# taz.de -- EuGH urteilt gegen Ungarn: Stopp für „Stoppt-Soros-Gesetz“ | |
> Ungarn habe Flüchtlingshelfer zu Unrecht mit Strafe bedroht, entscheidet | |
> der Europäische Gerichtshof. Die Hilfsorganisation HHC begrüßt das | |
> Urteil. | |
Bild: Hat das Asylrecht so eingeschränkt, dass fast alle Asylanträge als unzu… | |
Freiburg taz | Die Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern in Ungarn | |
verstößt gegen EU-Recht. Dies entschied an diesem Dienstag der Europäische | |
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Geklagt hatte die EU-Kommission. | |
Mitte 2018 hatte Ungarn ein Gesetz beschlossen, das Hilfe bei unzulässigen | |
Asylanträgen zur Straftat erklärte. Seitdem drohen Haftstrafen bis zu einem | |
Jahr. Als Beispiele für strafbare „Organisationstätigkeiten“ nannte das | |
Gesetz etwa die „Verbreitung von Informationsmaterial“. Mit der | |
Kriminalisierung solle bekämpft werden, dass Asylanträge „missbräuchlich“ | |
gestellt würden. | |
Das Gesetz wurde „Stopp-Soros-Gesetz“ genannt. Die nationalkonservative | |
ungarische [1][Regierung unter Victor Orbán] behandelt den [2][US-Investor | |
und Mäzen George Soros] als Staatsfeind. Orbán unterstellt Soros alle | |
möglichen finsteren Pläne, insbesondere die „Überflutung“ der EU mit | |
Flüchtlingen. | |
Das Hungarian Helsinki Comitee (HHC) bezog das Gesetz vor allem auf seine | |
Tätigkeit. Nach eigenen Angaben ist es die einzige ungarische NGO, die | |
kostenlos Flüchtlinge berät und vertritt. Das HHC wird finanziell vom | |
UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) unterstützt. | |
Das ungarische Verfassungsgericht verlangte 2019 eine einschränkende | |
Auslegung des Gesetzes. Eine uneigennützige Unterstützung von | |
Hilfsbedürftigen dürfe nicht bestraft werden. Das Verfassungsgericht hob | |
das Gesetz aber nicht auf. Für HHC blieb die einschüchternde Wirkung | |
deshalb bestehen: Es sei nach wie vor unklar, wo die Strafbarkeit beginne, | |
so die damalige Kritik. | |
## Gegen Kriminalisierung von Helfern | |
Ebenfalls 2019 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungserfahren | |
gegen Ungarn ein. Das Stopp-Soros-Gesetz bedrohe faktisch jeden | |
Flüchtlingshelfer mit Strafe, weil das ungarische Asylrecht so massiv | |
eingeschränkt wurde, dass fast alle Asylanträge als unzulässig gelten. Die | |
EU-Kommission beanstandete deshalb auch, dass Asylanträge in Ungarn schon | |
deshalb unzulässig sind, wenn ein Antragsteller nicht in mindestens einem | |
Drittstaat, über den er eingereist ist, verfolgt wurde. | |
Der EuGH verurteilte nun Ungarn wegen Verletzung des EU-Rechts. Der | |
EU-Gerichtshof betonte, dass Ungarn Asylanträge nicht aus Gründen für | |
unzulässig erklären darf, die über EU-Recht hinausgehen. Deshalb verstoße | |
es gegen EU-Recht, wenn schon die Einreise über sichere Drittstaaten einen | |
Asylantrag unzulässig macht. Nach EU-Recht ist dies nur möglich, wenn der | |
Asyl-Antragsteller zu mindestens einem der Drittstaaten, durch die er | |
gereist ist, eine „Verbindung“ hat, so dass eine Rückkehr möglich ist. | |
In diesem Zusammenhang sah der EuGH auch in der Kriminalisierung von | |
Flüchtlingshelfern einen Verstoß gegen EU-Recht. Das ungarische Strafgesetz | |
erfasse auch Personen, die Asylanträge unterstützen, die nur nach dem | |
EU-rechtswidrigen ungarischem Recht keine Aussicht auf Erfolg haben. | |
Auch könne von Flüchtlingshelfern nicht verlangt werden, schon bei der | |
Asylantrags-Stellung einzuschätzen, ob der Antrag erfolgversprechend ist | |
oder nicht, so der EuGH. Das ungarische Strafgesetz sei daher geeignet, | |
auch Personen abzuschrecken, die nur Flüchtlingen helfen wollen, von ihrem | |
Grundrecht Gebrauch zu machen, einen Asylantrag zu stellen. | |
Das Hungarian Helsinki Comitee begrüßte das EuGH-Urteil. Man habe sich aber | |
durch das Gesetz nicht einschüchtern lassen und in der Zwischenzeit 1.800 | |
Asylantragsteller:innen in Ungarn geholfen, sagte Márta Pardavi, die | |
Co-Vorsitzende des HHC. (Az.: C-821/19) | |
16 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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