Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Widersprüche im Feminismus: Der Stammtisch
> Eigentlich kann der Feminismus gar nicht genug Wellen haben. Auch wenn
> das bedeutet, dass grundlegende Fragen dauernd aufs Neue ungeklärt
> erscheinen.
Bild: Der feministische Stammtisch ist noch nicht betrunken genug, daher wird w…
Wir befinden uns in der vierten Welle. Es geht jetzt aber nicht um dieses
Virus, sondern um etwas Gutes, von dem es gar nicht genug Wellen geben
kann: Feminismus. Das mit den „Wellen“ ist eine von vielen möglichen
Zeitrechnungen. Allerdings ist das Denken in Wellen manchmal nur bedingt
hilfreich, genau wie das Denken in den Generationen A, Boomer, Golf, X, Y,
Z.
Vielleicht ist Feminismus eher so ein Urknallmoment, wo alles immer
zeitgleich passiert, deshalb scheinen dauernd die grundlegendsten Fragen
aufs Neue ungeklärt, fühlt man sich ständig zurückgeworfen. „Widerspricht
sich das nicht?“, fragt der Neue, der beim Stammtisch auftaucht, ein bi
Twink aus dem frühen 21. Jahrhundert, geflohen vor Familie, Heteros und
männlichkeitsbesessenen Schwulen, auf der Suche nach Feminismus. „Wie soll
das gehen? Gleich sein wollen und darauf bestehen, anders zu sein?“
„Das haben wir doch schon tausendmal durch!“, stöhnt Mo aus den 80ern, die
gerade ein Tablett mit Shots für alle vom Tresen herüberschleppt. „Okay,
aber [1][Geschlecht ist konstruiert], ja?“, versucht es der Twink noch
einmal. „Nö, meins fühlt sich ziemlich echt an“, sagt Dex und rammt
sein*ihr leeres Glas auf die Tischplatte. „Materie, baby!“
Die Sex-Gender-Trennung
Das Restaurant am Ende des Feminismus hat Karaoke-Night, deshalb singt auf
der Bühne ein Fin-de-Siècle-Dandy im Gehrock Operettenschlager in
Mezzosopranlage. Der feministische Stammtisch ist noch nicht betrunken
genug, daher wird weiterdiskutiert. Es gibt Streit darüber, ob man Simone
de Beauvoir einladen sollte, „immerhin hat sie uns die Sex-Gender-Trennung
eingebrockt“, sagt Marisol, die Genderwissenschaftlerin, überm Kamillentee.
„Die wird öfter missverstanden, als dass sie nützt!“ „Blödsinn“, sagt
Marisols Doktorgroßmutter Carmen, „Ohne sie hätten wir wahrscheinlich noch
das ganze 20. Jahrhundert über Männer- und Frauenhirne geredet oder über
die Zauberkraft des Uterus.“ „Tun wir doch grade wieder“, mault Dex (spä…
2020er). „Alle wollen auf einmal wissen, ob ich gebären kann.“
Kurzes betretenes Schweigen. Mit großen Augen fragt der Twink: „Also Simone
de Beauvoir würde echt hier herkommen?“ „Unwahrscheinlich“, sagt Mo, „…
wir schreiben dann halt ‚angefragt‘ aufs Plakat.“
Es fließen noch ein paar Shots und es verklingen widersprüchliche Meinungen
unaufgelöst im Raum. Marisol weint ein bisschen und Carmen fängt an zu
lallen. „Postfeminism, baby!“, brüllt Dex und springt auf, dem Dandy das
Mikro zu entreißen. „Wenn wir uns einigen, haben wir verloren.“ Der Twink
wird immer verzweifelter. „Haben wir denn überhaupt nichts, das uns
verbindet?“, fleht er.
„Hey“, sagt Mo und reicht ihm die Schale mit den Zimtsternen. „Wir sind
doch alle hier, oder? Wir sind am Ende der Welt und haben uns gefunden. Wir
hören uns zu. Und ich verspreche dir: Ehe das Universum endet, haben wir
uns gegenseitig ein bisschen klüger gemacht.“
12 Nov 2021
## LINKS
[1] /Transfeindliche-Professorin-tritt-zurueck/!5808853
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Kolumne Unisex
Feminismus
Feminismus
Queer
Kolumne Hot und hysterisch
Kolumne Unisex
Kolumne Unisex
Kolumne Unisex
Kolumne Unisex
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sex mit vertrauten Partner:innen: Von wegen Lustkiller
Sex in Langzeitbeziehungen hat einen schlechten Ruf. Dabei ist er doch so
viel vertrauter und intimer als ein One-Night-Stand.
LGBTI-Rechte im Koalitionsvertrag: Dickes Fell für die Legislatur
Viele der geplanten Ampel-Reformen verdienen Applaus. Für gute
Lebensbedingungen von LGBTI ist aber auch ein starker Sozialstaat nötig.
Idealtypen von Körpern: Hässlich und krank
Unser Autor denkt über Körper nach. Und merkt: Er hat keine Ahnung, wie
echte Körper aussehen.
Abtreibungsgesetz in Texas: Ein Herz, das kein Herz ist
Das „Heartbeat“-Bill in Texas verbietet Abtreibungen ab dem ersten
Herzschlag. Das soll ab der sechsten Woche sein, doch Embryos haben kein
Herz.
Freunde, Familie und Bekanntschaften: Vom Gehen und Bleiben
Hier kommen Freunde dazu, dort verlässt man die Clique. Ständig kommen und
treten Menschen aus unserem Leben. Richtige Abschiede gibt es selten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.