Portal Rubikon bewirbt die Akademie denn auch
euphorisch. Die Rede ist dort von einem „Hoffnungs-Quickie“, der „Geburt
einer neuen Bildungskultur“ und einem „Studium auf höchsten
wissenschaftlichem Niveau“.
Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsvorsitzende in Bayern, sagt dagegen:
„Hannah Arendt würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie mitbekommen könnte,
wer ihren Namen missbraucht.“ Die Akademie komme im Gewand einer
Universität daher, sei aber ein „kruder Zusammenschluss von mindestens
Coronaverharmloser:innen“. Schulze warnt: „Man sollte nicht auf
deren Angebot reinfallen.“
Juristisch betrachtet haben die Initiator:innen des Projekts nichts
falsch gemacht. Ausdrücklich verzichteten sie darauf, sich als Hochschule
akkreditieren zu lassen und stellen zwar Bescheinigungen über Teilnahmen am
Lehrbetrieb aus, jedoch keine staatlich anerkannten Zertifikate.
## Begriff der Akademie ist nicht geschützt
Ein Sprecher des bayerischen Wissenschaftsministeriums sagt auf
taz-Anfrage, der Name „Akademie“ sei – anders als die Bezeichnungen
„Universität“, „Hochschule“ oder „Fachhochschule“ – nicht gesch�…
wissenschaftlicher Verein, der sich Akademie nennt, unterliegt keiner
Kontrolle durch das Wissenschaftsministerium.“
Seit nun einer guten Woche werden ein Studium generale mit Vorlesungen und
Seminaren angeboten, daneben eine interdisziplinäre Ringvorlesung, in der
Gastdozent:innen laut Selbstdarstellung „aktuelle Themen der Zeit
analytisch, kritisch und schöpferisch reflektieren“ – im laufenden
Wintersemester alles zunächst online.
Zur illustren Runde der Vortragenden gehören etwa der ultrarechte Chef der
Werte-Union, [1][Max Otte]. Der als Aidsleugner, Verschwörungsideologe und
Impfgegner bekannte [2][Stefan Lanka], der bei Querdenken in Stuttgart
demonstrierte und seine kruden Thesen bei Ken FM ausbreitete – und der nun
Gastredner für Meeresbiologie werden soll. Der Hamburger Professor und
Klimawandelleugner [3][Ralf Otterpohl], der auch schon mal für die rechte
Anastasia-Bewegung warb. Oder der Psychotherapeut Franz Ruppert, der im
Bundestagswahlkampf für die Partei Die Basis warb und meint, Todesangst vor
Corona sei abwegig. „Die ganzen Maßnahmen machen die Menschen krank, von
vorn bis hinten.“
[4][Daniele Ganser] wiederum, der die ermittelten Ursachen für die
Terroranschläge am 11. September 2001 bezweifelt, wird zum Gastredner für
Geschichte. Der Youtuber [5][Gunnar Kaiser], aktiv in Netzwerken von
Coronaleugner:innen, wird zum Dozenten für Philosophie. Und, und,
und. Fehlte eigentlich nur noch der Schauspieler [6][Jan Josef Liefers],
der tatsächlich im Oktober noch als Redner für den Bereich Film/Schauspiel
angekündigt, dann aber ohne Erklärung wieder von der Liste genommen wurde.
Hinter allem stecken als Macher Christian Klammer und seine Frau, die
zusammen in Starnberg ein Schuhgeschäft führten, und der Rubikon-Autor
Matthias Burchardt aus Köln. Angeblich arbeiten alle Lehrkräfte zunächst
ehrenamtlich.
## Initiator sieht Land auf dem Weg in „einen Unrechtsstaat“
Christian Klammer weist den Verdacht, er betreibe eine Art
„Querdenken-Uni“, empört zurück. Damit werde die Initiative, die
„riesigen Zuspruch“ habe und „große Begeisterung“ auslöse, „verungl…
Die Kritik an den Coronamaßnahmen sei keinesfalls die einigende Klammer für
das Vorhaben.
Berufen worden seien „anerkannte Wissenschaftler“, die zu Unrecht als
Verschwörungstheoretiker, Querdenker und Spinner abgestempelt würden. In
der Debatte kämen sie „nicht zu Wort“. Dann behauptet Klammer, es gebe
nicht nur eine „Pandemie der Ungeimpften“, sondern auch eine der Geimpften.
Klammer spricht von einer „Intensivbettenlüge“ und sieht „schwere
demokratische Verwerfungen“ in der Coronakrise: „Wir sind auf dem besten
Weg in einen Unrechtsstaat.“
## „Problematische Narrative werden normalisiert“
Die Wissenschaftlerin Pia Lamberty, die zu Verschwörungsideologien
forscht, warnt indes vor der „Akademie“. Die Dozierenden seien Personen,
„die immer wieder durch die Verbreitung von Falschinformationen und
mindestens verschwörungsideologisches Geraune aufgefallen sind“. Und: „So
werden problematische Narrative in der Gesellschaft weiter normalisiert.“
Auch die bayrische Grünen-Fraktionschefin Schulze fordert,
Verschwörungsmythen müsse „umfassend entgegengetreten und die Verbindungen
der Personen in die rechtsextreme Szene aufgeklärt werden“.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter warnt: „Die krude Mischung aus
harten Verschwörungsideologen und gemäßigter auftretenden
Maßnahmenkritikern hat ziemlich offensichtlich das Ziel, an Menschen
heranzukommen, die verunsichert sind und sich eine offene Diskussion
wünschen. Herangeführt werden sie dann aber an Chemtrail-Ideologen oder an
Leute, die Angst vor einem Wirtschaftskollaps befeuern, um aus dieser Angst
Profit zu schlagen.“ Der moderate Ton auf der Homepage der Akademie stehe
„in keinem Verhältnis zu den Fake-News und radikalen Aussagen, die viele
aufgeführte,Dozenten' in der Vergangenheit verbreitet haben“, so Ritter.
19 Nov 2021
## LINKS
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[5] /Appell-von-Rechten-und-Konservativen/!5711446
[6] /Aktion-allesdichtmachen-im-Netz/!5763320
## AUTOREN
Matthias Meisner
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